Nr. 70466
BWIHK-Pressemitteilung vom 22. Mai 2023

Konjunkturumfrage Frühsommer 2023

Baden-württembergische Wirtschaft entkommt der Rezession – Geschäftslage der Unternehmen bleibt im Vergleich zum Frühjahr stabil 

BWIHK-Präsident Erbe: „Den Betrieben fehlt der Rückenwind“

Die Wirtschaft in Baden-Württemberg entkommt der Rezession, verliert jedoch merklich an Schwung. „Die enormen Herausforderungen haben der Wirtschaft weniger geschadet als noch vor einigen Monaten erwartet, dennoch fehlt den Betrieben ein kräftiger Rückenwind“, fasst Christian Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen. Demnach bewerten mit 42 Prozent der Unternehmen fast ebenso viele ihre Lage als gut wie zu Jahresbeginn (41 Prozent). Zehn Prozent sagen, die Lage ist schlecht – genauso viele wie im Februar. Auch die Zahl derer, die auf bessere Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten hofft, ist mit 23 Prozent etwa gleichgeblieben (Jahresbeginn 22 Prozent). Schlechtere Geschäfte erwarten mit 20 Prozent der Befragten etwas weniger als noch im Februar (23 Prozent). An der Umfrage haben sich zwischen Mitte April und Anfang Mai 2023 landesweit 3.381 Unternehmen aller Größen und Branchen beteiligt. 
„Noch vor einem halben Jahr waren die Sorgen in Wirtschaft und Politik groß, die unterschiedlichen Krisenherde und die massiven Preissteigerungen vor allem bei Strom und Gas trübten die Zukunftserwartungen der Unternehmen deutlich ein, die Furcht vor einer möglichen Rezession war spürbar“, so Erbe. Im Herbst 22 blickte nur noch jedes achte Unternehmen optimistisch in die Zukunft. „Der Winter verlief jedoch milder als erwartet. Unternehmen und Haushalte haben deutlich weniger Gas verbraucht als in den Jahren zuvor“, ergänzt der BWIHK-Präsident. „Zum einen haben die Unternehmen deutlich stärker in Energiesparmaßnahmen investiert, zum anderen ist aber auch weniger als üblich produziert worden.“
Ende des ersten Quartals dieses Jahres tauchte dann ein neues Schreckgespenst am Horizont auf: Der Fall der amerikanischen Silicon Valley Bank und die Rettung der traditionsreichen Credit Suisse durch den Verkauf an die UBS. Erbe: „An den Finanzmärkten weckte das Erinnerungen an Lehman Brothers und die weltweiten Verwerfungen an den Finanzmärkten 2008. Eine weitere Krise wäre für die Unternehmen jetzt zur absoluten Unzeit gekommen und blieb uns zum Glück auch erspart.“

Herausforderungen: Fachkräftemangel bleibt Toprisiko

Dennoch haben die Unternehmen mit immensen Herausforderungen zu kämpfen, die ihren Blick in die Zukunft trüben. Branchenübergreifend und dem demografischen Wandel geschuldet, bleibt der Fachkräftemangel mit 68 Prozent Nennungen das Toprisiko in Baden-Württemberg. Der Fachkräftemangel übt, neben der herrschenden Inflation, zudem Druck auf Löhne und Gehälter aus. 54 Prozent der Unternehmen sehen hier ein wirtschaftliches Risiko, das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch zum Jahresbeginn 2023. Besonders das Verkehrsgewerbe (60 Prozent) und das Gastgewerbe (78 Prozent) befürchten weitere Erhöhungen bei den Lohnkosten. „Die Politik ist gefragt. Wir müssen an allen möglichen Stellschrauben drehen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – von der Stärkung dualer Ausbildung und der Berufsorientierung bis hin zur Vereinfachung bei der Fachkräfteeinwanderung“, fordert Erbe. „Wenn wir jetzt nicht an Tempo zulegen, werden die Betriebe bei der Transformation zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgebremst. Das schadet ihrer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.“
Die Lage an den Energiemärkten hat sich in einigen Branchen im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 weiter entspannt. Dennoch sehen circa 58 Prozent der Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko bei den hohen Energiekosten. Vor allem die margenschwachen Branchen leiden weiterhin unter den hohen Preisen. Bei den Hotels und Gaststätten nennen dies 79 Prozent der Teilnehmer als ein Geschäftsrisiko. Aber auch in der Industrie (65 Prozent) und im Verkehrsgewerbe (76 Prozent) bleiben die Energiekosten ein Toprisiko. 
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und den Spannungen zwischen China und Taiwan wurde in der Frühsommer-Konjunkturumfrage 2023 neben den klassischen Geschäftsrisiken zusätzlich zum Thema „geopolitische Spannungen“ befragt. Jedes vierte Unternehmen sieht hierin ein Geschäftsrisiko.

