Nr. 70466

Zoll-Roulette mit Folgen

Trumps Verschiebetaktik verlängert Unsicherheit bei den Unternehmen

Susanne Herre: Betriebe vor Ort senden klares Signal – Partnerschaft statt Protektionismus

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart warnt im Vorfeld der für Mittwoch erwarteten US-Zollentscheidung eindringlich vor den erheblichen Auswirkungen auf die exportorientierte Wirtschaft in Baden-Württemberg – ganz gleich, wie die Entscheidung letztlich ausfällt. „Jede Zuspitzung des Handelskonflikts – ob durch neue Zölle oder politische Unsicherheiten – kann Investitionen ausbremsen, globale Lieferketten ins Wanken bringen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts dauerhaft beeinträchtigen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre.
„Was am Mittwoch in Washington entschieden wird, hat direkte Folgen für Werkhallen hier direkt bei uns vor Ort“, betont Herre. „Unsere Unternehmen brauchen keine neuen Hürden, sondern Verlässlichkeit und fairen Marktzugang – alles andere gefährdet Jobs und Investitionen. Denn die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Absatz- und Investitionsmarkt für die Unternehmen in Baden-Württemberg. Unsere Betriebe sind deshalb besonders auf stabile transatlantische Beziehungen angewiesen.“

Stresstest für Export, Investitionen und Planung

Der anhaltende Handelskonflikt mit den USA ist für viele Unternehmen im Land längst keine kurzfristige Irritation mehr, sondern eine dauerhafte Belastungsprobe. „Der Export – über Jahre ein verlässlicher Stabilitätsanker – gerät ins Rutschen. Bei 34,8 Milliarden Euro Ausfuhr in die USA droht ohne politischen Kurswechsel ein wirtschaftlicher Schaden von enormem Ausmaß.“

Konjunkturumfrage zeigt: Unternehmen zunehmend besorgt

Die aktuelle IHK-Konjunkturumfrage unter mehr als 1.250 Industrieunternehmen in Baden-Württemberg zeigt: Die geopolitischen Risiken nehmen weiter zu. 56 Prozent der Betriebe sehen internationale Spannungen mittlerweile als ernstzunehmende Gefahr für ihre Geschäfte – gegenüber 44 Prozent zu Jahresbeginn. Damit rangieren geopolitische Unsicherheiten inzwischen auf Platz drei der größten Geschäftsrisiken – direkt hinter der schwächelnden Inlandsnachfrage (70 Prozent) und den steigenden Arbeitskosten (59 Prozent).

Stimmen aus der Wirtschaft: Der US-Markt bleibt wichtig – trotz aller Un-sicherheiten

Bei einer Delegationsreise in die USA vor drei Wochen traf IHK-Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre zahlreiche deutsche Unternehmen vor Ort. Das Bild ist differenziert: Einerseits gibt es ein klares Bekenntnis zum US-Markt – allen Widrigkeiten zum Trotz. Die USA gelten weiterhin als Wachstumsmarkt und führender Innovationsstandort. Viele Betriebe denken langfristig und lassen sich von aktuellen politischen Unwägbarkeiten nicht entmutigen.
Zugleich bereiten Zölle, Wechselkurse, Fachkräftemangel und die restriktive Einwanderungspolitik vielen Unternehmen erhebliche Sorgen. Die Unsicherheit über künftige Handelsabkommen – etwa im Klimaschutz – erschwert zusätzlich die Planung. Einige Unternehmen versuchen daher, durch duale Ausbildungsprojekte nach deutschem Vorbild in den USA die Fachkräftelücke zu schließen. „Unsere Unternehmen senden ein klares Signal“, so Herre abschließend. „Sie wollen Partnerschaft statt Protektionismus. Dafür braucht es jetzt ein starkes, gemeinsames Zeichen der EU – für verlässliche Rahmenbedingungen und faire Wettbewerbschancen im transatlantischen Handel.“

Hintergrund:

Von der Zollentscheidung am Mittwoch sind sämtliche Waren betroffen – mit Ausnahme der Sonderzölle für die Automobilwirtschaft sowie Produkte aus Eisen und Stahl. Hier gilt derzeit ein zusätzlicher Zollsatz von 25 bzw. 50 Prozent.

