Wettbewerbsrecht
Wettbewerbspolitik muss fairen Wettbewerb sicherstellen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern. Dies gilt gerade mit Blick auf den Green Deal.
- Einhaltung des Wettbewerbsrechts sicherstellen – Forum Shopping verhindern
- Green Deal und Wettbewerbsrecht: Kooperationen erleichtern, mehr Rechtssicherheit für Unternehmen
- Greenwashing verhindern, Regelungen zu nachhaltigen Produkten angemessen gestalten
- Rechtsdurchsetzung im Verbraucherrecht zivilrechtlich belassen, Nachbesserungsbedarf bei Sammelklage
- Nur ein bieterfreundliches Vergaberecht dient dem Wettbewerb
Folgende Leitlinien müssen das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
- Einhaltung des Wettbewerbsrechts sicherstellen – Forum Shopping verhindern
- Green Deal und Wettbewerbsrecht: Kooperationen erleichtern, mehr Rechtssicherheit für Unternehmen
- Greenwashing verhindern, Regelungen zu nachhaltigen Produkten angemessen gestalten
- Rechtsdurchsetzung im Verbraucherrecht zivilrechtlich belassen, Nachbesserungsbedarf bei Sammelklage
- Nur ein bieterfreundliches Vergaberecht dient dem Wettbewerb
Einhaltung des Wettbewerbsrechts sicherstellen – Forum Shopping verhindern
Verstoßen Unternehmen gegen das EU-Wettbewerbsrecht, wird dies zu Recht geahndet. Die Verfahren im EU-Wettbewerbsrecht sind jedoch intransparent und unverhältnismäßig. Die Bußgeldhöhe bei Kartellfällen steigt und verursacht enormen Druck, Vergleichsvereinbarungen zu treffen. Diskutiert wird sogar die Einführung von strafrechtlichen Sanktionen gegen einzelne Entscheidungsträger in Unternehmen. Die Kartell-Bußgeldverfahren müssen im Hinblick auf die bestehenden Ermessensspielräume die Verteidigungsrechte ausnahmslos wahren. Dies gilt auch für Verhandlungen zur Verfahrenseinstellung: Wettbewerbsrecht darf nicht zum politischen Instrument der Verwaltung werden. Entscheidungen müssen gerichtlich vollständig überprüfbar sein. Handelt eine Behörde zugleich als Ermittler und Richter – wie in der EU –, muss der EuGH seiner Pflicht zur vollständigen und strengen Kontrolle nachkommen. EU-Entscheidungen sind für Gerichte der Mitgliedstaaten bindend und dienen als Grundlage für private Schadenersatzklagen. Die Gerichtsstandorte sind in einem Wettbewerb als attraktive Foren für Schadenersatz (forum shopping). Hier gilt es Regeln zu finden, die die Verteidigungsmöglichkeit von Unternehmen hinreichend sicherstellen. Private Schadenersatzklagen sollten allein der Entschädigung dienen.
Green Deal und Wettbewerbsrecht: Kooperationen erleichtern, mehr Rechtssicherheit für Unternehmen
Im Rahmen des Green Deal werden Kooperationen zwischen Unternehmen – auch auf horizontaler Ebene – besonders bedeutsam, da viele Innovationen für mehr Nachhaltigkeit einer Zusammenarbeit bzgl. Know-how, Finanzkraft und Wettbewerbsfähigkeit bedürfen. Es sollte daher sichergestellt werden, dass Unternehmen nicht aus nachvollziehbarer Unsicherheit wegen möglicher wettbewerbsrechtlicher Sanktionierung von derartigen Kooperationen absehen. Hierfür ist es erforderlich, dass Unternehmen Rechtssicherheit erhalten, z. B. in Form von Kommissionsschreiben, wonach die geplante Kooperation auf keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken stößt.
Greenwashing verhindern, Regelungen zu nachhaltigen Produkten angemessen gestalten
Nachhaltige Produkte sollen nach Willen der EU zur Norm werden. Dabei sollen Verbraucher besser über die Nachhaltigkeit von Produkten informiert und besser vor unzuverlässigen oder falschen Umweltaussagen geschützt werden, indem das sogenannte Greenwashing und irreführende Angaben zur Lebensdauer eines Produkts verboten werden. Auch aus Sicht der Unternehmen sind Transparenz, Wahrheit, keine Irreführung auch mit Blick auf nachhaltige Produkte als Grundgedanken wichtig – diese Regelungen gibt es aber schon. Sollte es dennoch zu Spezialregelungen hierzu kommen, ist darauf zu achten, dass einerseits die Anforderungen an die Informationspflichten nicht unangemessen ausgeweitet werden. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Nutzen der jeweiligen Information für den Verbraucher gering, aber die Belastung der Unternehmen hoch ist. Andererseits sollte auch bei nachhaltigen Produkten der Irreführungsmaßstab nicht einseitig zu Lasten der Unternehmen verändert werden. Per se-Verbote sind auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen – die EU-Kommission sollte nur wissenschaftlich, nicht politisch entscheiden dürfen. Ein Positivliste zulässiger Claims mit entsprechendem Zulassungsverfahren durch die EU-Kommission – vergleichbar dem Verfahren bei der Health Claims Verordnung - wird mehrheitlich abgelehnt, da sich ein solches Instrument als schwerfällig erwiesen hat; zudem wird hierdurch Innovation eingeschränkt.