Aus den Branchen: Dienstleister legen zu, Industrie, Bau und Handel mit verhaltener Entwicklung

Die wirtschaftliche Lage in der Industrie nimmt im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 leicht ab. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich zurückgegangen. 41 Prozent sagen, die Lage sei gut – im Frühjahr war es nur ein Prozentpunkt mehr. Als schlecht bewerten ihre Lage 13 Prozent (Frühjahr 11 Prozent). Auch der Auftragseingang aus dem In- und Ausland ist im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 gesunken. Die Exporterwartungen bleiben verhalten. Asien und Nordamerika bilden hierbei den Lichtblick für die baden-württembergische Exportwirtschaft. Fast jedes vierte Unternehmen erwartet bessere Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten, jedes fünfte Unternehmen geht dagegen von schlechteren Geschäften aus.
Hohe Energiepreise, hohe Baukosten, fehlende Fachkräfte und die erschwerte Baufinanzierung setzen den Unternehmen im Baugewerbe stark zu. 36 Prozent bewerten ihre Lage als gut, das sind vier Prozentpunkte weniger als noch zu Jahresbeginn. Zwar befindet sich die Geschäftslage im Vergleich zu anderen Branchen auf einem relativ guten Niveau. Das ist jedoch den noch bestehenden Aufträgen zu danken. „Nach Jahren hoher Nachfrage leeren sich die Auftragsbücher zunehmend, vor allem im Wohnungsbau sind die Auftragseingänge stark eingebrochen“, so Erbe. Die Unternehmen melden, dass die Bauproduktion abnimmt, auch die steigenden Baukosten schmälern zusätzlich die Ertragslage. 41 Prozent blicken daher pessimistisch auf die Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten.
Die Inflation spüren besonders die Unternehmen des Groß- und Einzelhandels. Die steigenden Preise können nicht immer an die Kunden direkt weitergegeben werden. Zudem herrscht im Einzelhandel bei der Kundschaft eine allgemeine Kaufkraftzurückhaltung. 60 Prozent der Einzelhändler geben an, dass das Kaufverhalten zurückhaltend ist. Aber auch beim produktionsverbundenen Großhandel ist der Bestelleingang wegen schwächelnder Konjunktur in der Industrie schlechter geworden. Hier sagen 40 Prozent der Unternehmen, dass das Kaufverhalten zurückhaltend ist. Eine baldige Besserung wird weder im Groß- noch im Einzelhandel erwartet: Das Risiko ‚Inlandsnachfrage‘ ist beim Großhandel mit circa 69 Prozent der Nennungen und im Einzelhandel mit circa 63 Prozent Nennungen eines der Toprisiken – neben dem Fachkräftemangel und der Energiekosten.
Das Hotel- und Gastgewerbe hat das Corona-Tief so langsam überwunden und kämpft sich aus wirtschaftlicher Sicht langsam in die Normalität zurück. 36 Prozent der Unternehmen geben an, dass ihre Geschäftslage gut ist - ein Anstieg um fünf Prozentpunkte. Ihre Geschäftslage als schlecht bewerten circa 16 Prozent der Unternehmen (zum Jahresbeginn 2023: 19 Prozent). Weiterhin Bauchschmerzen bereiten dem Hotel- und Gastgewerbe der Fachkräftemangel und die hohen Energiekosten. Die Geschäftserwartungen für das Sommergeschäft bleiben verhalten bis leicht optimistisch. 27 Prozent gehen von einer Verbesserung der Geschäfte aus und 17 Prozent von einer Verschlechterung. Zum Vergleich: Zu Jahresbeginn 2023 gab es 24 Prozent positive Nennungen und 20 Prozent negative Nennungen. 
Das Transport- und Verkehrsgewerbe meldet bessere Zahlen als zum Jahresbeginn 2023. Zum damaligen Zeitpunkt empfanden 16 Prozent der Unternehmen ihre wirtschaftliche Lage als schlecht, im Frühsommer waren es nur noch sechs Prozent. Jedes dritte Unternehmen befindet sich in einer guten wirtschaftlichen Situation. Jedoch fehlt es der Branche vor allem an Lastwagenfahrenden. 
Bei den baden-württembergischen Dienstleistern setzt sich der Aufwärtstrend fort. Die Dienstleister profitieren derzeit von einer hohen Nachfrage. 45 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut und sieben Prozent bewerten die Lage als schlecht. Besonders die Unternehmen der Finanzdienstleister konnten sich nach dem Einbruch zum Herbst 2022 wieder erholen. Auch die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate legen noch einmal deutlich zu. 27 Prozent der Unternehmen erwarten eine bessere Geschäftssituation, einzig die Immobilienwirtschaft rechnet mit schlechteren Geschäften.     
Pressemitteilung vom 12.05.2023

