Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Innovative Nutzfahrzeuge entwickeln, erproben und zulassen

Positionen:
  • Die Wirtschaft spricht sich dafür aus, längere LKWs möglichst flächendeckend regulär zum Straßenverkehr zuzulassen. Dies gilt auch für grenzüberschreitende Fahrten in der EU bzw. in Europa. Mittelfristig sollten ggf. bestehende lokale Infrastrukturhemmnisse abgebaut werden um Wettbewerbsverzerrungen aufgrund des Standortes zu mildern bzw. aufzulösen.
  • Da die Emissionen des Verkehrs einen bedeutenden Anteil an der Gesamtbelastung ausmachen, erscheinen Nutzfahrzeugkonzepte wie der Lang-LKW (mit rund 25 Metern Länge bei unveränderter zulässiger Höchstmasse von 40 Tonnen) als sinnvoller Beitrag, um die notwendigen Güterbeförderungen umweltfreundlicher zu gestalten. Nach Meinung der IHK wird die Wirtschaft in einer Gesamtbetrachtung von diesem Fahrzeugkonzept profitieren.
  • Die Maße dieser Lang-LKWs sollten sich an der Kompatibilität mit dem kombinierten Verkehr und damit den vorherrschenden Behälter- bzw. Containermaßen orientieren. Es gilt, ein großes Maß an Flexibilität bezüglich der Nutzung der am Markt etablierten Wechselbehälter und Container zu erreichen und dadurch insbesondere Verkehrsverlagerungen hin zum Kombinierten Verkehr zu fördern. Generell sollten die erlaubten Konfigurationen ein möglichst hohes Maß an Flexibilität gewähren.
  • An die Fahrzeuge und die Fahrer sollten hohe Anforderungen gestellt werden. Dies betrifft insbesondere Einrichtungen der aktiven und passiven Sicherheit an den Fahrzeugen (z. B. modernste Assistenz- und Warnsysteme, Systeme zum (hoch-) automatisierten oder autonomen Fahren) und die Fahrerqualifikation. Die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Fahrzeuge sollten in enger Abstimmung mit dem Gewerbe gesetzt werden.
  • Zusätzliche Ressourceneinsparungen ergeben sich auch bei den etablierten Sattelzügen. Da der wohl überwiegende Teil dieser Fahrzeuge in der Praxis nur volumenseitig, nicht aber hinsichtlich der zulässigen Höchstmasse von 40 Tonnen ausgelastet ist, würde eine geringfügige Verlängerung der zulässigen Länge des Aufliegers die Möglichkeit bieten, auch hier bislang ungenutzte Effizienzsteigerungen zu generieren. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die Einsetzbarkeit der Auflieger im kombinierten Verehr in jedem Fall gegeben ist.
  • Ein weiteres nicht ausgeschöpftes Potenzial zur Ressourceneinsparung liegt bei Nutzfahrzeugen in der Aerodynamik. Die Wirtschaft spricht sich dafür aus, Anpassungen an den Längenvorgaben zugunsten einer verbesserten Aerodynamik bei Nutzfahrzeugen zuzulassen. Ein Schritt kann dabei sein, nur die Laderaumabmessungen bei LKW und die Abmessungen des Fahrgastraums bei Omnibussen gesetzlich zu limitieren und zeitgleich Anreize für möglichst geringe Fahrwiderstände zu schaffen. Vor allem für den Fernverkehr sind dadurch Emissionsminderungen zu erwarten. Hinzu käme bei einer derartigen Entwicklung der Fahrzeugkonzeptionen, dass ein deutlicher Sicherheitsgewinn für die LKW- und Busfahrer zu erwarten wäre. Die aktuelle Gestaltung der Fahrzeugfronten lässt nur minimale Knautschzonen für den Abbau der Kollisionsenergie mit mitunter verheerenden Folgen für das Fahrpersonal zu und würde zu den Zielen der „Vision Zero“ (Reduzierung der Verkehrstoten in Europa auf „Null“) beitragen. Die ersten Anstöße zur Änderung der zugrundeliegenden EU-Richtlinien, die dazu bereits laufen, werden von der Wirtschaft begrüßt, könnten unter den Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit und der Reduzierung der negativen Umweltwirkungen des Transports noch weiterentwickelt werden.


