Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Sicherheit im Luftverkehr international und sachorientiert regeln

Positionen:
  • Die Luftsicherheitsvorschriften aus dem internationalen und EU-Recht sollten vollständig in nationales Recht überführt werden. Dies ist derzeit nur ansatzweise umgesetzt. Deshalb bleiben insbesondere zivilrechtliche Fragestellungen in aller Regel unbeantwortet. Da an dem sicheren Versand von Luftfracht regelmäßig mehrere Unternehmen beteiligt sind, die untereinander Leistungsverpflichtungen eingehen, bedarf es der Einbettung der sich damit im Einzelfall verbundenen Rechte und Pflichten in nationales Recht. Auch widersprechen manche Detailregelungen den Grundprinzipien der Europäischen Union, insbesondere dem freien Warenverkehr, der freien Dienstleistungserbringung oder der Niederlassungsfreiheit. Generell drängt sich der Eindruck auf, dass viele Fragestellungen nur im verwaltungsrechtlichen, nicht aber im zivilrechtlichen Sinne beantwortet werden.
  • Die Abläufe sollten vereinfacht werden. Insbesondere für Konzernstrukturen sollten Erleichterungen geschaffen werden. So kann beispielsweise ein Unternehmen, dass mehrere Standorte in Deutschland hat, die alle die Zertifizierung zum bekannten Versender (bV) besitzen, Luftfracht zwischen diesen Standorten sicher austauschen. Eine Übergabe von einem bV zu einem unternehmensungleichen (aber im gleichen Konzern „beheimateten”) bV ist indes nicht zulässig. Dies sollte geändert werden. Ebenso verhält es sich, wenn ein Konzernstandort den Status des bV innehat, aus wirtschaftlichen Gründen aber in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Sind Unternehmen mit mehreren Standorten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten aktiv und findet zwischen diesen Standorten ein Warenverkehr statt, können aus den nationalen Auslegungen nur unter (sehr) hohem Aufwand zu lösende Probleme erwachsen bzw. entsteht unverhältnismäßiger Aufwand, um Formvorschriften nachzukommen, deren positive Wirkung auf die Zielerreichung der Vorschriften sehr fragwürdig erscheint. Auch hier tritt die IHK für eine Erleichterung ein.
  • Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass ein reglementierter Beauftragter (regB) Luftfracht im eigenen Namen ohne Einbeziehung eines anderen regB in die Transportkette einbringen kann. Bislang muss er dies beispielsweise für den Versand von Luftfrachtpackeinheiten für Retourwaren, für den eigentlich der Status bV benötigt wird, tun, da regB nicht gleichzeitig bV sein können. Dabei führt die aktuell geltende Rechtslage an diesem Punkt nach Einschätzung der IHK nicht zur Verbesserung der Luftfrachtsicherheit. Auch die apodiktische Fixierung auf das Vier-Augen-Prinzip sollte dahingehend geprüft werden, ob es in jedem Fall der Erreichung der Normziele dient.
  • In manchen Detailvorschriften können bürokratische Abläufe beobachtet werden, die nicht zwingend sachdienlich sind und daher abzuschaffen wären. So sind Fälle bekannt, bei denen im Rahmen der personenbezogenen Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP), die ein für einen bekannten Versender (bV) tätiger Dienstleister veranlassen muss, eine Beteiligung des bV verlangt wird, die dazu führt, dass der bV den Gebührenbescheid für die ZÜP erhält und daraufhin einen finanziellen Ausgleich mit dem Dienstleister veranlassen muss. Speziell bei der ZÜP sollten zudem Lösungen für offene Fragen gefunden werden (z. B. ob regelmäßig auftauchende „Nicht-Arbeitstätigkeiten” wie Elternzeiten oder Sabbaticals eine im Zweifel erklärungsbedürftige oder andere Fragen aufwerfende Lücke darstellen). Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass die Zeitspanne zwischen Antragstellung und behördlichem Bescheid so gering wie möglich gehalten wird. Die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft könnte Schaden nehmen, wenn bei unplanbarem Ausfall von Personal langwierige ZÜP-Verfahren eine Neu- bzw. übergangsweise Besetzung einer Stelle verzögern. Auch bei der Übernahme von Auszubildenden oder Praktikanten in reguläre Beschäftigungsverhältnisse entstehen in der Praxis häufig längere Zeitspannen aufgrund der Zeitverzögerung bei der behördlichen Bearbeitung der ZÜP, in denen die „neuen” Mitarbeiter nicht eingesetzt werden können.
  • In einigen Fällen bestehen zwischen den Mitgliedstaaten deutliche Abweichungen in der Interpretation der Vorschriften, die aus IHK-Sicht dringend harmonisiert werden sollten. Dies gilt z. B. bei der Frage, ab wann Luftfracht identifiziert und somit den spezifischen Anforderungen zu unterwerfen ist. Diese Interpretationsspielräume sorgen z. B. bei Unternehmen, die Standorte in mehreren Mitgliedstaaten betreiben, auch innerhalb des Konzerns für administrative Probleme. Darüber hinaus sind derartige Abweichungen geeignet, einen Wettbewerbsnachteil darzustellen.
  • Die Praxis zeigt, dass manche Verfahren zum „sicher machen” von zuvor unsicherer Luftfracht einfacher, kostengünstiger oder schneller sind oder sein können, als dies andere Verfahren zu leisten im Stand sind. Die Wirtschaft plädiert dafür, im Sinne eines Best-Practice-Ansatzes sich auch in Deutschland für Verfahren zu öffnen, die sich in anderen Mitgliedstaaten bewährt haben. So werden in Deutschland alle Sendungen entladen und von einem speziell ausgebildeten Hund „beschnüffelt”. In anderen Mitgliedstaaten wird dem Raum, in dem sich die (weiterhin auf dem LKW befindlichen) Güter befinden, sämtliche Luft entzogen und diese an der Nase des Hundes vorbeigeführt.
  • Aktuell werden sämtliche Auditierungen durch die zuständige Bundesbehörde durchgeführt. Die Wirtschaft setzt sich dafür ein, dass diese Audits als hoheitliche Aufgabe an private Dienstleister übertragen werden können, die dann im Auftrag und unter Aufsicht der zuständigen Bundesbehörde die Auditierung der bV, regB, registrierten und bekannten Lieferanten sowie Transporteure/Frachtführer durchführen können.
  • Im Zusammenhang mit den Pflichtschulungen für das Personal der an der sicheren Lieferkette beteiligten Unternehmen sollte überprüft werden, ob die in den Schulungen vermittelten Kenntnisse und Themenbereiche zielführend ausgestaltet sind. Es sollte tunlichst nicht der Eindruck entstehen, dass hier Kenntnisse vermittelt werden, wie eine Luftfrachtsendung tatsächlich „gefährlich gemacht” werden kann.