Ergebnisse aus der IHK-Konjunkturumfrage zu den Exporterwartungen mit den USA:

  • 53 Prozent der Unternehmen erwarten rückläufige US-Exporte in den kommenden zwölf Monaten, nur 14 Prozent rechnen mit einer Zunahme.
  • 47,7 Prozent gehen davon aus, dass sie durch protektionistische US-Politik weniger exportieren werden.
  • Gleichzeitig ziehen zehn Prozent eine teilweise Produktionsverlagerung an bestehende US-Standorte in Betracht, weitere 5,8 Prozent planen den Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten in den USA.
  • 23,3 Prozent der Firmen erwarten, dass Produkte aus Drittstaaten zu-nehmend Konkurrenz auf dem europäischen Markt machen werden.
  • Nur 7,6 Prozent erhoffen sich bessere Marktchancen in den USA.

Wie ältere Beschäftigte den Fachkräftemangel abfedern

Der demografische Wandel ist längst kein Zukunftsszenario mehr, sondern Realität. Die deutsche Wirtschaft steht vor einer ihrer größten Herausforderungen: dem Mangel an qualifizierten Fachkräften. Eine bislang unterschätzte Ressource rückt dabei zunehmend in den Fokus – ältere Beschäftigte.
Beim IHK-Fachkräfte-Summit am 4. Juli in Stuttgart wurde deutlich: Wer den Arbeitskräftemangel ernsthaft mildern will, kommt an den Silver Workern nicht vorbei. „Flexible Arbeitszeitmodelle, eine wertschätzende Unternehmenskultur und gezielte Weiterbildungsangebote sind entscheidend, um ältere Mitarbeitende länger im Beruf zu halten“, betonte Thorsten Pilgrim, Vizepräsident der IHK Region Stuttgart, in seiner Eröffnungsrede.
Würden in der Region Stuttgart nur fünf Prozent mehr Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren erwerbstätig sein, könnten laut IHK-Fachkräftemonitor bis 2035 rund 12.600 zusätzliche Stellen besetzt werden. Statt prognostizierten 107.668 unbesetzten Stellen wären es dann „nur“ noch rund 95.000 offene Stellen.

Konsens zwischen Wirtschaft und Politik

Dass die Weiterbeschäftigung Älterer nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe ist, wurde in der Diskussion zwischen Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart, und Andreas Schwarz (Grüne), Vorsitzender der Landtagsfraktion, deutlich. Beide forderten bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf, Kinderbetreuung und Pflege. Susanne Herre ist hierbei das Thema Pflege besonders wichtig „Wir brauchen mehr Pflegeplätze und wir brauchen innovative Ideen, zum Beispiel Pflegebelegplätze bei Unternehmen. Nur so kann das Berufsleben mit der Pflegesituation gut vereinbart werden,“ so Herre.

Wohlstand in Gefahr

Dr. Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft warnte vor den Folgen eines ungebremsten Rückgangs der Arbeitsstunden durch den vorzeitigen Renteneintritt: „Wenn wir nicht gegensteuern, verlieren wir nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch unseren Wohlstand.“ Die derzeit konjunkturell schlechte Lage dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit einem wirtschaftlichen Aufschwung der Fachkräftemangel wieder mit voller Wucht zuschlagen werde. Jetzt seien sowohl die Politik als auch die Gesellschaft gefordert.

Wissen bewahren mit KI

Ein weiteres Problem: Mit dem Ausscheiden älterer Mitarbeitender geht oft auch wertvolles Erfahrungswissen verloren. Das Stuttgarter Unternehmen Blockbrain GmbH hat hierfür digitale Lösungen entwickelt. „Unternehmenswissen ist der wichtigste Wettbewerbsvorteil, den wir in Deutschland noch haben", so Antonius Gress, Geschäftsführer und Mitgründer von Blockbrain. Mit digitalen Wissenszwillingen könne das jahrzehntelang errungene Know-how langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesichert und jüngeren Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung gestellt werden.
Auch IHK-Chefin Herre sieht in der Digitalisierung eine Chance – nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für ältere Beschäftigte. „Es geht nicht darum, Menschen durch KI zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen.“ Entscheidend sei, dass auch ältere Mitarbeitende gezielt an neue Technologien herangeführt würden.
Für Andreas Schwarz, den Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Stuttgarter Landtag, birgt die Nutzung von KI viele Vorteile. „Dank der Unterstützung durch Künstliche Intelligenz können sich Beschäftigte wieder stärker auf die wirklich wichtigen Aufgaben in ihrem Job konzentrieren. Ich bin davon überzeugt, dass sich auch ältere Mitarbeitende gut für neue Technologien begeistern lassen.“

Fazit: Wertschätzung statt Vorurteil

Der Tenor des Gipfels: Wer ältere Beschäftigte nur als „altes Eisen“ betrachtet, verschenkt Potenzial. Damit auch Menschen jenseits der 60 motiviert und leistungsfähig bleiben, braucht es mehr als ergonomische Bürostühle – nämlich Respekt, Weiterbildung und eine moderne Arbeitskultur. Die Verantwortung dafür liegt bei Unternehmen und Politik gleichermaßen.