Claus Paal wird neuer Präsident der IHK Region Stuttgart

Dank und Ehrenpräsidentschaft für Marjoke Breuning
Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart hat am Donnerstagnachmittag (11. Mai 2023) Claus Paal, den geschäftsführenden Gesellschafter der A+V Automation und Verpackungstechnik GmbH, zum neuen Präsidenten der IHK Region Stuttgart gewählt. Paal folgt auf Marjoke Breuning, die ihr Amt nach über sechs Jahren zum 30. Juni 2023 wegen der Geschäftsaufgabe von Maute-Benger niederlegt.
Mit Claus Paal fiel die Wahl nach Ansicht des Präsidiums auf einen erfahrenen Bezirkskammerpräsidenten und engagierten Unternehmer. „Ich möchte mit dem gesamten IHK-Team den Unternehmen Ansprechpartner in schwierigen Zeiten sein und sie bei der Bewältigung der enormen Herausforderungen unterstützen. Mir ist es sehr wichtig, das geballte Wissen der Mitglieder der Vollversammlung zu nutzen, um ganz nah bei den Unternehmen zu sein und Veränderungen frühzeitig zu erkennen“, freut sich Claus Paal über das ihm entgegengebrachte Vertrauen. „Wir stehen vor großen Herausforderungen und können diese mit Optimismus angehen, denn für viele Aufgabenstellungen haben wir in der Region und im Land innovative Unternehmen mit Lösungen. Die IHK muss dabei eine treibende Rolle spielen.“ Der designierte IHK-Präsident nennt als Arbeitsschwerpunkte die duale Ausbildung, die Energiebereitstellung, den Klimaschutz und die Mobilität. Sein Herz schlägt für den Mittelstand.
Claus Paal, aktuell Vizepräsident der IHK Region Stuttgart, dankte Marjoke Breuning für ihren Einsatz als erste Frau an der Spitze der IHK Region Stuttgart. Mit ihrem Engagement, ihren Ideen und ihren überregionalen Aktivitäten als Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) setzte sie sich insbesondere für den Einzelhandel und die Innenstadtentwicklung ein. „Als erfahrene Unternehmerin eines Traditionsgeschäftes war es Marjoke Breuning wichtig, die duale Ausbildung zu unterstützen und vor allem junge Frauen darin zu bestärken, den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen“, so Paal. Die Vollversammlung verlieh Marjoke Breuning als Dank für ihr großes Engagement die Ehrenpräsidentschaft der IHK Region Stuttgart.