Rechtsdurchsetzung im Verbraucherrecht zivilrechtlich belassen, Nachbesserungsbedarf bei Sammelklage
Die EU-Kommission unternimmt seit vielen Jahren in verschiedenen verbraucherschützenden Regelungen immer wieder Schritte, Details der Sanktionierung in Form von behördlichen Bußgeldern europaweit vorzuschreiben. Für den Binnenmarkt ist es aber ausreichend, dass das Recht durchgesetzt wird und dass es effektive Sanktionen gibt. Dies kann nicht nur durch Behörden, sondern auch durch eine zivilrechtliche Durchsetzung, wie es sie im Lauterkeitsrecht in Deutschland und in Österreich gibt, sichergestellt werden. Insofern gibt es keinen Grund zwingender staatlicher Durchsetzung, zudem ist ein solches Vorgehen kompetenzrechtlich fragwürdig.
Die Rechtsdurchsetzung in Form von Verbandsklagen hat die EU durch die Verbandsklagerichtlinie geregelt. Dabei sind jedoch Regelungslücken geblieben, die geschlossen werden sollten. Das betrifft zum einen die Prozessfinanzierung: Anders als in sonstigen Bereichen, in denen sie wichtige Funktionen erfüllt, sollte sie aus Sicht der Mehrheit der Wirtschaft für Sammelklagen zwingend ausgeschlossen werden. Denn dem Verbraucher würde selbst bei erfolgreicher Sammelklage nicht der vollständige Schadenersatz gezahlt - einen prozentualen Anteil müsste dieser an den Prozessfinanzierer abgeben. Zudem besteht bei Drittfinanzierung mit Gewinninteresse ein hohes Missbrauchspotenzial, dem nicht allein mit Transparenzvorschriften begegnet werden kann. Daher darf es keine finanziellen Anreize oder eine Drittfinanzierung von Kollektivklagen geben: Recht ist kein Investitionsobjekt. Zum anderen eröffnet die Verbandsklagerichtlinie die Möglichkeit zum Forum Shopping, weil die Regelungen zum Gerichtsstand – anders als für die Lieferkette geplant - unberührt gelassen wurden. „Forum-Shopping“, bei dem sich Kläger den für sie günstigsten Gerichtsstandort aussuchen, muss verhindert werden. Da ein Verbot von sogenannten “punitive damages”, wie sie in einzelnen Mitgliedstaaten national diskutiert werden, außerhalb der Kompetenz der EU liegt, sollten Urteile, die Strafschadenersatz zubilligen, in anderen Mitgliedstaaten nicht vollstreckbar sein. Die Verordnung zur Anerkennung von Zivilurteilen („Brüssel Ia-VO“) sollte entsprechend dieser Vorgaben präzisiert werden.
Im Zusammenhang mit Sammelklagen ist für die Wirtschaft außerdem wichtig, dass die Möglichkeit zur Leistungsklage nicht auf weitere EU-Rechtsakte ausgeweitet wird. Der bisherige Katalog im Anhang der Verbandsklagerichtlinie bedarf vielmehr der Überprüfung, inwieweit der Anwendungsbereich auf eindeutige Rechtspositionen hin eingeschränkt werden sollte: die vielfach anzutreffende Rechtsunsicherheit im Europarecht begünstigt sonst grenzüberschreitende Klagen alleine aus Gewinninteresse und außerhalb von nachweisbaren Schäden, etwa in EU-Jurisdiktionen mit einem extensiven Schadensrecht, z. B. auf der Basis von Typisierungen, generalpräventiven Zumessungen oder Schätzungen.
Nur ein bieterfreundliches Vergaberecht dient dem Wettbewerb
Das Vergaberecht wird sowohl von öffentlichen Auftraggebern als auch von Unternehmen als Bietern häufig als schwerfällig, bürokratisch und rechtlich zersplittert empfunden. Bei Überlegungen zur Vereinfachung und Beschleunigung wird seitens der Auftraggeber aber vielfach ausschließlich die Erhöhung der Schwellenwerte als Lösung vorgeschlagen. Dies greift zu kurz und konterkariert teilweise die grundlegenden Ziele des Vergaberechts, nämlich Transparenz, Wettbewerb und Korruptionsprävention. Daher ist es wichtig, durch zusätzliche Maßnahmen das Vergaberecht zu erleichtern. Mehr Wettbewerb durch mehr Angebote von Bietern erreicht man nur, wenn die Vergabeverfahren insgesamt bieterfreundlicher gestaltet werden.
Eine wettbewerbsförderliche Ausgestaltung beginnt bei gezielter Vereinheitlichung auf den unterschiedlichen gesetzlichen Ebenen und mehr Professionalisierung und Know-how bei den öffentlichen Auftraggebern. Besonders kritisch ist die Problematik, dass durch das Ziel strategischer Beschaffung (Nachhaltigkeit, Innovation, Menschenrechte) die Anforderungen in Ausschreibungen häufig so umfangreich und detailliert gefasst sind, dass sie für sehr viele Betriebe faktisch nicht erfüllbar sind. Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Hinsichtlich krisenbedingter Dringlichkeitsvergaben bedarf es für Auftraggeber und Bieter mehr Rechtssicherheit, wie man in der Coronazeit und angesichts des Ukrainekriegs, aber auch bei Hochwasserereignissen gesehen hat. Eine generelle Verkürzung der Fristen wäre dabei wenig hilfreich; diese hätte vielmehr zur Folge, dass Unternehmen ihre Angebote nicht mehr sorgfältig erstellen können und sich Risiken vermehrt im Rahmen der Vertragsausführung wegen nicht einkalkulierter Nachbesserungen zu Lasten des anbietenden Unternehmens bzw. konkurrierende Unternehmen auswirken.