Erfahrung nutzen, Zukunft sichern: Ältere im Fokus der Fachkräftestrategie

IHK-Fachkräftemonitor: Fünf Prozent mehr Ältere – 12.600 mehr Fachkräfte

Die Sicherung von Fachkräften gehört zu den größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Eine zentrale Stellschraube dabei: die bessere Einbindung älterer Beschäftigter. Denn würden in der Region Stuttgart fünf Prozent mehr ältere Menschen arbeiten, könnten nach dem neuesten IHK-Fachkräftemonitor im Jahr 2035 rund 12.600 zusätzliche Stellen besetzt werden. Statt prognostizierten 107.668 unbesetzten Stellen wären es dann „nur“ noch 95.035.
Wie gelingt es, Ältere länger im Beruf zu halten? Und wie schaffen wir es, Betriebe dafür zu begeistern, ältere Menschen länger zu beschäftigen? Diese Fragen stehen heute im Mittelpunkt des Fachkräfte-Summits in der IHK. Die Veranstaltung rückt das Erfahrungswissen älterer Beschäftigter in den Fokus – und zeigt auf, wie durch Gesundheitsmanagement, KI und bessere politische Rahmenbedingungen altersgerechte Arbeitsbedingungen geschaffen werden können.

Arbeit im Alter – was braucht es?

Was für junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, gilt auch für die älteren Mitarbeitenden. „Flexible Arbeitszeitmodelle und wertschätzende Unternehmenskultur tragen dazu bei, sich im Unternehmen wohlzufühlen und länger arbeiten zu wollen“, sagt IHK-Vize Thorsten Pilgrim, der den Fachkräfte-Summit eröffnet. „Aber auch gezielte Weiterbildungsangebote und Gesundheitsprävention sind wichtig, um die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten.“

KI als Lösung gegen den Fachkräftemangel

„Unternehmenswissen ist der wichtigste Wettbewerbsvorteil, den wir in Deutschland noch haben“, erklärt Antonius Gress, Geschäftsführer und Mitgründer des Unternehmens Blockbrain. „Während Bürokratie, Personal- und Energiekosten längst keine Standortvorteile mehr sind, verlieren wir durch demografischen Wandel und Fachkräftemangel auch noch wertvolles Expertenwissen. Mit digitalen Wissenszwillingen können wir das jahrzehntelang errungene Know-how unserer Koryphäen sichern und jüngeren Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen.“ Gress hat die Erfahrung gemacht, dass eine Brücke zwischen den Generationen entstehe, wenn Menschen die praktischen Vorteile einer KI-Lösung – wie Blockbrain – selbst erleben.

Ältere in den digitalen Wandel einbinden

Für Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart, ist wichtig: „Auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen gezielt an digitale Technologien und insbesondere an Künstliche Intelligenz herangeführt werden. Wir dürfen niemanden zurücklassen.“ Wenn es gelingen soll, ältere Menschen länger im Berufsleben zu halten, brauche es mehr als betriebliche Maßnahmen allein. „Auch die Politik ist gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Dazu gehören für die IHK-Chefin spezielle Bildungsprogramme für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere im Bereich digitaler Kompetenzen und KI. Aber auch die Förderung von Modellen für Teilzeit, Jobsharing oder gleitendem Übergang in den Ruhestand seien ein Weg.

„Ältere Beschäftigte müssen sich in der Arbeitswelt wertgeschätzt, sicher und gut begleitet fühlen – auch im digitalen Wandel“, so Herre. „Nur wenn ältere Generationen beim technologischen Fortschritt aktiv mitgenommen werden, können sie ihre Erfahrung einbringen, neue Kompetenzen aufbauen und zu einem entscheidenden Teil der Fachkräftelösung werden.“ Denn schließlich gilt nach der IHK-Chefin: Ältere Beschäftigte sind für die Wirtschaft unverzichtbar – und dies nicht nur wegen des demographischen Wandels.