Informationen zu Claus Paal
Claus Paal wurde 1967 in Waiblingen geboren und studierte in Karlsruhe Maschinenbau. Nach seinem Studium übernahm er 1993 die in den 60er Jahren von seinem Vater gegründete Paal Verpackungsmaschinen GmbH. Nachdem das Unternehmen 2008 an die Robert Bosch GmbH verkauft wurde, zog sich Paal 2010 aus dem Unternehmen zurück. Heute ist er geschäftsführender Gesellschafter der A + V Automation und Verpackungstechnik GmbH und der Unternehmensberatung Claus Paal GmbH. Von 2011 bis 2021 war Claus Paal Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Dort engagierte er sich vor allem im Bereich Wirtschaftspolitik.
BWIHK-Pressemitteilung vom 11.05.2023

Fachkräfteeinwanderungsgesetz – FEG Thema im Bundesrat

BWIHK-Vizepräsidentin Breuning fordert von der Landesregierung Nachbesserungen beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz
„Die Fachkräftesicherung stellt die Unternehmen vor immense Herausforderungen. Wenn die derzeitige Entwicklung so ungebremst weitergeht, werden in Baden-Württemberg im Jahr 2035 etwa 910.000 Fachkräfte fehlen“, mahnt Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). „Das neue Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wir fordern aber von der Landesregierung, dass sie sich im Bundesrat für weitere Verbesserungen im Sinne der baden-württembergischen Wirtschaft stark macht.“ Dazu gehört für die IHK eine grundlegende Vereinfachung der Regelungen, weniger Bürokratie und mehr Transparenz für Unternehmen und Zuwanderungswillige. Derzeit gibt es mehr als 90 Möglichkeiten im deutschen Ausländerrecht, sich in Deutschland aufzuhalten. Diese müssten dringend reduziert und geordnet werden. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet die Chance dafür.
„Es ist ein wichtiges Signal aus Berlin, dass der Bund die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöht und damit die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorantreiben will. Baden-Württemberg muss hier nachziehen, denn andere Bundesländer sind weiter als wir und ermöglichen flächendeckend die online-Antragstellung und digitale Verfahren. Das würde nicht nur die Verfahren beschleunigen, sondern auch die ohnehin stark strapazierten Ausländerbehörden entlasten.“ Das Land Baden-Württemberg könnte darüber hinaus mit der Einrichtung einer oder mehrerer zentralen Ausländerbehörde im Land zu schnelleren, planbaren und besseren Verfahrensabläufen beitragen.
In der Empfehlung der Fachausschüsse für den Bundesrat sind viele Anregungen enthalten, die das Gesetz aus Sicht der Wirtschaft verbessern könnten, zum Beispiel weitere Flexibilisierungen bei der Probebeschäftigung ausländischer Fachkräfte, Erleichterungen für die Einreise zur Ausbildungsplatzsuche sowie die Abschaffung des Verbots der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer/-innen als Leiharbeitnehmer. Der Bundesrat sollte sich dafür stark machen, dass diese und weitere Erleichterungen in das Fachkräfteeinwanderungsgesetz aufgenommen werden. Entscheidungen über die Eignung der ausländischen Fach- und Arbeitskräfte sollten stärker in die Hände der Unternehmen gelegt und die ohnehin überlasteten Ausländerbehörden und die Bundesagentur für Arbeit von Prüfverfahren entlastet werden. „Nur so kann eine höhere, schnellere und bedarfsgerechtere Zuwanderung von Fach und Arbeitskräften erreicht werden“, betont Breuning.
Im Bereich der Ausbildung gehen die Vorschläge für Breuning nicht weit genug. „Wir vermissen die Möglichkeit für junge Menschen, bereits für ein Langzeitpraktikum zur Ausbildungsvorbereitung einzureisen, um den Ausbildungserfolg besser sicherstellen zu können. Mit der sechs- bis zwölfmonatigen Einstiegsqualifizierung, die im Betrieb auf die Ausbildung vorbereitet, haben wir hier gute Erfahrungen zum Beispiel bei Geflüchteten gemacht. Sie können in dieser Zeit den Betrieb kennenlernen und die Zeit nutzen, um die Sprache zu lernen und sozial Fuß zu fassen. Ähnliches könnten wir uns auch für junge Menschen vorstellen, die in Deutschland eine Ausbildung machen wollen: erst schnuppern, dann Deutsch lernen und am Ende entscheiden.“
Erleichterungen fordert Breuning auch bei der geplanten Anerkennungspartnerschaft: „Während der Zeit der Qualifizierung im Betrieb sollte eine Bezahlung der noch neuen ausländischen Beschäftigten, die noch nicht als Fachkraft eingesetzt werden können und zunächst die Sprache gut lernen müssen, auch unter Fachkraftniveau möglich sein. Ansonsten wären Ungerechtigkeiten gegenüber der Stammbelegschaft vorprogrammiert.“

