Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Technologietransfer intensivieren und Transferangebote für KMU besser im Land zugänglich machen

Positionen:
  • Technologietransfer unterstützen: Die IHK begrüßt die Haltung der Landesregierung dem Erhalt und dem Ausbau der Innovationsfähigkeit der baden-württembergischen Unternehmen, insbesondere bei KMU, hohe Priorität einzuräumen, um die technologische Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu sichern. Die Innovationsstärke bei den KMU lässt seit Jahren kontinuierlich nach. Um hier gegenzusteuern wird der öffentlichen Technologietransferunterstützung eine wichtige Rolle beigemessen (siehe u.a. am „Wirtschaftsdialog Technologietransfer“ des Wirtschaftsministeriums). Die IHK sieht in der adäquaten Bereitstellung und Weiterentwicklung von Technologietransferinstrumenten und –maßnahmen eine Daueraufgabe für alle beteiligten Akteure. Dies schließt auch die regelmäßige Überprüfung und kritische Hinterfragung von steuerfinanzierten Angeboten ein, schließlich sind die Relevanz und der Erfolg der Unterstützungsangebote nur dann gegeben, wenn sich diese am Bedarf der Unternehmen orientieren. Laut aktueller IHK-Umfrage zur Technologiepolitik hat bspw. der Bekanntheitsgrad von Landesagenturen in den letzten Jahren zugenommen, jedoch wirkt sich dies nicht auf deren Nutzungsgrad seitens der Unternehmen aus.
  • Die IHK begrüßt die  die Entwicklung neuer Transferstrategien und Einrichtung effizienter Unterstützungsstrukturen, dort wo diese notwendig sind. Unternehmen können nur von Unterstützungsangeboten profitieren, die mit dem schnellen Wandel der Technologien und Anforderungen, denen die Betriebe in der Region ausgesetzt sind, auch Schritt halten können. So hat das Land Baden-Württemberg beispielsweise zeitnah auf den ansteigenden Unterstützungsbedarf der Unternehmen im Bereich Digitalisierung reagiert (Digitale Agenda 2020+, Strategiepapier Forward IT, Allianz Industrie 4.0, Kompetenzzentren, etc.). Die IHK rät zur Vorsicht, neue Angebote nicht zu früh in der generellen Grundausrichtung neu ausrichten zu wollen, bevor diese sich überhaupt etablieren sowie ihre Sichtbarkeit, ihre Nachfrage durch die Unternehmen und ihr Leistungsvermögen nachweisen konnten. Gleichzeitig sieht die IHK es als sinnvoll an, dass die Evaluation der neu eingerichteten Angebote frühzeitig stattfindet, um die Angebote an den realen Bedürfnissen der Unternehmen auszurichten und wenn nötig auch Angebote mit geringem Nutzwert frühzeitig einzustellen, damit das eingesetzte Geld für andere Angebote mit höherem Nutzwert für die Unternehmen Verwendung finden kann.
  • Die IHK rät dazu, neue Angebote auf Schnittstellen/Überschneidungen mit anderen Angeboten oder Initiativen zu prüfen und bei Bedarf eine Aufgabenfokussierung vorzunehmen oder Synergien durch Nutzung bereits bestehender Angebote und Strukturen zu schaffen. Die IHK weist darauf hin, dass die Stärke des baden-württembergischen Wissens- und Technologietransfersystems in seiner Vielfalt und Dezentralität mitbegründet liegt, jedoch durch die zunehmende Anzahl an Unterstützungsangeboten die Gefahr besteht, dass eine nicht effiziente Mehrfachförderung stattfindet und Fördergelder in Doppel- oder Mehrfachstrukturen fließen anstatt ihre maximale Wirkung bei den zu unterstützenden Unternehmen entfalten zu können.
  • Aktivitäten zur Technologietransferunterstützung verstärkt für den Wissens- und Technologietransfer zwischen Unternehmen, und hierbei im speziellen auch zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups, zu fördern, hält die IHK für einen sinnvollen Ansatz. Dies würde - neben dem Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft - die nicht optimale Gründungsdynamik in der Region Stuttgart auch unter dem Gesichtspunkt Wissens- und Technologietransfer kompensieren.
  • Aktives Technologie-Scouting findet bei einem Großteil der Unternehmen in sehr geringem Maße oder gar nicht statt. Gerade KMU benötigen geeignet aufbereitetes Technologie- und Innovationswissen der Forschungseinrichtungen, damit diese schnell und einfach erkennen können, ob eine Technologie für Sie geeignet ist. Die IHK regt an, die Forschungsthemen sowie die Beratungs- und Transferangebote der Forschungseinrichtungen unter dem Gesichtspunkt der Zielgruppe KMU zu prüfen. Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme bietet es sich an, kontinuierliche Verbesserungsmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen, damit das Angebot stärker auf KMU ausgerichtet werden kann. Nutzbringend könnte in diesem Zusammenhang eine Vernetzung der Technologietransfermanager der Kammern und den Transferverantwortlichen der Hochschulen sein, um zum einen im Dialog mit der „Sicht von außen“ und der „Sicht von innen“ zu neuen Erkenntnissen zu kommen und zum anderen, dass die Hochschulvertreter sich gegenseitig Verbesserungsmöglichkeiten vorstellen und voneinander lernen können. Auch könnten Personalstellen an Hochschulen, die als Gegenstücke zu den bei den Kammern angestellten Technologietransfermanagern fungieren, eine Verbesserung für die Kontaktvermittlung zwischen KMU und Technologieangebot/Forschungspartner herbeiführen.
  • Aktives Technologie-Scouting für KMU soll auch die im Koalitionsvertrag angekündigte „Innovationswerkstatt“ betreiben. Dies stellt in den Augen der IHK ein sinnvolles Unterstützungsangebot für KMU dar, denn dies ermöglicht den KMU frühzeitig mit neuen Technologieentwicklungen in Kontakt zu kommen, diese auf ihre Relevanz hin zu prüfen und bei vorhandener Eignung schnell im eigenen Betrieb umzusetzen. Die IHK regt an, dass als Ergänzung zur Trendforschung durch die Innovationswerkstatt auch KMU-gerechte Angebote für ein strategisches Technologie-Monitoring entwickelt und angeboten werden, um einen deutlichen Mehrwert für die KMU zu generieren.
  • Die IHK begrüßt die Absicht der Landesregierung weiterhin für eine stabile Hochschulfinanzierung zu sorgen, die Vernetzung zwischen Forschungseinrichtungen zu stärken und die anwendungsorientierten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen weiter zu entwickeln. Die Betriebe der Region Stuttgart profitieren in hohem Maße von der Diversität und hohen Qualität der regionalen Forschungslandschaft. Diese ermöglicht wertvolle betriebliche FuE-Tätigkeiten in der Region auszuüben, was gut für die Betriebe und den regionalen Wirtschaftsstandort ist. Die Forschungseinrichtungen profitieren nicht nur finanziell, sondern auch intellektuell indem technische Problem- und Fragestellungen der Unternehmen wertvolle Impulse für eigene Forschungsaktivitäten liefern können.
  • Die IHK schlägt vor ein Augenmerk darauf zu richten, welche sinnvollen Anreize für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen geschaffen werden können, damit diese sich der Zielgruppe KMU besser und transparenter präsentieren und wie für die Forschungseinrichtungen die Realisierung kleinvolumiger FuE-Vorhaben attraktiver wird. Hierfür sind finanzielle Anreize denkbar, wie beispielsweise die Ausweisung von Transferbudgets für KMU-orientierte Transfertätigkeiten, aber auch einfache strukturell-organisatorische Veränderungen innerhalb der Forschungseinrichtungen, die beispielsweise den Bearbeitungsaufwand minimieren, könnten die Rahmenbedingungen günstig beeinflussen.
  • Neben dem reinen Wissens- und Technologietransfer, wäre eine weitere Möglichkeit im Austausch von FuE-Personal zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu sehen, wovon die Betriebe deutlich profitieren könnten.