Sicherheit als Wirtschaftsfaktor

Unternehmen entdecken Verteidigung als neues Geschäftsfeld

Die geopolitischen Spannungen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und des anhaltenden Nahostkonflikts haben die sicherheitspolitische Lage weltweit verändert – mit spürbaren Folgen auch für die deutsche Wirtschaft. Während viele Branchen unter der schwachen Konjunktur und dem Druck der Transformation leiden, rückt die Verteidigungsindustrie in den Fokus.
Am 2. Juli diskutierten im IHK-Haus Stuttgart über 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Bauwirtschaft und Dienstleistungssektor über die Chancen und Herausforderungen, die sich aus dem gestiegenen Bedarf an Rüstungsgütern und sicherheitsrelevanten Dienstleistungen ergeben. Die Veranstaltung „Aufträge rund um Sicherheit und Verteidigung“ der IHK-Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg mit Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg, des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg und des Enterprise Europe Networks, bot Einblicke in ein Marktsegment, das lange Zeit als politisch sensibel und wirtschaftlich schwer zugänglich galt.

Milliardenmarkt im Aufbau

Die Zahlen sind eindeutig: Die Bundesregierung plant, die Verteidigungsausgaben von derzeit rund 75 Milliarden Euro auf 170 Milliarden Euro bis ins Jahr 2029 zu steigern. Möglich wird dies durch das Sondervermögen Bundeswehr und die Aussetzung der Schuldenbremse für sicherheitsrelevante Investitionen. Auch auf internationaler Ebene wächst der Druck: Die NATO-Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, bis 2035 fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden.
Für Unternehmen bedeutet das: Ein wachsender Markt mit langfristiger Perspektive – aber auch mit hohen Einstiegshürden. Neben ethischen Fragen stehen vor allem strategische Überlegungen im Vordergrund: Passt das eigene Produkt- oder Dienstleistungsportfolio zu den Anforderungen von Bundeswehr, NATO oder der Europäischen Verteidigungsagentur?

Zwischen Bürokratie und Bedarf

Claus Paal, Präsident der IHK Region Stuttgart sagte in seiner Begrüßungsrede, dass Sicherheit und Verteidigung zu zentralen Themen geworden seien. „Die Themen Sicherheit und Verteidigung sind einerseits eine Notwendigkeit, um Deutschland so schnell wie möglich verteidigungsfähig aufzustellen, sie bieten aber auf der anderen Seite Unternehmen die Chance neue Kunden und Märkte aufzubauen. Die IHK wird mithelfen, dass der Prozess schnell in Gang gesetzt wird.“
Holger Triebsch, Leiter der Abteilung Industrie, Innovation und Infrastruktur der IHK Region Stuttgart betonte in seiner Begrüßung die Notwendigkeit, militärische Investitionen mit zivilgesellschaftlichem Nutzen zu verknüpfen. Als Beispiele nannte er Investitionen in Infrastruktur und Katastrophenschutz.
Dass das Angebot der IHK-Organisation in Sachen Gesamtverteidigung beziehungsweise zivil-militärische-Zusammenarbeit auch Aspekte wie die Stärkung der Resilienz in den Unternehmen abdecke, erläuterte Tim Bartsch, Referent für Security und Defence bei der IHK-Bodensee-Oberschwaben, die das Thema für die baden-württembergischen IHKs koordiniert.
Für Michael Kleiner, Amtschef im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, ist klar: „Ohne Sicherheit keine stabile Wertschöpfung, aber ohne stabile Wertschöpfung keine Sicherheit.“ Deswegen sei eine gute Mischung kleinerer, mittlerer und größerer Unternehmen, die zudem aus der Region kommen, wichtig für die Stabilität. Die Landesregierung unterstütze die baden-württembergischen Unternehmen auf ihrem Weg der Transformation.



Professor Dr. Michael Eßig von der Universität der Bundeswehr in München unterstrich in seiner Keynote die Bedeutung strategischer Beschaffung. Die öffentliche Hand müsse sich von einem rein administrativen Verständnis lösen und stärker auf Marktkenntnis und differenzierte Strategien setzen.
„Da stecken eine ganze Menge Chancen drin, Unternehmen müssen jedoch die Besonderheiten der Märkte verstehen und beachten. Die Bundeswehr hat besondere Anforderungen, die es schwieriger machen als in der Privatwirtschaft.“ Umso mehr würde sich Professor Eßig freuen, wenn sich innovative Unternehmen für öffentliche Aufträge bewerben.
Götz Witzel, unterstützt als langjähriger Berater Unternehmen bei der Geschäftsanbahnung und Geschäftsentwicklung mit Bundeswehr, NATO und EU. „Wir sind bereits in einer hybriden Auseinandersetzung – wir sind schon lange nicht mehr im Frieden.“ Witzel führte aus, dass durch Cyberangriffe und ähnliches im letzten Jahr 266,6 Milliarden Euro volkswirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Er betonte, dass wir uns in der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie von anderen Ländern unabhängig machen müssten. „Unsere Unternehmen haben da was zu bieten,“ ist sich Witzel sicher.