BWIHK-Pressemitteilung vom 10.05.2023

Berufsbildungsbericht 2023 – Zahl junger Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung steigt

BWIHK-Vizepräsidentin Breuning: Aktuelle Zahlen sind ein Warnsignal - „Menschen ohne Abschluss nicht durchs Raster fallen lassen“
„Die steigende Zahl an jungen Menschen ohne Berufsausbildung ist ein Alarmsignal für die Betriebe, die mehr denn je auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen sind. Wir müssen alle Potenziale unseres Arbeitsmarktes ausschöpfen und dürfen auch Menschen ohne Abschluss nicht durchs Raster fallen lassen. Wirtschaft und Politik müssen jetzt alles dafür tun, um auch junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die eine extra Schleife gedreht haben. Dazu gehört, dass wir bei fehlenden Abschlüssen nachqualifizieren, aber auch, dass wir alles daransetzen, um die Zahl der Ausbildungsabbrecher zu reduzieren“, betont Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK).
Das ist laut Breuning nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht wichtig, sondern auch aus persönlicher Sicht eine lohnende Entscheidung. So hat eine vom BWIHK in Auftrag gegebene IAW-Studie zum Lebenseinkommen wiederholt wissenschaftlich belegt, dass Menschen, die eine berufliche Ausbildung und dazu noch eine Weiterbildung machen, beim Lebenseinkommen auf dem gleichen Level liegen, wie solche, die studieren. „Wir müssen ganz kräftig die Werbetrommel rühren und bei jungen Menschen und ihren Eltern bekannter machen, dass sich Bildung wirklich lohnt. Viele junge Menschen unterschätzen, dass man nicht studieren muss, um sich einen guten Lebensunterhalt zu sichern und auch vor Arbeitslosigkeit geschützt zu sein. Mit einem Weiterbildungsabschluss gelingt das natürlich noch besser“, so Breuning. „Die Chancen waren noch nie so gut wie jetzt.“
Breuning appelliert an die jungen Menschen, jetzt mit einer Ausbildung oder Fortbildung zu beginnen. Dabei helfen die IHKs mit Rat und Tat. So unterstützen die IHKs sowohl Betriebe als auch Ausbildungsplatzsuchende mit unterschiedlichen Angeboten zur Berufsorientierung und Vermittlung, beraten und bieten Externen-Prüfungen an. Auch wenn es in der Ausbildung mal nicht ganz rund läuft, bieten die IHKs über die Ausbildungsbegleitung des Landesprogramms „Erfolgreich ausgebildet“ Hilfe an, damit die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Auch Quereinsteiger ohne Berufsbildung aber mit praktischer Berufserfahrung können sich ihre beruflichen Kompetenzen zertifizieren lassen (Abschlussbezogene Validierung nonformal und informell erworbener Kompetenzen“, kurz „Vali-Kom“). „Egal in welcher Lebenssituation sich die jungen Menschen befinden oder was der Grund dafür ist, dass sie keinen abgeschlossenen Beruf haben, die IHK informiert und kann unterschiedliche Angebote machen“, so Breuning. „Die jungen Menschen müssen sie nur nutzen.“
Die Kabinettfassung des Berufsbildungberichts, der am 10. Mai 2023 in einer Kabinettssitzung beschlossen wurde, finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Gemeinsame Meldung vom 04.05.2023

