Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Rechtssicherheit schaffen durch einheitliche Vergaberegeln

Positionen:
  • Das Vergaberecht sollte auf Bundes- und EU-Ebene einheitlich sein. Fast jedes Bundesland hat jedoch eigene Vorschriften, die zusätzlich zu Preis und Qualität bei der Beschaffung zu berücksichtigen sind. Wünschenswert ist die Reduzierung auf das Regelwerk des Bundesgesetzgebers.
  • Einheitliche Vorgehensweisen bauen Hürden für die Wirtschaft ab. Alle Vergabestellen im Land sollten daher auf die Anwendung des Regelwerks für Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte verpflichtet werden.
  • Mehr Wettbewerb sollte geschaffen werden durch einheitliche Wertgrenzen in ganz Deutschland, ab denen öffentlich, beschränkt oder überhaupt ausgeschrieben wird.
  • Ausschreibungen werden billiger und gleichzeitig transparenter, wenn die Verfahren durchgängig elektronisch ausgeschrieben werden. Der Fahrplan für die Umsetzung der eVergabe im Oberschwellenbereich sollte auf die nationalen Vergaben übertragen werden.
  • Mit der Umsetzung der eVergabe sollten die Beschaffungsprozesse in den Vergabestellen neu strukturiert und Know-how in den Beschaffungsstellen aufgebaut werden, um wirtschaftlichen Einkauf zu gewährleisten.
  • Gleiche Standards bauen Hürden für kleine und mittelständische Unternehmen ab. Bei europaweiten Ausschreibungen kann nach der Reform auf die elektronische Signatur verzichtet werden; dies sollte auch bei nationalen Ausschreibungen sein.
  • Um den Vergabeprozess für alle Beteiligten attraktiver zu machen, sollten die öffentlichen Auftraggeber die neuen Möglichkeiten durch das "Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen" (AVPQ) und die "Einheitliche Europäische Eigenerklärung" (EEE) aktiv einfordern und anwenden.
  • Bei nationalen Ausschreibungsverfahren sollte es für die Bieter Primärrechtsschutz analog zum Oberschwellenbereich geben.
  • Kleine und mittelständische Unternehmen sollten z. B. durch Eignungsanforderungen gefördert werden, welche deren Leistungsfähigkeit berücksichtigen. Die Wirtschaft setzt sich für eine Übernahme der EU-Vorgabe ein, den nachzuweisenden Mindestjahresumsatz auf das Zweifache des Auftragswertes zu begrenzen.
  • Damit sich mehr mittelständische Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, sollten alle öffentlichen Ausschreibungen über eine einzige Veröffentlichungsplattform, zum Beispiel www.service.bund.de, abrufbar sein. Mit der Bekanntmachung sollten die Vergabeunterlagen barriere- und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
  • Der IT-Planungsrat sollte die Länder aktiv dabei unterstützen, die elektronische Bereitstellung und Nutzung von medienbruchfreien Prozessen voran zu bringen.

Hintergrund:

Für nationale Ausschreibungen kann jedes Bundesland eigene Regeln erlassen. In Baden-Württemberg gibt es seit 2015 für die Landesauftraggeber die VwV Beschaffung als Grundlage ihrer Beschaffungen von Liefer- und Dienstleistungen. Der Leitfaden sieht vor, dass innovative, soziale beziehungsweise nachhaltige Aspekte bei der Vergabe berücksichtigt werden können. Bei der Eignungsprüfung sollen die Vergabestellen die Präqualifizierung von Unternehmen durch die Auftragsberatungsstellen berücksichtigen.
Kommunen müssen bei Bauvergaben die VOB/A, erster Abschnitt, anwenden; für Liefer- und Dienstleistungsbeschaffungen kann die VOL/A, erster Abschnitt, Grundlage sein. In Baden-Württemberg gibt es kein verbindliches Veröffentlichungsorgan für alle öffentlichen Auftraggeber.
Seit April 2016 gibt es ein neu strukturiertes Vergaberecht für Ausschreibungen oberhalb der EU-Schwellenwerte. An der Spitze steht Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Detailliert werden die Vergaben von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen in der überarbeiteten Vergabeverordnung (VgV) vorgezeichnet; Bauleistungen - wie in der Vergangenheit - entlang der VOB/A-EU. Ganz neu sind die Sektoren-, Konzessionen- sowie Vergabestatistikverordnungen. Europaweite Ausschreibungen müssen ab Herbst 2018 komplett elektronisch durchgeführt werden. Die Präqualifizierung von Unternehmen ist hier nun gesetzlich manifestiert und muss durch den Auftraggeber akzeptiert werden. Gleiches gilt für die Einheitliche Europäische Eigenerklärung. Die präqualifizierenden IHKs bieten seit Herbst 2017 ein amtliches Verzeichnis an, in dem präqualifizierte Unternehmen gelistet werden und per Schnittstelle mit der EEE verbunden sind.
Für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten die ersten Abschnitte von VOL/A und VOB/A, das Haushaltsrecht von Bund und Ländern und zusätzlich unterschiedliche Landesvergabegesetze. Voraussichtlich in 2018 wird das Regelwerk durch die an die neue VgV angelehnte Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ersetzt. Im Gegensatz zu EU-weiten Ausschreibungen gibt es bei nationalen Ausschreibungen nur in wenigen Bundesländern effektiven Rechtsschutz.
Die weitere Vereinfachung des Vergaberechts ist insbesondere für die zahlreichen international orientierten KMUs in der Region Stuttgart von Bedeutung.