Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Insolvenzrecht EU-weit ohne Nachteile für Deutschland harmonisieren

Positionen:
  • Die Wirtschaft fordert die deutschen Entscheidungsträger auf, die Harmonisierung des Insolvenzrechts auf EU-Ebene aufmerksam im Sinne der Beibehaltung des schlüssigen deutschen Insolvenzrechts zu begleiten und den dort gültigen Grundsatz „mehr Sanieren statt Liquidieren“ zu verteidigen.
  • Bei der Bemessung der Tilgungs- und Entschuldungsfristen setzt sich die Wirtschaft für ein ausgewogenes Verhältnis der Interessen der verschuldeten Unternehmen an einer möglichst schnellen Wiederaufnahme der unternehmerischen Tätigkeit einerseits und dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Befriedigung der Forderungen andererseits geachtet werden.
  • Die geplante generelle Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre bei allen „redlichen“ Schuldnern  erscheint aus Sicht der Wirtschaft bedenklich. Eine solche einseitige Maßnahme im Schuldnerinteresse könnte zu einer Schwächung der Zahlungsmoral führen, die Kreditvergabepolitik der Banken zu Lasten der Existenzgründer ändern und die Gläubigerinteressen benachteiligen.
  • Das neue EU-Eilverfahren soll dem „redlichen“ Unternehmer den Neustart erleichtern. Hierbei wäre es erforderlich, den Begriff des „redlichen“ Schuldners näher zu konkretisieren.
  • Im Rahmen einer Harmonisierung des Insolvenzrechts spricht sich die IHK dagegen aus, weitere Sonderrechte für einzelne Interessengruppen zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger einzuführen.
  • Weitergehende Harmonisierungsbestrebungen der EU, wie z. B. eine Harmonisierung der Kriterien für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der Haftung der vertretungsberechtigten Personen und der Regelungen zum Anfechtungsrecht in Europa wird seitens der Wirtschaft abgelehnt. Andernfalls wäre zu befürchten, dass das schlüssige deutsche Insolvenzrecht zum Eintritt in das Insolvenzverfahren beeinträchtigt wird.



Hintergrund:

Die EU-Kommission erwägt eine Harmonisierung des europäischen Insolvenzrechts. Ein Richtlinienvorschlag zum sogenannten präventiven Restrukturierungsrahmen, der es Schuldnern in der Krise ermöglichen soll, im Wege der Schuldenrestrukturierung eine Insolvenz zu vermeiden, liegt vor. Die Bestrebungen auf EU-Ebene haben auch Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Diskrepanzen zwischen den nationalen Rechtsordnungen sind teilweise erheblich. Ziel soll es sein, dass europaweit Unternehmen bevorzugt saniert statt liquidiert werden und der „redliche“ gescheiterte Unternehmer schneller eine „zweite Chance“ erhalten soll. Es fällt auf, dass die Nachteile für die ebenfalls redlichen Gläubiger, die bis hin zu einer Existenzgefährdung führen können, in der Diskussion nicht den gleichen Stellenwert genießen.
Eine ebenfalls diskutierte Harmonisierung des Anfechtungsrechts und der Eröffnungsgründe eines Insolvenzverfahrens wird derzeit nicht weiter verfolgt. Werden diese  Pläne verwirklicht, würde (teilweise) erheblich in das materielle Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten eingegriffen werden. Bei allen Vorteilen gerade für grenzüberschreitend tätige Unternehmen könnte die geplante Harmonisierung eine Gefahr für das nach mehreren Reformen weitgehend stimmige deutsche Insolvenzrecht bedeuten.