Ausbildungsbündnis wichtiger denn je

Fortsetzung des Bündnisses bedeutender und wichtiger denn je      

Die Wirtschaftsverbände Baden-Württembergischer Industrie und Handelskammertag, Handwerk BW und Unternehmer Baden-Württemberg begrüßen die Unterzeichnung und Fortführung des Ausbildungsbündnisses Baden-Württemberg. „Das Ausbildungsbündnis hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg haben wir viel erreicht und werden dafür auch in Zukunft sorgen. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, der dualen Berufsausbildung wieder neuen Rückenwind zu geben und die langfristigen Herausforderungen für die berufliche Ausbildung auch in den kommenden Jahren zu bewältigen“, sagt Thomas Bürkle, Vizepräsident der Unternehmer Baden-Württemberg.
„Der Fachkräftemangel trifft die Unternehmen aller Größen und Branchen mit voller Wucht. Neben der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ist zunehmend auch die Umsetzung wichtiger Transformationsaufgaben in Gefahr. Wir müssen deshalb an allen möglichen Stellschrauben drehen, denn »die eine Lösung« wird es für diese immense Herausforderung nicht geben“, sagt BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning. Die Verbände wollen deshalb alles tun, um dem Ausbildungsbündnis zum Erfolg zu verhelfen.
Ganz oben auf die Prioritätenliste gehört für die Wirtschaftsverbände dabei die Stärkung der Berufsorientierung. Die Wirtschaft befindet sich beim Ausbildungsangebot zwar fast auf dem Vor-Corona-Niveau, was aber nach wie vor fehlt sind die Bewerberinnen und Bewerber. „Viele Betriebe können offene Stellen lange Zeit nicht besetzen. Die Berufliche Orientierung ist daher der Schlüssel, um Schülerinnen und Schüler auf das breite Angebot an dualen Ausbildungsberufen aufmerksam zu machen und bestmöglich auf die Berufswahl vorzubereiten“, ist Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Handwerk BW, überzeugt. Die Spitzen der Wirtschaft sind sich einig: „Die Fortsetzung des Ausbildungsbündnisses war noch nie so wichtig und bedeutend wie aktuell. Wir müssen bei der Berufsorientierung den Turbo einschalten. Denn die Betriebe benötigen zur Sicherung ihrer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und zur Transformation zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit qualifizierte Fachkräfte. Insofern ist die Erwartungshaltung der Wirtschaft an das neue Umsetzungskonzept zur Beruflichen Orientierung, das aktuell federführend vom Kultusministerium erarbeitet wird, sehr hoch.“
Die Wirtschaft wird weiterhin die Berufsorientierung an den Schulen im Land zum Beispiel über Betriebspraktika, Bereitstellung von Ausbildungsbotschaftern oder Bildungspartnerschaften maßgeblich unterstützen. Zudem werden sich die Wirtschaftsverbände dafür einsetzen, dass jedem ausbildungsinteressierten jungen Menschen der Übergang in Ausbildung gelingt und die Qualität in der betrieblichen Ausbildung kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Pressemitteilung vom 28. April 2023

Auslandsinvestitionen in Baden-Württemberg gedämpft, aber stabil

Südwesten trotzt den Herausforderungen des Welthandels mit Bedacht

BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning: Vertrieb von Produkten Made in Baden-Württemberg als Türöffner im Ausland

Die angespannte Lage im Welthandel ist deutlich in den Investitionsplänen der baden-württembergischen Industrie erkennbar. Zwar bleibt der Anteil der Betriebe, die Investitionen im Ausland planen, nahezu unverändert, doch die Ausgabendynamik hat im Vergleich zum Vorjahr merklich nachgelassen. Im Jahr 2023 will etwas mehr als jedes dritte Unternehmen entweder neu oder weiterhin im Ausland investieren, im Vorjahr waren es nur geringfügig mehr (0,5 Prozent). Das ist das Ergebnis der Sonderauswertung der IHK-Konjunkturumfrage, an der 1.330 baden-württembergische Industriebetriebe teilgenommen haben.
„Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, Chinas Null-Covid-Politik, Lieferketten-störungen, Energiepreissteigerungen und weltweit hohe Inflationsraten hinterlas-sen ihre Spuren“, sagt Marjoke Breuning, BWIHK-Vizepräsidentin und Präsidentin der für die Volkswirtschaft federführenden IHK Region Stuttgart. „Aufgabe der Politik ist es, gerade in einer Zeit der steigenden Energiepreise, des immensen Fachkräftemangels, der bedeutenden Kriege sowie des weltweit zunehmenden Protektionismus, die strukturellen Probleme im Inland ebenso wie die den globalen Handel hemmenden Probleme auf internationaler Ebene weiter anzugehen.“
Baden-Württemberg ist seit Jahren größter Industriestandort und exportstärkstes Bundesland. „Wichtige Schlüssel für die langjährigen Exporterfolge der baden-württembergischen Industrie sind ihre Spezialisierung, ihre Erfahrung und ihre weitverzweigte Präsenz“, so Breuning. „Denn ausländische Märkte werden über die Präsenz vor Ort gesichert oder auch hinzugewonnen.“ Das wirke sich nicht nur positiv auf die Exporte aus, sondern lasse – wenn die Rahmenbedingungen im Inland stimmen – auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionen der Muttergesell-schaften im Inland steigen.
Wegen der Höhe der eingesetzten Beträge bleibt der Anteil baden-württembergischer Industrieunternehmen, die im Ausland investieren, auch in Krisenjahren deutlich stabiler als die Exporterwartungen – und als die jeweiligen Investitionsbudgets. „Denn auch wenn der Anteil der investierenden Unternehmen hierzulande im Gegensatz zum Rückgang im gesamten Bundesgebiet konstant bleibt, planen die Betriebe mit Bedacht“, so Breuning. Deutlich weniger Südwestbetriebe weiten ihre Ausgaben aus (35 statt zuvor 49 Prozent) – und deutlich mehr planen sie zu kürzen (elf statt zuvor sechs Prozent).

