Verkehr und Mobilität
Die Unternehmen sind zwingend auf ein zuverlässiges und leistungsfähiges Verkehrssystem angewiesen. Damit Europa mobil bleibt und der Verkehr nicht zur Bremse für Wirtschaft und europäische Integration wird, muss die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Ertüchtigung der Infrastruktur für alle Verkehrsträger und ihre Vernetzung, die Nutzung der Potenziale intermodaler Verkehre, die Beseitigung von Hemmnissen, die Förderung von Innovation und die Verbesserung von Beteiligungsverfahren sollten dabei im Vordergrund stehen. Alleingänge der EU oder einzelner EU-Staaten in international regulierten Transportbereichen sollten vermieden werden.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
- Engpässe beseitigen, vorausschauend planen, Finanzierung sicherstellen
- Umweltverträglichkeit des Verkehrs durch technischen Fortschritt erhöhen
- EU-Harmonisierung und Liberalisierung weiter vorantreiben
Engpässe beseitigen, vorausschauend planen, Finanzierung sicherstellen, Netzlücken schließen
Der Güterverkehr wächst seit längerer Zeit schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Dies gilt besonders für die Langstrecken- und Transitverkehre sowie die Seehafenhinterlandverkehre. Auf vielen Strecken und an zahlreichen Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern bestehen schon heute Engpässe.
Die Sanierung von Verkehrswegen sowie der Neu- und Ausbau der Infrastruktur sollten zügig angegangen werden. Letzte bedeutende Netzlücken sollten geschlossen werden. Für das Transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) ist mit der „Fazilität Connecting Europe“ (CEF) ein eigenes Budget für Infrastruktur im EU-Haushalt geschaffen worden, das aber als Anreizinstrument nicht ausreichend ist. Die EU sollte noch stärker – beispielsweise durch eine erhöhte Kofinanzierung mit Mitteln der CEF - auf die Mitgliedstaaten einwirken, um ihrer Verantwortung für eine leistungsfähige nationale und grenzüberschreitende Infrastruktur aller Verkehrsträger gerecht zu werden. Dies gilt sowohl für die Verkehrswege als auch die Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern. Das Transeuropäische Kernnetz ist vordringlich auszubauen und instand zu halten. Eine Minderheit der Unternehmen ist der Auffassung, dass die Mittel bevorzugt in den Ausbau der Schiene fließen sollten und bei der Straße die Sanierung im Vordergrund stehen sollte.
Jeder EU-Staat sollte für seine nationalen Verkehrsprojekte – dazu gehört auch das Transeuropäische Kernnetz – ausreichend Mittel und ausreichend Planungskapazitäten für eine zügige Umsetzung bereitstellen. Mittel aus der Fazilität „Connecting Europe“ können nur eine Anschubfinanzierung leisten. Sinnvoll erscheint eine langfristige Absicherung der Finanzierung sowohl durch die Mitgliedstaaten als auch durch die EU (Kofinanzierung), damit die Infrastrukturbetreiber vorausschauend Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen planen können und längere Nutzungseinschränkungen möglichst vermieden werden. Auch private Betreibermodelle und öffentlich-private Partnerschaften (PPP) können genutzt werden, sofern sie im Vergleich zur öffentlichen Bereitstellung wirtschaftlich sind und die Projekte schneller in Umsetzung bringen. Zunächst sollte dabei eine Kosten-Nutzen- und Risikoabschätzung erfolgen.
Umweltverträglichkeit des Verkehrs durch technischen Fortschritt erhöhen
Durch technischen Fortschritt wird der Verkehr immer schadstoffärmer und leiser. Dennoch wird Verkehr derzeit mit Markteingriffen zusätzlich verteuert – mit finanziellen Folgen für die Wirtschaft. So ist es EU-weit möglich, bei der Erhebung der Lkw-Maut auch externe Kosten für die Belastungen durch Klimagase, Schadstoffe und Lärm anzusetzen. Auch klimapolitische Alleingänge der EU oder Doppelbelastungen durch EU-Regelungen – so im Luftverkehr oder in der Seeschifffahrt – schaden der Wettbewerbsfähigkeit Europas, wenn sie zu höheren Kosten führen.
