Umweltpolitik
Zu einem effektiven Umweltschutz sind europäische Unternehmen auf beherrschbare Anforderungen und ausgewogene Zielvorgaben angewiesen. Gerade im Hinblick auf die zahlreichen legislativen Ansatzpunkte des EU Green Deal sollte eine zu komplexe Regelungsvielfalt vermieden werden. Erwägungen neuer Regularien sollten dem Risiko damit entfallender Geschäftsmodelle stets eine hohe Gewichtung zuschreiben.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
- Europäische Umweltgesetzgebung an praktischer Umsetzbarkeit orientieren
- Förderung der Kreislaufwirtschaft - Ausgewogenheit und Beteiligung als Schlüssel zum Erfolg
- Unternehmen als Wegbereiter zur Nullschadstoff-Ambition begreifen
- Naturschutz und Standortattraktivität gemeinsam denken
Europäische Umweltgesetzgebung an praktischer Umsetzbarkeit orientieren
Der Umweltschutz fällt unter die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und kann die Attraktivität Europas als Wirtschaftsstandort erhöhen. Zu strikte oder zu umfangreiche – und damit unausgewogene - Vorgaben können allerdings zu unverhältnismäßigen Belastungen und Kosten für Betriebe führen. Dies gilt etwa im Hinblick auf nötige Umstellungen von Gestaltungs- und Produktionsprozessen. Insbesondere KMUs droht hierbei eine Überforderung. Die EU ist auch deshalb gefragt, Technologieoffenheit zu einer Leitlinie ihrer Umweltrechtsetzung zu erheben. Denn auch wenn die Umweltgesetzgebung in gewissem Maße ein Treiber von Entwicklung und des Exports von Umwelttechnologien sein kann, beruhen technische Innovationen und Investitionen vor allem auf unternehmerischem Gestaltungsspielraum. Auch sollte die Forschung von Unternehmen im Umweltbereich gestärkt werden.
Statt allein auf neue Regulierungsmaßnahmen zu setzen, sollte die einheitliche Anwendung und Durchsetzung bestehender Regeln einen Schwerpunkt der europäischen Umweltpolitik bilden. Im Vorfeld umweltrechtlicher Regulierungsvorschläge sollten deren ökonomische Auswirkungen und praktische Umsetzbarkeit über die Breite der unmittelbar wie mittelbar betroffenen Unternehmen ermittelt werden. Kommt es zu neuen Regelungen, sollten diese stets mit möglichst geringem Aufwand in die betriebliche Praxis integriert werden können. Auch die konsequente Anwendung des “One in, one out“-Prinzips der EU-Kommission, wonach neu eingeführte Belastungen durch eine Verringerung bereits bestehender Belastungen in demselben Politikbereich ausgeglichen werden sollen, ist in diesem Kontext notwendig, um Überlastungen zu vermeiden.
Förderung der Kreislaufwirtschaft – Ausgewogenheit und Beteiligung als Schlüssel zum Erfolg
Die Förderung der Nachhaltigkeit – gerade auch auf EU-Ebene – hat für die deutsche Wirtschaft einen hohen Stellenwert. Neben ökologischen Vorteilen liegen hierin auch ökonomische Potenziale. Dies umfasst z.B. eine geringere Importabhängigkeit bei verschiedenen Rohstoffen oder eine größere Wettbewerbsgleichheit im EU-Binnenmarkt durch nachhaltigkeitsorientierte Regulierung. Umfassende Nachhaltigkeitsvorgaben für Produkte – wie etwa durch eine Ökodesign-Verordnung - treffen auf ein insgesamt vielschichtiges Meinungsbild der deutschen Wirtschaft. Detaillierte Ökodesign-Anforderungen können die Produktvielfalt beschneiden und technologieoffene Innovationen – abgesehen von Maßnahmen zur Erreichung einzelner legislativer Zielvorgaben - erschweren. Entsprechende Vorgaben zu Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten sollten Unternehmen daher genügend Freiraum bei der Produktentwicklung einräumen. So können Betriebe damit verbundene Chancen, die sich aus der Verbesserung der Energie- und Materialeffizienz ergeben, auch im Wettbewerb nutzen. Um ökonomische Potenziale heben zu können, sollten neue Nachhaltigkeitsregularien europaweit einheitlich gestaltet und angewandt werden. Ebenfalls sollten neue Vorgaben auf der frühzeitigen und konstruktiven Einbeziehung unternehmerischer Expertise beruhen, die Möglichkeit wirtschaftlicher Selbstregulierung offenhalten und die Wettbewerbsfähigkeit gerade kleiner und mittlerer Unternehmen nicht beeinträchtigen. Dazu benötigen viele Unternehmen finanzielle Unterstützung für notwendige Transformationsprozesse sowie Zeit zur Umsetzung neuer Regularien. Gerade im Licht der Corona-Krise und der Folgen des russischen Krieges in der Ukraine erscheint es wichtig, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nicht durch zu umfangreiche Produktvorgaben zu überfordern.