Vertrieb- und Kundendienst als Hauptmotiv für Auslandsinvestitionen

Anders als im Bundestrend gewinnt in Baden-Württemberg der Auf- und Ausbau von Vertrieb und Kundendienst als Motiv für die Auslandsinvestitionen massiv an Bedeutung. „Der Vertrieb von Produkten „Made in Baden-Württemberg“ im Ausland, die Kundenberatung vor Ort und der After-Sales-Bereich sind auch in schwierigeren Zeiten gute Möglichkeiten, um in ausländischen Märkten präsent zu sein und perspektivisch neue Geschäftsfelder zu erschließen“, erklärt Breuning. 40 Prozent der Unternehmen mit Auslandsinvestitionsplänen und damit merklich mehr als im Vorjahr (34 Prozent) nennen Vertrieb und Kundendienst als Hauptmotiv – während die beiden anderen Motive etwas an Bedeutung verlieren: Die Nennungen von Produktion zwecks Kostenersparnis sinken um zwei auf 33 Prozent und die von Produktion zwecks Markterschließung um acht auf 23 Prozent.
Das zweithäufigstes Investitionsmotiv – die Produktion im Ausland zwecks Kostenersparnis – wurde von 33 Prozent der befragten Unternehmen genannt. Nach dem ersten Pandemie-Jahr setzte sich das Motiv zu Jahresbeginn 2021 mit 37 Prozent der Nennungen an die Spitze der Investitionsgründe (2021: Vertrieb/Kundendienst 33 Prozent). Im vergangenen Jahr lagen die beiden Ziele nahezu auf gleicher Höhe (34 Prozent). Neben der Reduzierung der Arbeitskosten – auch angesichts des zunehmend akuten Fachkräftemangels hierzulande – spielen bei diesem Motiv auch die Umgehung von Handelsbarrieren, die Preise und der Zugang zu Rohstoffen und Vorprodukten und die Produktion vor Ort weiterhin eine Rolle.
Die Markterschließung als Motiv für den weltweiten Auf- und Ausbau eigener Produktionsstätten verlor deutlich an Bedeutung (Rückgang um acht auf 31 Prozent).

Die  Corona-Krise, ein wirtschaftlich schwächelndes China, geopolitische Entwicklungen wie der Krieg in der Ukraine, die Einflüsse des im August 2022 verabschiedeten Inflation Reduction Act (IRA) der US-Regierung sowie der Anfang 2023 vorgelegte Green Deal Industrial Plan der EU-Kommission lassen viele Unternehmen neu bewerten, welche Märkte erschlossen und in welche Anlagen investiert werden sollen. Da es sich in der Regel um langfristige Investitionen handelt, planen die Unternehmen vorsichtig.

Die beiden erstmals abgefragten Investitionsmotive Diversifizierung von Zulieferern und Nearshoring, also die Verlagerung betrieblicher Aktivitäten ins nahegelegene Ausland, wurden trotz der massiven Probleme durch gestörte Lieferketten in den vergangenen Jahren nur von 1,4 und 2,3 Prozent der Befragten genannt.

