Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Standortfaktor Recht stärken

Positionen
  • Das Recht muss Unternehmen ein rechtssicheres Handeln ermöglichen. Die Wirtschaft lehnt mit Nachdruck eine Kriminalisierung oder Bedrohung durch Bußgelder bei widersprüchlichen, unverständlichen oder nicht rechtssicher auslegungsfähigen Gesetzen ab.
  • Der deutsche Gesetzgeber wird aufgefordert, stärker deutsche Positionen bei der wirtschaftsrelevanten EU-Gesetzgebung durchzusetzen; zugleich sollte entschiedener eine Umgehung des parlamentarischen Willens mit Hilfe des EU-Gesetzgebers durch deutsche Vertreter in Brüssel verhindert werden.
  • Bei europäischen Rechtsentwicklungen sollte der deutsche Gesetzgeber nicht vorpreschen. EU-Normen sollten generell 1:1 umgesetzt werden, um eine Benachteiligung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich zu verhindern und eine Rechtsvereinheitlichung in Europa zu fördern.
  • EU-rechtliche Bestimmungen müssen in das deutsche Recht integriert, nicht nur hinzugefügt werden. Nur so können die Unternehmen ihre gesetzlichen Pflichten eindeutig erkennen.
  • Die Wirtschaft fordert mehr Recht, weniger Gesetze: Der Vollzug sollte gestärkt werden, bevor eine Reaktion mit neuen Gesetzen erfolgt, auf die sich die Unternehmen erneut einstellen müssen.
  • Die Wirtschaft mahnt an, die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen stärker in den Mittelpunkt der Überlegungen bei Gesetzesänderungen stellen. Sie dürfen nicht wegen Überforderung durch immer neue und kompliziertere Gesetze vom Markt gedrängt werden.
  • Auch wenn es um Sicherheit geht, sollte auf einen angemessenen Ausgleich zum grundrechtlich geschützten Freiheitsanspruch des Unternehmers geachtet werden.
  • Soweit der Gesetzgeber zur Durchsetzung öffentlicher Interessen gegen Unternehmen private Einrichtungen zulässt (z.B. in den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz), muss sichergestellt werden, dass nicht deren eigene wirtschaftliche Interessen die Durchsetzung der Interessen der Allgemeinheit überlagern.
  • Die Wirtschaft spricht sich gegen eine Delegierung originär legislativer Rechte durch vage Gesetze und Verordnungsermächtigungen auf die Verwaltung aus: Die Parlamente müssen sich ihrer Verantwortung stellen und selbst den Inhalt gesetzlicher Pflichten zu Lasten der Wirtschaft festlegen.
  • Unternehmerinnen und Unternehmern muss mehr Zeit zur Umstellung bei Gesetzesänderungen gegeben werden: Kein Gesetz sollte innerhalb weniger Tage oder gar rückwirkend in Kraft treten.
  • Der Staat sollte selbst bei der Beachtung von Gesetzen, insbesondere des Grundgesetzes, mit gutem Beispiel voran gehen: Das gilt für Parlamente, Gesetzgeber und Behörden gleichermaßen.
  • Die Gerichte sollten nicht nur über die Grenzen der Kompetenz staatlicher Stellen wachen, sondern auch selbst kritisch ihre Kompetenz als Rechtsprechung in Abgrenzung zur Funktion des Gesetzgebers hinterfragen.


Hintergrund:

Hohe Rechtssicherheit, eine hoch qualifizierte und unabhängige Justiz, eine vergleichsweise kurze Dauer gerichtlicher Verfahren sowie weitgehend zuverlässige Vollstreckungsverfahren sind klare Vorteile des Rechtsstandorts Deutschland. Dies wissen die zahlreichen regionalen Unternehmen mit Auslandskontakten ganz besonders zu schätzen. Hinzu kommt ein Bundesverfassungsgericht, das unbeeinflusst von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen agiert.
Andererseits gefährdet Überregulierung die Akzeptanz des Rechts und macht die Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen in rechtsstaatlich bedenklicher Weise nahezu unmöglich. Dies gilt insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, die nur beschränkte finanzielle Mittel zur Auffindung und Befolgung aller gesetzlichen Anforderungen einsetzen können. In der Konsequenz droht die Nichtbefolgung des Rechts zur gesellschaftlich hingenommenen Selbstverständlichkeit zu werden, aber auch, weil der Staat und seine Vertreter nicht immer mit gutem Beispiel vorangehen. Da fast alle gesetzlichen Anforderungen zu Lasten der Wirtschaft als Ordnungswidrigkeit oder gar strafrechtlich bewehrt sind, droht eine Kriminalisierung von Unternehmerinnen und Unternehmern, selbst wenn sie sich gesetzestreu verhalten wollen.