Chancen auch für den Mittelstand

Dass der Einstieg in die Wehrtechnik nicht nur Großunternehmen vorbehalten ist, machten Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr deutlich. So stammen rund 88.000 der 100.000 Einzelteile eines Schützenpanzers vom Typ „Puma“ von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Nur 12 Prozent der Komponenten werden von Großkonzernen geliefert.
Auch im Bereich Dienstleistungen gibt es Bedarf: Die Bundeswehr unterhält rund 1.500 Liegenschaften mit über 33.000 Gebäuden – vom Gebäudemanagement bis zur IT-Infrastruktur. Wer hier erfolgreich sein will, muss nicht nur über technisches Know-how verfügen, sondern auch über die nötigen Zertifizierungen.
Nur wenig bekannt ist, dass die NATO über eigene Beschaffungsorganisationen wie die NATO Support and Procurement Agency (NSPA) verfügt, die im Auftrag ihrer Mitglieder, der NATO-Staaten, projektbezogene Beschaffungen durchführt. Ein Vertreter der NSPA ermunterte interessierte Unternehmen, sich direkt mit ihrem Portfolio auf der Homepage der NSPA zu registrieren.

Langfristige Strategie gefragt

Einigkeit herrschte unter den Referierenden darüber, dass der Verteidigungsmarkt ein langfristiges Geschäftsfeld sei. Unternehmen, die sich engagieren wollen, müssen strategisch und dauerhaft planen – auch mit Blick auf Geheimschutz, Spionageabwehr und personelle Ressourcen. Nur dann lohnen sich die Investitionen in ein Feld, das zunehmend an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung gewinnt.

Hintergrundinformation:

Die bei der IHK Region Stuttgart angesiedelte IHK-Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg ist die zentrale Serviceeinrichtung der Industrie- und Handelskammern im Bundesland Baden-Württemberg für Unternehmen, die mit der öffentlichen Hand ins Geschäft kommen wollen. Sie bietet Praxistipps von A wie Ausschreibung bis Z wie Zuschlag sowie Veranstaltungen zum Vergaberecht mit erfahrenen Praktikern.
Darüber hinaus berät sie öffentliche Auftraggeber im Land praxisnah rund um alle Fragen öffentlicher Ausschreibungen im Liefer- und Dienstleistungsbereich und unterstützt dabei, geeignete Bieterunternehmen zu finden.

Bundestag beschließt Investitionspaket – Wichtiges Signal für Standort und Unternehmen

BWIHK-Vizepräsident Paal: „Deutschland bewegt sich!“

Mit dem heutigen Beschluss des Bundestages zum Investitionspaket sendet die Politik ein klares Signal: Deutschland bewegt sich. Aus Sicht der Wirtschaft ist das ein richtiger Schritt – denn der Handlungsdruck ist hoch. „Es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt Tempo macht. Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Innovation sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Standorts“, sagt Claus Paal, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages und Präsident der IHK Region Stuttgart. „Aber klar ist auch: Das kann nur ein Anfang sein. Unsere Unternehmen brauchen nachhaltige Entlastungen, stabile Rahmenbedingungen und einen verlässlichen Kurs in der Wirtschafts- und Energiepolitik.“
Mit dem Paket wird aus Sicht der Wirtschaft ein erster Schritt zur Stärkung des Industriestandorts Deutschland gemacht – unter anderem durch die vorgesehenen erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten von Maschinen und Elektrofahrzeugen. Diese könne Betrieben schnelle Liquidität bringen und dringend notwendige Investitionen etwa bei der Digitalisierung oder bei der Modernisierung des Maschinenparks erleichtern. Aber auch die geplante schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer von 15 auf 10 Prozent in den Jahren 2028 bis 2032 sei ein wichtiger Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Kapitalgesellschaften, „wenn sie auch etwas früher hätte kommen können“, so Paal.