Die Festlegung von Grenzwerten sollte sich am technischen Fortschritt orientieren und dabei die wirtschaftliche Verkraftbarkeit von Flottenerneuerungen bei den Unternehmen beachten. Damit wird eine Entlastung der Umwelt erreicht, ohne die Existenz gerade von KMUs zu gefährden. Verlagerungen von der Straße auf die Schiene und das Binnenschiff stoßen derzeit an Grenzen hinsichtlich Kapazitäten, flächendeckender Verfügbarkeit und Ausbaustandards. Nennenswerte Verkehrsverlagerungen erfordern erhebliche Investitionen in den Ausbau und die Sanierung dieser Verkehrsträger. Dies ist nur mittel- bis langfristig möglich. Eine Verteuerung der Straße ohne die Schaffung geeigneter Alternativen führt nicht zu einer Umweltentlastung, sondern nur zu erhöhter Kostenbelastung. Innovative Mobilitätskonzepte, neue Antriebstechnologien und multimodale Transportlösungen für einen reibungslosen Güterverkehr sollten weiterentwickelt werden. Sie sollten sich allerdings am Markt bewähren. Ein Beitrag zur Emissionsverringerung wäre auch der EU-weite Einsatz von Lang-Lkw. Eine Minderheit der Unternehmen teilt diese Positionen nicht. Sie befürwortet restriktivere Maßnahmen zur Verringerung von Lärm- und Schadstoffemissionen und lehnt den Lang-Lkw ab.
Klimapolitische Alleingänge wie eine Einbeziehung des Luftverkehrs und der Seeschifffahrt in den EU-Emissionshandel können zu einseitigen Belastungen europäischer Unternehmen führen und CO2-Emissionen in das außereuropäische Ausland verlagern. Stattdessen sollten laut der Mehrheit der Unternehmen internationale Abkommen angestrebt werden, so im Luftverkehr der auf der ICAO-Ebene gefassten Beschluss, das globale Klimaschutzinstrument CORSIA einzuführen oder in der Seeschifffahrt auf IMO-Ebene. Eine Minderheit der Unternehmen befürwortet dagegen eine Vorreiterrolle der EU und fürchtet, dass Regelungen auf internationaler Ebene zu zögerlich umgesetzt werden und zu wenig wirksam sind.
Darüber hinaus gilt es, fortschrittliche Technik, Innovation sowie die Umsetzung innovativer Verkehrskonzepte zu fördern, um durch die effiziente Nutzung von Verkehrsflächen und einen möglichst reibungslosen fließenden Verkehr, Belastungen zu verringern und Unfälle zu vermeiden. Bestrebungen, den Verkehr in den Innenstädten zu verringern, werden häufig kritisch gesehen. Sie könnten dazu führen, dass die Attraktivität der Innenstädte als Wirtschaftsstandort beeinträchtigt wird und Unternehmen auf die „grüne Wiese“ abwandern. Bei einer möglichen Neuaufteilung des Straßenraums zur Förderung des Radverkehrs ist daher zu beachten, dass auch dem motorisierten Individualverkehr der Zugang in die Städte weiterhin ermöglicht wird. Die Einrichtung von Ladezonen und die Umsetzung von stadtlogistischen Gesamtkonzepten kann einen Beitrag zur störungsarmen Belieferung leisten und damit effiziente Tourenplanungen erleichtern. Ein Teil der Unternehmen lehnt dies hingegen ab und unterstützt Maßnahmen zu einer deutlichen Verringerung des Verkehrs in Innenstädten.
