Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Gewerberecht deregulieren und modernisieren

Positionen:
  • Die Wirtschaft setzt sich für eine europarechtskonforme und zeitgemäße Reform des Gewerberechts ein. Gewerberechtliche Vorschriften sollten im Interesse einer besseren Übersichtlichkeit möglichst in einem Gesetzeswerk in einer für Unternehmerinnen und Unternehmer verständlicheren Sprache zusammengefasst werden.
  • Im Vordergrund der Reformüberlegungen sollte aus Sicht der IHK die Gewerbefreiheit als zentrales Merkmal einer freiheitlich ausgerichteten Wirtschaft stehen. Auch für das Gewerberecht regt die Wirtschaft die konsequente Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an, Regulierungen nur einzuführen beziehungsweise zu erhalten, wenn dies unbedingt zum Schutz anderer Rechtsgüter erforderlich ist. Dabei sollten verbraucherpolitische Argumente nicht als Einfallstor für Überregulierung genutzt werden.
  • Soweit Unternehmen durch die Gewerbeordnung zum Abschluss von Haftpflichtversicherungen verpflichtet werden, sollte dies nur bei besonders hohen Risiken für deren Vertragspartner erfolgen. Bei bereits eingeführten Pflichtversicherungen sollte evaluiert werden, ob sich die kostenmäßige Belastung der Unternehmen durch eine entsprechende Anzahl von Versicherungsfällen rechtfertigen lässt. Ansonsten wäre eine Gesetzeskorrektur angebracht.
  • Die von der IHK vorgeschlagene Deregulierung könnte als Grundlage für das Vorantreiben der elektronischen Abwicklung gewerberechtlicher Verfahren dienen. Unzeitgemäße Regelungen wie etwa die im Internetzeitalter überholten Vorschriften zum Reisegewerbe könnten abgeschafft werden. Sie behindern innovative Leistungsangebote.
  • Ein von der IHK vorgeschlagenes modernes Gewerberecht aus einem Guss sollte sich auch in einer möglichst einheitlichen Verwaltungspraxis widerspiegeln, um insbesondere für Existenzgründer rechtssichere Grundlagen zu schaffen.
  • Der drohende Wegfall von Verwaltungsgebühren darf aus Sicht der IHK kein Hindernis für die Trennung von nicht mehr benötigten Rechtsvorschriften bilden. Außerdem sollten Gebühren für Verwaltungsverfahren nicht über die Kostendeckung hinausgehen. Damit kann zugleich eine Verpflichtung aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie umgesetzt werden.
  • Die IHK setzt sich für eine stärkere Einbindung der Selbstverwaltung der Wirtschaft ein. So könnten insbesondere die Gewerbeanzeigeverfahren auch bei den IHKs und Handwerkskammern abgewickelt werden. Dies würde eine Erleichterung für Unternehmerinnen und Unternehmer bedeuten, die ohnedies mit ihrer Kammer wegen ergänzender Beratungen in Verbindung stehen. Wenn die notwendigen Rahmenbedingungen für ein funktionsfähiges E-Government geschaffen werden, könnten Gewerbetreibende die elektronischen Strukturen für ihren Austausch mit den Behörden und den Kammern nutzen.


Hintergrund:

Die aktuelle Gewerbeordnung stammt in Teilen noch aus dem 19. Jahrhundert und sollte auf die heutige Zeit angepasst werden. Die Übersichtlichkeit des Gewerberechts hat im Übrigen stark darunter gelitten, dass immer wieder Ergänzungen in die Gewerbeordnung eingefügt wurden, zugleich aber gewerberechtlich relevante Vorschriften in Sondergesetzen geregelt werden.
Insgesamt spiegelt die Gewerbeordnung den fundamentalen Wandel der wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen, technischen, rechtlichen und verwaltungswissenschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre nicht wider und trägt insbesondere neuen Geschäftsformen im Zeitalter des Internets nur unzureichend Rechnung.
Das Gewerberecht entspricht insgesamt nicht überall der Intention der EU-Dienstleistungsrichtlinie, die Dienstleistungsfreiheit nur durch unbedingt erforderliche gesetzliche Vorschriften und Formalitäten einzuschränken. Das Ziel weitgehend elektronischer Verwaltungsverfahren ist noch nicht erreicht.