Hintergrund:

Die reguläre Zulassung innovativer Nutzfahrzeugkonzepte kann, beispielsweise durch verlängerte Lkw-Gesamt- oder Laderaummaße, einen Beitrag zur effizienteren Nutzung der bestehenden Infrastruktur und zur Entlastung der Umwelt und des Straßennetzes auf bestimmten Abschnitten z. B. im Pendelverkehr zwischen Produktionsstätten oder Verteilerknoten oder Umschlag- und Verladezentren des kombinierten Verkehrs sowie in der Nacht leisten. Dabei muss vorausgesetzt werden, dass die für diese Fahrzeuge freigegebene Infrastruktur für die längeren Fahrzeuge geeignet ist und dass dabei modernste Fahrzeug(sicherheits)technik und hochqualifiziertes Fahrpersonal zum Einsatz kommt. Zuversichtlich stimmt, dass sich das Land Baden-Württemberg dem Feldversuch Lang-LKW des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und somit der deutlich überwiegenden Mehrheit der Bundesländer doch noch angeschlossen hat und durch die Beauftragung ergänzender wissenschaftlicher Untersuchungen ggf. offene Fragen zu einigen möglichen Auswirkungen dieser Fahrzeuge auf bestehende Logistiksysteme einer Beantwortung zuführen wird.
Lokal emissionsfreie Antriebstechnologien für Nutzfahrzeuge sind noch nicht in einer wünschenswerten Vielfalt am Markt verfügbar - gegenwärtig sind nur wenige Fahrzeuge für den regionalen Verteilerverkehr erhältlich, deren verbreiteter Einsatz vor allem an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und geringen Fertigungszahlen scheitert. Große wie auch kleine Hersteller können bislang über Nischenprodukte hinaus noch keine breite Angebotspalette vorweisen, die zumindest für den lokalen, regionalen und auch überregionalen Güterverteilerverkehr bzw. im ÖPNV den Komplettumstieg auf umweltfreundlichere Antriebstechnologien zulassen würde. Erd- und Flüssiggasaggregate sowie Hybridtechnologien können in einigen Fällen bereits heute „grünere“ Alternativen zum klassischen Dieselantrieb bieten. Ob im langlaufenden Güterfernverkehr oder im Fernlinien- oder Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen derartige Optionen oder gar Elektro-LKWs jemals so weit entwickelt werden können, dass sie vom Markt in nennenswertem Ausmaß angenommen werden, ist aus heutiger Sicht unsicher.
Teile der Wirtschaft sehen verlängerte Nutzfahrzeugabmessungen kritisch. Hintergrund kann dabei sein, dass ein Teil dieser Unternehmen selbst Transportdienstleistungen auf mit dem Güterkraftverkehr auf der Straße konkurrierenden oder diesen nur im Vor- und Nachlauf „benötigenden“ Verkehrsträgern anbieten und deshalb einem Effizienzgewinn des LKWs unter Konkurrenzgesichtspunkten grundsätzlich kritisch gegenüberstehen. Auch werden Transportmengen-Verlagerungen hin zum LKW befürchtet.
Manche Unternehmen stehen dem Transport auf der Straße unter Umweltgesichtspunkten grundsätzlich kritisch gegenüber. Diese Unternehmen haben die Sorge, dass zusätzliche Effizienzsteigerungen des LKWs zu einer Verfestigung oder gar einem Ausbau des modal-split-Anteils des Transports auf der Straße beitragen.
Ferner werden Sicherheitsrisiken angeführt, die sich primär auf die Gesamtlänge des Fahrzeugs kaprizieren. Die Erkenntnisse des Feldversuchs und auch die vom Land Baden-Württemberg und der Daimler AG beauftragte Studie „Analyse des Einsatzes von Lang-Lkw im Hinblick auf seine Klimaeffekte“ (veröffentlicht im Oktober 2017) bestätigen diese Befürchtung nicht.
Als Ergebnis einer diese Bedenken berücksichtigenden und besonders die gesamtwirtschaftlichen und emissionsmindernden Gesichtspunkte betonenden Abwägung kann festgehalten werden, dass die langfristigen Folgen veränderter LKW-Abmessungen nicht abschließend beurteilt werden können. Aus heutiger Perspektive profitiert der überwiegende Teil der Wirtschaft und der Gesellschaft von effizienteren LKW-Transporten.