Hintergrund:

Die Region Stuttgart besitzt eine hohe Dichte an Forschungseinrichtungen sowie viele innovative Großunternehmen und große Mittelständler. Hieraus begründet sich zum großen Teil, die durch das Statistische Landesamt belegte sehr starke Stellung der Region im Vergleich nationaler und europäischer Innovationsregionen. Aus dieser an und für sich positiven Sonderstellung erwächst jedoch die Gefahr, dass sich das regionale Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk primär an die Bedürfnisse der größeren und finanziell potenteren Unternehmen ausrichtet und KMU dabei das Nachsehen haben, wenn es darum geht das technologische Know-how der öffentlichen Forschung in die eigenen Betriebe zu transferieren. Erhebungen der letzten Jahre zur Innovationsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Region zeigen, dass hier eine erkennbar defizitäre Entwicklung vorliegt. Eine permanent niedrige Innovationsleistung bei KMU bzw. eine noch weitere Verschlechterung derselben, lassen bedrohliche Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Region Stuttgart vermuten. Schließlich begründet sich die heutige Stärke der Region auch zu einem großen Teil auf dem breit diversifizierten, eng vernetzten und innovativen Mittelstand ergänzt durch viele spezialisierte und nicht minder technisch versierte Klein- und Kleinstunternehmen. Als industriell geprägter Wirtschafsstandort mit hohem Lohnniveau wird die Region Stuttgart zukünftig noch stärker darauf angewiesen sein, neues Wissen schnell in am Markt erfolgreiche Produkte umzusetzen. Wenn das Innovationspotenzial der KMU nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wird, kann die einfache Folge sein, dass viele KMU nicht mehr wettbewerbsfähig sind und vom Markt verschwinden. Schwerwiegender wäre allerdings, wenn hierdurch das regionale Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk deutliche Lücken bekommt und hierdurch der Trend bei den größeren Unternehmen zur Verlagerung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen ins Ausland begünstigt wird, da die Qualität des FuE-Standortes sinkt. Durch die abfließenden Forschungs- und Entwicklungsgelder könnte sich dieser Prozess zu einer Abwärtsspirale mit gravierenden Auswirkungen für die regionale Wirtschaftsstruktur entwickeln.