Regional- und Strukturpolitik

Für eine zukunftsfähige und wirksame EU-Kohäsionspolitik sind investitionsfreundliche Rahmenbedingungen vonnöten. Regionalförderung kann nur Hilfe zur Selbsthilfe sein, die von den regionalen Akteuren auch wachstumspolitisch genutzt werden sollte. Die EU sollte die Förderung konsequent auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum ausrichten und dieses Ziel nicht durch die Vorgabe von Querschnittszielen – wie eine Digital- oder Nachhaltigkeitsquote – verwässern.
Folgende Leitlinien müssen das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
Förderbedarf bleibt, Abbau der Disparitäten im Fokus behalten
Strukturelle Wandel und Krisen aktiv durch Förderpolitik begleiten
  • Bürokratie abbauen
  • Mit Konditionierung Effektivität steigern
  • Wahl des Förderinstruments nicht zentral vorgeben
  • Fonds auf Zukunftsthemen ausrichten

Förderbedarf bleibt, Abbau der Disparitäten im Fokus behalten


Die EU-Strukturfondsprogramme sind der wichtigste Beitrag zur Stärkung des territorialen Zusammenhalts in der Europäischen Union. Für die gewerbliche Wirtschaft sind attraktive Lebensverhältnisse in allen Regionen ein wichtiger Standortfaktor. Auch wenn einige Erfolge zu verzeichnen sind, gilt es weiterhin an Rahmenbedingungen zu arbeiten, die eine Angleichung der Lebensverhältnisse ermöglichen.
Der Abbau regionaler Disparitäten sollte auch in Zukunft das Ziel der europäischen Strukturpolitik bleiben. Die Wirtschaft braucht gute infrastrukturelle und flächenpolitische Rahmenbedingungen. Entscheidend dafür sind Investitionen in die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Standorte und Unternehmen, insbesondere bei KMU, speziell in Breitbandnetze, Verkehrs- und Energieinfrastrukturen sowie in Innovation und Forschung, Bildung. Basis für Investitionen müssen strategische Planung in den Regionen sowie Eigeninitiative regionaler Akteure sein, dabei ist ein europäischer Mehrwert der Projekte aufzuzeigen.

Strukturelle Wandel und Krisen aktiv durch Förderpolitik begleiten


Der grüne und der digitale Wandel sowie der zunehmende Fachkräftemangel stellt strukturschwache Regionen, insbesondere in Krisensituationen, vor besondere Herausforderungen. Um trotzdem weiterhin regionale Disparitäten abzubauen und gleichzeitig die Potentiale dieser Regionen auszuschöpfen, sollte die Förderpolitik an die Bedürfnisse dieser Regionen besser angepasst werden. Dies sollte nicht mit einem strengeren Zielsystem anhand fester Nachhaltigkeits- und Digitalquoten erfolgen, sondern sich stärker an Bedarfen orientieren. Vor diesem Hintergrund sollte beispielsweise auch die Förderung von Vorhaben der Daseinsvorsorge besser ermöglicht werden, sofern diese einen Wirtschaftsbezug aufweisen und damit der regionalen Wirtschaft konkret zugutekommen. Ein Teil der Unternehmen ist dabei der Auffassung, dass die Aufnahme eines neuen Fördertatbestands der Daseinsvorsorge die Bereitstellung zusätzlicher Mittel voraussetzt. Diese sollten jedoch nicht zu Lasten der unmittelbaren Wirtschaftsförderung gehen.

Zugang erleichtern


Die EU-Regionalpolitik entwickelt sich immer mehr zum Instrument der Realisierung eines ausdifferenzierten Zielsystems der europäischen Politik. Damit entfernt sie sich immer weiter von ihrem ursprünglichen Zweck, Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Stattdessen spielen energie- und klimapolitische Herausforderungen, sowie sozial- und gesellschaftspolitische Fragen eine immer größere Rolle und werden teilweise zur Fördervoraussetzung gemacht. Die komplizierten Verfahren, beispielsweise bei der Rechnungsprüfung, sind ein Hindernis für Unternehmen, überhaupt Fördermittel in Anspruch zu nehmen.
Mit einem Katalog unterschiedlicher Ziele läuft aus Sicht der Unternehmen die EU-Kommission zudem Gefahr, durch zu kleinteilige Politik die Wirkung der Gesamtpolitik aus den Augen zu verlieren. Die Vielzahl der Ziele und das komplizierte Indikatorensystem sind Hauptursachen der Bürokratisierung der EU-Regionalpolitik. Zum Abbau der Bürokratie sind einfachere Prozesse bei der Antragstellung, dem Abruf, der Verwaltung und der Prüfung von EU-Fördergeldern nötig, sodass diese schneller in die Projekte fließen, die Unternehmen durch Bürokratie weniger belasten und somit mehr erreichen können. Um die Förderperioden effektiv und umfänglich nutzen zu können, sollte das Roll-out der Programme in den Förderperioden zeitlich abgestimmt erfolgen, auch um eine angepasste Vorbereitung auf allen Ebenen zu ermöglichen. Grundsätzlich sollte dabei vorab einheitlich geklärt werden, ob eine Förderung beihilfenrechtskonform ist oder nicht, um mehr Verlässlichkeit für die Fördermittelnehmer zu schaffen.