Eine Erweiterung des Gewährleistungsrechts im Hinblick auf den Anspruch auf Reparatur (“Right to Repair”) bewerten große Teile der deutschen Wirtschaft kritisch. Häufig fehlt es hierfür in Europa bereits an der nötigen Infrastruktur. Demnach sollte bei der Reparierbarkeit von Produkten auf Freiwilligkeit sowie auf Anreize für Unternehmen gesetzt werden. Geklärt werden sollte auch der Umgang mit Import- sowie Onlineware und deren Einbeziehung in die Reparaturvorhaben, um eine Gleichstellung mit stationärem Handel zu ermöglichen.
Allerdings sprechen sich manche Unternehmen in Deutschland demgegenüber für ein Recht auf Reparatur aus europäischer Feder aus. Demnach könnten mögliche Vorteile neben der Ressourceneinsparung und größeren Marktchancen langlebiger Produkte auch in einer höheren Kundenbindung liegen.
In der Abfallrahmenrichtline sollte das Verursacherprinzip nicht unbegrenzt entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Umfang ausgedehnt, sondern weiterhin auf den Umgang mit dem Endprodukt begrenzt werden. Die aus der Richtline hervorgehende SCIP-Datenbank (Substances of Conern in Products and Articles) sollte in ihrem Umfang nicht nur in der rechtlichen Theorie, sondern auch in der Praxis auf die in Artikel 33 der REACH-Verordnung vorgesehenen Informationen beschränkt bleiben. Auch sollte die SCIP-Datenbank in ihrer Anwendung praxistauglicher gestaltet werden, um damit verbundenen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren.
Im Rahmen der Verpackungsrichtlinie sollten neue Anforderungen harmonisiert und die einheitliche Umsetzung verstärkt werden.
Unternehmen als Wegbereiter zur Nullschadstoff-Ambition begreifen
Umfangreiche neue Stoffbeschränkungen können zu einer nachhaltigen Schwächung Europas als Wirtschaftsstandort führen. Im Hinblick auf die Chemikalienverordnung REACH erscheint es im Hinblick auf die Stoffregulierung wichtig, Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen sowie ihre Kosten zu reduzieren. Bei der Entscheidung über die Zulassungspflicht eines Stoffes sollten nachvollziehbare wissenschaftliche Kriterien zugrunde gelegt werden. Kommt es innerhalb der REACH-Verordnung zu einer Verschiebung des regulatorischen Ansatzpunktes für Chemikalien und damit zur rechtlichen Relevanz der möglichen Alternativlosigkeit bestimmter Stoffnutzungen (so genannte generische Bewertung und “Essential-use“-Konzept), sollte im Rahmen der darauf bezogenen Darlegungslast jedenfalls eine bürokratische Überforderung für Unternehmen vermieden werden. In jedem Falle benötigen Unternehmen hierbei ausreichende Übergangsfristen zur Anpassung von Produktionsprozessen.
Von einer teilweisen oder vollständigen Überführung der RoHS-Richtlinie in den Rahmen der REACH-Verordnung sollte nach Ansicht der Wirtschaft abgesehen werden. Stattdessen sollten Verfahren zur Genehmigung von Ausnahmen für Stoffverwendungen innerhalb der RoHS-Verordnung möglichst frühzeitig einsetzen sowie transparent und komprimiert gestaltet werden. Zudem sollte über Entscheidungen zu möglichen Verlängerungen von Ausnahmen frühzeitig informiert werden.
Im Rahmen der CLP-Verordnung sollten teils widersprüchliche Vorschriften international und europäisch harmonisiert, ein internationales Verzeichnis für die Stoffe sowie ihre Einstufung installiert und Ausnahmen von den Kennzeichnungspflichten für kleinere Produkte geschaffen werden. Für den Onlinehandel sollten die gleichen Verpflichtungen gelten wie für den stationären Handel. Anpassungen stofflicher Grenzwerte sollten stets unter Berücksichtigung möglicher Auswirkungen auf die Verwendungsmöglichkeit der von den jeweiligen Stoffen betroffenen Rezyklate erfolgen.