Hintergrund: 

Eine Maßnahme, um die Gefährdung durch Terrorismus zu reduzieren, ist der Schutz von Luftfracht vor dem unbefugten Zugriff Dritter. Luftfracht muss vor der Verladung in Flugzeuge als sicher eingestuft werden. Dies kann direkt vor der Verladung durch Kontrollen (z. B. Röntgen, physische Kontrolle) sichergestellt werden. Sind solche Kontrollmaßnahmen z. B. zu kosten- oder zeitintensiv oder kann die Sendung aufgrund ihrer Beschaffenheit keinen solchen Kontrollmaßnahmen zugeführt werden, bleibt die Möglichkeit, die Luftfracht ab Ihrer Entstehung innerhalb einer sicheren Kette zu behandeln. Dann müssen die in der vorgelagerten Transportkette Beteiligten behördlich auditiert sein bzw. die rechtlichen Anforderungen erfüllen und dadurch eine sichere Lieferkette sicherstellen. Seit der Implementierung der behördlich auditierten sicheren Lieferkette vor gut fünf Jahren konnten viele Anforderungen und die sich daraus ergebenden Fragestellungen einer Beantwortung zugeführt werden. Leider konnte in manchen Bereichen keine Kontinuität der Auslegung beobachtet werden. Außerdem bestehen Umsetzungsdefizite in nationales Recht und Wettbewerbsverzerrungen durch abweichende Auslegungen der EU-Verordnungen durch die Mitgliedstaaten.