Neue Technologien und die Sammlung von sektorspezifischen Daten können einen erheblichen Beitrag zur Steigerung der Effizienz und damit zur u.a. zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dabei auf eine technologieneutrale Herangehensweise gesetzt werden. Ebenso sollten vorhandene Daten besser genutzt werden und nutzbar gemacht werden für Unternehmen. Bei neuen Technologien wie dem autonomen Fahren und alternativen Antrieben sollte die EU die Entwicklungen aktiv mitgestalten und ihrer koordinierenden Rolle gerecht werden. Die Entscheidung, welche Technologien sich am Ende durchsetzen, sollte vom Markt getroffen werden. Ein Teil der Unternehmen ist hingegen der Auffassung, dass die Politik bei der Frage der Technologien eine steuernde Rolle einnehmen sollte.
EU-Harmonisierung und Liberalisierung weiter vorantreiben
Ein leistungsfähiges und gut funktionierendes Verkehrssystem ist für die Unternehmen der EU unverzichtbar. Jeder Verkehrsträger sollte dabei entsprechend seiner Systemvorteile genutzt werden. Für alle Verkehrsträger hat die EU deshalb in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Liberalisierung der Regeln und einer Öffnung der Märkte beigetragen. Dies hat zu sinkenden Preisen, einem vielfältigen Angebot an Transportleistungen und einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft geführt. Dennoch gibt es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. Die EU hat eine Marktöffnung im Schienenverkehr ermöglicht – die Umsetzung ist in den einzelnen Staaten bisher jedoch unterschiedlich. Trotz der Bemühungen um eine Unterstützung der Binnenschifffahrt ist es nicht gelungen, ihren Marktanteil spürbar zu erhöhen.
Obwohl der Markt geöffnet ist, wird in der Praxis von Betreibern der Schienennetze und von Aufsichtsbehörden in einigen EU-Staaten die Durchführung von Schienenverkehren durch „Dritte“ weiter erschwert. Trassenvergabe und technische Vorschriften müssen transparent sein. Sie dürfen nicht zur Marktabschottung verwendet werden. Auch müssen die Schienennetze Kapazitätsspielräume für Wettbewerber bieten und dürfen nicht allein auf die Bedürfnisse eines Nutzers ausgerichtet sein.
Der „Single European Sky“ sollte vollendet werden; er kann einen Beitrag zur Verringerung der Emissionen und zur Erhöhung der Pünktlichkeit leisten. Zudem leidet das deutsche und europäische Luftverkehrsgewerbe unter Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Flugverkehr - insbesondere durch die zumindest teilweise Einbeziehung in den EU-Emissionshandel und durch die Luftverkehrsteuer in Deutschland. Im Luftverkehr sollte daher überprüft werden inwieweit bestehende Maßnahmen, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, abgebaut und neue vermieden werden können. Für internationale Verhandlungen ist ein starkes Mandat für die EU-Kommission nötig. Eine Minderheit der Unternehmen steht Maßnahmen zur Unterstützung des Luftverkehrs aus Gründen des Klimaschutzes kritisch gegenüber.
Klare Regeln und deren konsequente Durchsetzung sollen für gleiche Wettbewerbsbedingungen im EU-Straßengüterverkehr sorgen. Hemmnisse, wie beispielsweise im Brenner-Transit sollten beseitigt werden. Ein Teil der Unternehmen lehnt dies ab und unterstützt Maßnahmen zur Verringerung des Straßengüterverkehrs und der Verlagerung auf andere Verkehrsträger. Multimodalität kann dazu u.a. einen wichtigen Beitrag leisten.
Zur Linderung des Fahrermangels sollten europarechtliche Regeln, die den Einsatz von Fahrern aus der EU und aus Drittstaaten erschweren, überprüft und - wenn erforderlich - geändert werden. Hierzu gehören beispielsweise das Wohnortprinzip, das die Möglichkeiten zum Absolvieren von Prüfungen stark einschränkt, und die bisher nicht mögliche Anerkennung vergleichbarer Prüfungen aus Drittstaaten.