Barth Feuerwehr
Jeder, der schon einmal ein Spielzeugfeuerwehrauto in Händen hielt, weiß, dass die Schlauchrolle am Heck unbedingt dazu gehört. Dass das Fachwort dafür „Schlauchhaspel“ heißt, das wissen schon weniger. Aber dass „Barth-Haspel zu einem Produktbegriff geworden ist wie Tempo für Taschentücher“, wie Alexander Ernst erzählt, um das zu wissen muss man schon ein echter Fachmann sein.
Elliot und Alexander Barth sind stolz auf die kompakte Schlauchwaschanlage.
Ernst ist in dritter Generation Chef der Wilhelm Barth GmbH & Co. KG, weltweit eine der Adressen für Feuerwehr-Equipment. Wobei Adresse wörtlich zu nehmen ist, denn „wir haben Handels-kunden in aller Welt, für die wir sozusagen das Feuerwehr-Amazon sind“, erzählt der CEO. „Für sie packen wir alles zusammen, was sie brauchen, von der Uniform über die Sicherheitskleidung bis zu Rettungsgeräten, und schicken es zum Beispiel nach Japan, aber auch nach Südamerika oder in die Emirate.“
Kunden sind die 1100 Feuerwehren in Baden-Württemberg
Kunden sind aber auch die 1100 Feuerwehren in Baden-Württemberg, die allermeisten davon auf freiwilliger Basis. Auch 18 der 45 Barth-Mitarbeiter einschließlich Chef engagieren sich dort. Für Ernst ist das „ein echtes bürgerschaftliches Engagement, das es so sonst nirgends auf der Welt gibt“.
Die Feuerwehren des Landes bringen Barth auch ihre Fahrzeuge, damit sie fachgerecht und effizient bepackt werden. Gerade stehen ein Sprinter und ein Möbelwagen in der riesigen Werkshalle im Fellbacher Gewerbegebiet Nordwest.
„Losgröße 1“, erklärt Ernst, denn wer meint, alle Feuer seien gleich, irrt gewaltig: „Die Anforderungen sind höchst individuell und wir tüfteln für jeden Auftrag neu, wie alles optimal gepackt wird“.
Barth-Haspeln sind zum Gattungs-Bergiff geworden
Wer so tief drin steckt in der Materie und außerdem Schwabe ist, der tüftelt gern an Dingen, die das Leben der Feuerwehrler einfacher machen.Bei Barth sind es die Geräte zum Waschen, Trocknen und Wickeln von Feuerwehrschläuchen. Seit den 1950er Jahren werden sie in alle Welt verkauft. Dabei hilft der gute Name und die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den Händlern.
In alle Welt – nur nicht in die USA. Warum? Nach langer Recherche kam heraus, dass US-Firefighters die Schläuche nach dem Löschen nicht mit auf die Wache nehmen, sondern einfach im Fahrzeug lassen. Mittlerweile hat ein Umdenken eingesetzt, weil Ruß als ungesund gilt. Um das Problem zu lösen, entwickelte Barth eine Waschanlage, die nicht mehr so groß ist wie eine Euro-Palette sondern das Format einer Bierkiste hat.
2019 wurde das Produkt in Los Angeles vorgestellt und nach jahrelanger Werbe- und Aufklärungsarbeit auch die ersten 40 Geräte an die Stadt und die umliegenden Counties verkauft. Doch dann der Schock: „Unser Logistikpartner produziert die Geräte nun selber“, erzählt Ernst. Trotzdem ist er sehr stolz auf die Entwicklung: „Wir haben einen Markt geschaffen für ein Produkt, von dem vorher niemand wusste, dass er es braucht.“
Wir haben einen Markt geschaffen für ein Produkt, von dem vorher niemand wusste, dass er es braucht.
Inzwischen hat er sich mit dem US-Nachahmer auf die Zahlung von Lizenzgebühren geeinigt und darauf, dass dieser den Vertrieb auf die USA beschränkt.
Einen positiven Twist bekam die Geschichte auch dadurch, dass sich neue Anwendungsgebiete fanden. Aktuell stehen zum Beispiel vier Geräte bereit, die ein Klohäuschen-Unternehmer geordert hat.
Freiwillige Feuerwehren sparen dem Steuerzahler viel Geld
Das könnte sich noch als zukunftsträchtig erweisen, denn die öffentliche Hand muss sparen - auch bei der Ausstattung ihrer Feuerwehren. „Dabei sollte allen klar sein, wie teuer es würde, wenn die eine Million Freiwilligen keine Lust mehr hätten und es nur noch Berufsfeuerwehren gäbe“, rechnet Ernst vor. Sorgen macht ihm auch die angedachte Zentralisierung der Beschaffung: „Dann können wir Kleinen nicht mehr mithalten“, fürchtet er.
Die Barth-Einpersonen-Haspeln werden aber auf jeden Fall ein Renner bleiben. Inzwischen gibt es 25 Varianten dieser fahrbaren Haspeln, dazu 50 Accessoires – vom mobilen Pulver-Löschsystem bis zum Sechs-Meter-Sichtschutz. Hauptsächlich kommen sie in Deutschland zum Einsatz, aber auch in der französischen Schweiz, in Moskau und Shanghai.
Alexander Ernst führt das 1889 gegründete Unternehmen seit Mitte der 1990er. Nun steht sein Sohn Elliot in den Startlöchern. Wenn es irgendwo auf der Welt brennt, wird also auch in Zukunft Technik und Know-how aus Fellbach dazu beitragen, das Schlimmste zu verhindern.
Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft, Rubrik Menschen & Ideen