Enttäuschung über Kurswechsel bei Stromsteuer

Die Entscheidung, die Stromsteuer nur für einzelne Branchen zu senken, ist für den BWIHK-Vize dagegen unverständlich und kurzsichtig. „Viele Betriebe haben auf die im Koalitionsvertrag versprochene Entlastung vertraut – jetzt fühlen sie sich im Stich gelassen. Gerade Handel und Dienstleistungsunternehmen kämpfen ebenso mit hohen Energiekosten. Wer den Standort stärken will, darf nicht mit zweierlei Maß messen. Ich setze auf die Abgeordneten des Bundestags, diesen Fehler zu korrigieren.“
Generell komme es jetzt darauf an, dass die beschlossenen Maßnahmen zügig und praxistauglich umgesetzt und durch strukturelle Reformen flankiert würden. „Planungssicherheit, Fachkräfteverfügbarkeit und Bürokratieabbau müssen jetzt ebenso entschieden angegangen werden“, so Paal. „Die Unternehmen stehen bereit – was sie brauchen, ist Rückenwind aus der Politik.“

Hintergrundinformation:

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.

Kultur ist Wirtschaftskraft: IHK-Sommerempfang rückt kreative Szene ins Rampenlicht

Konjunkturelle Lage der Branche deutlich besser als zu Jahresbeginn

Die IHK Region Stuttgart widmet ihren Sommerempfang 2025 ganz der kulturellen Szene – und setzt damit ein starkes Zeichen: Kunst und Kultur sind nicht nur Herzschlag einer lebendigen Innenstadt, sondern auch ein harter Standortfaktor mit wirtschaftlichem Gewicht. „Ob Ballett, Hiphop oder Jazzopen – Stuttgart ist kreativ, vielfältig und innovationsstark“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre. „Deshalb freuen wir uns, diesem wichtigen Thema heute vor rund tausend Gästen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden die Bühne zu geben, die es verdient.“

Die aktuelle „City-Studie Stuttgart 2025“, die die IHK Region Stuttgart bei der CIMA in Auftrag gegeben hat, bestätigt das: Kulturangebote sind für mehr als ein Drittel der Befragten (34,2 Prozent) der wichtigste Baustein für eine attraktive Innenstadt – noch vor Gastronomie (33,7 Prozent) und Einzelhandel (31,6 Prozent). Besonders junge Menschen nutzen laut der Studie Theater, Museen oder Konzerte als Erlebnisräume, während ältere Besucherinnen und Besucher gezielt Veranstaltungen aufsuchen. Im Städtevergleich mit anderen Großstädten liegt Stuttgart bei der kulturellen Attraktivität deutlich über dem Durchschnitt. Und: Ganz allgemein belegt die Landeshauptstadt im deutschlandweiten Vergleich Platz acht der beliebtesten Großstädte – noch vor Dresden und Leipzig.

Kreativwirtschaft: Impulsgeber mit Wirtschaftskraft

„Dass Stuttgart so gut abschneidet, zeigt, welches Potenzial in unserer Stadt steckt. Wir müssen alles dafür tun, damit die Kunst- und Kulturbranche, als wichtiger Wirtschaftszweig unserer Region, wieder positiv in die Zukunft schauen kann“, betont IHK-Präsident Claus Paal. „Denn Kultur ist kein Nice-to-have, sondern Wirtschaftskraft pur!“ So schaffe die Kreativwirtschaft Arbeitsplätze, ziehe Publikum an und bringe damit Kaufkraft in Gastronomie und Handel. Immerhin 40 Prozent der Betriebe aus der Kulturbranche bewerten in der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage ihre Lage als gut – ein klarer Anstieg gegenüber dem Jahresbeginn. Damals sagten dies nur 31 Prozent. Ein kleiner Dämpfer bleibt allerdings: Knapp 28 Prozent der Kulturbetriebe erwartet in den kommenden zwölf Monaten schlechtere Geschäfte, knapp drei Prozentpunkte mehr als noch zu Jahresbeginn.

Zwei Duos im Talk – Politik, Kunst und Kultur diskutieren

Was muss also passieren, damit die Kulturbranche noch mehr vom Aufschwung spürt? Darüber diskutieren beim Sommerempfang „Zwei Duos im Talk“: Arne Braun, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, im Gespräch mit Martin Buch, dem Vorstandsvorsitzenden der Sparda-Bank, sowie die Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, Ulrike Groos, im Gespräch mit dem Künstler Tim Bengel. Außerdem steht ein Statement der Rektorin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Eva-Maria Seng, auf dem Programm.