Im Rahmen der Luftqualitätsrichtlinien ist die stetige Verbesserung der Luftqualität - in grundsätzlicher Orientierung an den WHO-Leitlinien - im langfristigen Interesse der Wirtschaft. Die Reduzierung der Grenzwerte der Richtlinie sollte jedoch die technische Machbarkeit widerspiegeln und im Einklang mit den Maßnahmen zum Klimaschutz und nachhaltigen Mobilität stehen. Maßnahmen zur Luftreinhaltung sollten eine faire Lastenverteilung zwischen den verschiedenen Quellen vorsehen und die Einhaltung der Grenzwerte nicht allein von lokalen oder regionalen Verwaltungen verantwortet werden. Lokale Fahrverbote entfalten nur einen punktuellen Nutzen, gefährden aber Logistikketten und können damit zu einer weiteren Anspannung der Versorgungsketten führen. Damit die Messungen künftig besser vergleichbar werden, sollten konkrete Vorgaben zur Erzielung möglichst repräsentativer Messergebnisse festgelegt werden.
Bei der Überarbeitung der Industrieemissionsrichtlinie sollten zusätzliche Nachweispflichten für die Genehmigung vermieden und gesetzliche Vorgaben konkretisiert werden. Mittelgroße Feuerungsanlangen sollten vom Anwendungsrahmen der Industrieemissionsrichtlinie ausgenommen bleiben.
Legislative Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität in der EU sollten realistische Zielsetzungen verfolgen, nötige Rechtssicherheit für Unternehmen gewährleisten und wasserbezogene Infrastrukturprojekte weiter ermöglichen. Dies gilt für neue Legislativmaßnahmen ebenso wie im Hinblick auf die Anwendung oder Aktualisierung bestehender Regelungen.
Im Hinblick auf den Schutz sowie auf Ziele zur Zustandsverbesserung von Böden sollte sich die europäische Politik neben Umweltschutzgedanken in gleichem Maße an Gesichtspunkten der realistischen betrieblichen Umsetzbarkeit orientieren. Dies betrifft sowohl die Definition inhaltlicher Vorgaben als auch den zeitlichen Horizont. Unternehmen sind häufig auf bestimmte Nutzungsformen von Böden angewiesen. Kommt es zu neuen Vorgaben zur nachhaltigen Nutzung, Überwachung oder Sanierung von Böden, sollten diese jedenfalls auf einer frühzeitigen und konstruktiven Einbeziehung betrieblicher Expertise entstehen.
Naturschutz und Standortattraktivität gemeinsam denken
Bei Maßnahmen zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Biodiversität sollten wirtschaftliche Belange frühzeitig und konstruktiv in eine Gesamtabwägung einfließen, um Planungs- und Entwicklungsmöglichkeiten der deutschen wie europäischen Wirtschaft zu erhalten. Dies gilt etwa im Hinblick auf die Ausweisung zusätzlicher Schutzgebiete zu Land und auf See. Findet ein solcher Interessenausgleich im europäischen Gesetz zur Wiederherstellung von Ökosystemen (“Nature Restauration Law”) keine Berücksichtigung, stehen erhebliche Beeinträchtigungen der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Europa zu befürchten. Auch sollten umweltpolitische Zielstellungen untereinander in ein jeweils ausgewogenes Verhältnis gestellt werden. Dies gilt etwa für die Gewinnung von Rohstoffen und den Ausbau erneuerbarer Energie einerseits sowie die Interessen des Natur- und Artenschutzes andererseits.
Anpassungen der FFH-Richtlinie sowie der Vogelschutzrichtlinie könnten eine zügige Planung und Genehmigung von Infrastrukturvorhaben fördern, etwa durch eine stärkere Fokussierung auf den Populations- statt auf den Individualschutz.
Ein europäischer Rechtsakt zum globalen Entwaldungsschutz (“Deforestation Law”) sollte mit möglichst geringen Belastungen für betroffene Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf KMUs, einhergehen. Daher ist es wichtig, dass der Gesetzgeber nicht nur die Auswirkungen eines neuen Gesetzes auf die Unternehmen prüft, sondern diese auch in den Kontext mit bereits bestehenden sowie geplanten “Due Diligence”-Mechanismen aus anderen Rechtsakten setzt. Schließlich sollte Rücksicht auf mögliche Lieferkettenprobleme und Importlücken gerade bei strategischen Abhängigkeiten genommen werden. Auch sollte der vom “Deforestation Law” umfasste Produktrahmen möglichst schmal gehalten werden.
Bei einer Anpassung der Aarhus-Regularien sollte weiterhin die Rechtssicherheit von Genehmigungsbescheiden und sonstigen offiziellen Beschlüssen gewährleistet bleiben. Dazu sollte die Präklusion wieder aufgenommen werden. Bezüglich der Offenlegungspflichten sollten Betriebsgeheimnisse und Anlagensicherheit verstärkt berücksichtigt werden.