Mit Konditionierung Effektivität steigern


Die EU-Regionalpolitik steht wegen mangelnder Effizienz des Mitteleinsatzes und zu wenig Effektivität bei der Zielerreichung immer wieder in der Kritik. Seit 2014 ist der Mittelzufluss an Voraussetzungen wie administrative Reformen und makroökonomische Rahmenbedingungen geknüpft.
Kohäsionspolitische Fördermittel an Bedingungen zu knüpfen, ist unter Effektivitätsaspekten aus Sicht der Wirtschaft sinnvoll. Deshalb bleibt Ko-Finanzierung weiterhin ein Mittel für die Sicherstellung nachhaltiger Projektfinanzierungen. Auch makroökonomische Konditionalitäten und eine Bindung der Mittelvergabe an das Europäische Semester können die Effektivität des Mitteleinsatzes erhöhen. Die Verantwortlichkeiten verschiedener staatlicher Ebenen sind dabei häufig nur schwer zu bewerten. Aus diesem Grund wird von einigen Unternehmen gefordert, makroökonomische Kriterien nur als letztes Mittel einzusetzen. Grundsätzlich ist es notwendig, Regionen bei der Schaffung einer leistungsfähigen Administration zu unterstützen, damit sie ihre wachstumsorientierte Politik auch so gestalten können, dass sie erst gar nicht in Situationen geraten, in denen erteilte Auflagen greifen müssten.

Wahl des Förderinstruments nicht zentral vorgeben


Projekte der EU-Regionalpolitik könnten künftig noch stärker mit Finanzierungsinstrumenten (z.B. Darlehen, Garantien) finanziert werden. Finanzinstrumente sind jedoch nicht grundsätzlich als Ersatz für Zuschüsse zu sehen. Die Förderbedarfe sind je nach Zielsetzung, Strukturschwäche der Region und Projektkategorie sehr unterschiedlich.
Jede Region sollte nach ihren spezifischen Förderbedarfen bei der Stärkung der Strukturen unterstützt werden. Deshalb sollte der Vorrang der Finanzinstrumente vor Zuschüssen nicht absolut gelten – beide haben ihre Berechtigung. Der Einsatz von Darlehen statt Zuschüssen als Förderinstrument entfaltet in einer Niedrigzinsphase zudem nur eine geringe Anreizwirkung. Ausgangspunkt der Wahl des Instruments sollte dagegen die konkrete Situation vor Ort sein. Um Finanzierungslücken zu schließen und als Anreiz für einen effizienten Mitteleinsatz bis zur Zielerreichung, sollten verstärkt revolvierende Mittel eingesetzt werden, sollten zurückfließende Mittel als Anreiz für einen effizienten Mitteleinsatz bis zur Zielerreichung in der Region verbleiben und wieder eingesetzt werden können.

Fonds auf Zukunftsthemen ausrichten


Der Europäische Sozialfonds (ESF+) spielt in den Mitgliedstaaten aufgrund des Finanzvolumens und der eingespielten Umsetzung eine bedeutsame Rolle, in einigen EU-Ländern übernimmt er wichtige öffentliche Ausgabenpakete. Der ESF+ sollte jedoch in der gesamten Union einen europäischen Mehrwert bringen und nicht als Kompensation für nationale Mittel eingesetzt werden. Das Prinzip der Zusätzlichkeit sollte weiter aufrecht erhalten bleiben.
Gerade die neuen Ziele von ökologischer Nachhaltigkeit und mehr Digitalisierung sollten stärker mit Illustrationen von Seiten der Kommission begleitet werden, um nicht in nationalen Interpretationsspielräumen zerfasert zu werden. Auch hier sollten internationale Verzahnung und Erfahrungsaustausche stärker zu einer Vertiefung der guten Beispiele führen.
Die Umsetzung in Deutschland ist traditionell zwischen Bund und Ländern getrennt, um die Gefahr auszuschließen, dieselben Themen mit identischen Projekten auf unterschiedlichen Ebenen zu fördern. Zwischen den Fachpolitiken und Ressorts sollte mit derselben Sorgfalt darauf geachtet werden, nicht gleich lautende Politikziele mit unterschiedlichen Programmen zu fördern.
Bei den Investitionen in Menschen sollte vornehmlich auf einen investiven Beitrag zur Fachkräftesicherung geachtet werden. Gerade bei der sozialen Inklusion wäre es wünschenswert, wenn der Arbeitsmarktbezug stets berücksichtigt würde.
Auf Ebene der Projekte ist auch in der nationalen Umsetzung darauf zu achten, den Projektzyklus nicht auf die Minimaldauer von zwei Jahren und weniger zu befristen. Denn die kurze Laufzeit führt dazu, dass mit Aufbereitung und Personalsuche bereits die Hälfte der effektiven Projektdauer verpufft, ohne dass ein angemessener Erfolg erzielt werden kann.
Bei Steuerung und Governance auf nationaler Ebene dominieren die Kofinanzierer stark, also Bund und Länder. Als wichtige Stakeholder der Praxis sollten die Wirtschafts- und Sozialpartner schon ab der konzeptionellen Programmentwicklung mit abstimmen, damit die Entscheidungen nicht in den Händen nur weniger staatlicher Entscheidungsträger verbleiben.
Auch wenn die nationalen Mittel nach europäischen Vergleichszahlen bemessen und nach dem Europäischen Semester angepasst werden, so ist auf nationaler Ebene stärker auf den regionalen Bedarf und die Passung der Projekte untereinander zu achten.