Meistgenannte Zielregionen: Eurozone, Nordamerika und China

Mit Abstand bedeutendster Investitionsstandort für die baden-württembergische Industrie bleibt die Eurozone (stärkste Zunahme der Nennungen um 16 auf 86 Prozent). Darauf folgen Nordamerika (Anstieg um drei auf 63 Prozent), China (nur noch geringer Anstieg um ein auf 57 Prozent) und die Region Sonstige EU, Schweiz, Norwegen (Anstieg um 10 auf 54 Prozent).
Aus der Region Russland, Ukraine, Türkei, Nicht-EU-Südosteuropa ziehen sich die Unternehmen infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine dagegen zurück. Der Anteil der Unternehmen, die dort investieren wollen, bricht von 31 Prozent (im Januar 2022) auf 19 Prozent ein. Die Investitionsbudgets für die Region werden massiv zusammengestrichen (Saldo von -32 Punkten). In allen anderen Regionen steigt dagegen der Anteil der Südwestbetriebe mit Investitionsabsichten.
„Diese Ergebnisse spiegeln nicht nur den Rückzug aus Russland und eine mögliche Umlenkung dieser Investitionsaktivitäten in andere Regionen wider“, so Breuning. „Sie zeigen auch, dass die baden-württembergische Industrie angesichts der geopolitischen Verwerfungen, den Veränderungen in und um China sowie der Lieferkettenproblematik der vergangenen Jahre ihre Auslandsaktivitäten breiter aufstellt.“ Denn der Anteil der im Ausland investierenden Unternehmen unter den Befragten blieb im Vergleich zum Vorjahr nahezu gleich.

Standorte und Absatzmärkte in Europa gewinnen weiter an Attraktivität

Europa, insbesondere die Eurozone, meisterte die durch die Schocks des russischen Angriffskriegs ausgelösten Preissteigerungen und Energiekrisen im Jahr 2022 erfolgreicher als vorhergesagt. Die europäische Wirtschaft wuchs zu Jahresende schneller als die Chinas oder die der Vereinigten Staaten. Zudem waren viele Südwestbetriebe in den vergangenen drei Jahren von Lieferengpässen betroffen – und dies nicht zuletzt aufgrund von Lockdowns und Containerknappheiten in fernen Häfen wie China. Deshalb gewinnen Standorte und Absatzmärkte in Europa weiter an Attraktivität: Rund neun von zehn Südwestbetriebe (86 Prozent) mit Investitionsabsichten haben bereits Standorte in den Ländern der Eurozone oder planen diese für 2023.
Die Eurozone zementiert damit nicht nur ihren Platz als wichtigste Zielregion für die Auslandsinvestitionen der hiesigen Industrie, sondern verzeichnet damit auch den mit Abstand höchsten Zuwachs der Nennungen (+16 Prozent). Die übrigen Länder Europas (abgefragt als “Sonstige EU, Schweiz, Norwegen”) gewinnen durch diese Umstände ebenfalls weiter an Attraktivität und wurden als vierthäufigste Zielregion von 54 Prozent der Betriebe mit einem Zuwachs von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr genannt.
Blickt man jedoch auf die geplanten Investitionsbudgets für die beiden bedeutenden Zielregionen, dann zeigt sich ein ganz anderes Bild: Gemäß dem allgemeinen Trend ist der Budgetentwicklungs-Saldo für die Eurozone von 30 auf fünf Saldenpunkte gesunken. Im Vergleich zu anderen Regionen ist dieser Wert niedrig: Die Präsenz der baden-württembergischen Industrie in der Eurozone ist zwar sehr hoch – die Budgets werden in 2023 per Saldo aber nur noch wenig aufgestockt.

Abgesehen von den Regionen „Asien ohne China“ (die von der nachlassenden Attraktivität Chinas profitiert) und Nordamerika zeigt sich die Budgetdynamik allerdings insgesamt sehr verhalten. Baden-Württembergs Unternehmen haben ihre Auslandsengagements für 2023 mit Bedacht ausgerichtet.