Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Industriepolitik für den Markt und an den Unternehmen ausrichten

Positionen:
  • Klares Bekenntnis zur Industrie: Die IHK Region Stuttgart setzt sich für eine Stärkung der Akzeptanz des produzierenden Gewerbes ein, insbesondere für den unternehmensgerechten Aus- und Umbau der Infrastruktur, aber auch für die Produktion allgemein. Mit der Imagekampagne des Landes für die Industrie sind gute Grundlagen geschaffen worden. Diese sollte fortgeführt werden. Die IHK Region Stuttgart steht als Partner für die Akzeptanzoffensive des Landeswirtschaftsministeriums sowie als Partner für die Akzeptanzoffensive des Bundeswirtschaftsministeriums zur Verfügung.
  • Zur weiteren Stärkung der baden-württembergischen Industrie soll auch in Zukunft eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten erfolgen, um einen Beitrag zu leisten, die Beziehung zwischen Industrie und Bevölkerung und damit das Industrieklima insgesamt durch proaktive Kommunikation und Transparenz weiter zu verbessern.
  • Rahmenbedingungen sollten technologieoffen gestaltet werden. Das Land sollte deshalb von einer Schwerpunktsetzung bei den von ihr so bezeichneten Zukunftsfeldern absehen (nachhaltige Mobilität, Umwelttechnologien, Erneuerbare Energien und Ressourceneffizienz, Gesundheit und Pflege sowie IKT). Wirtschaftsförderung muss der Wirtschaft insgesamt zugute kommen und sollte keine Branchen selektiv herausgreifen.
  • Nach Meinung der Wirtschaft sollte es nicht Aufgabe der Wirtschaftspolitik sein, Diversifikation zu unterstützen.
  • Die Wirtschaft sieht die Aufgabe des Staates darin, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Innovationsfähigkeit der Unternehmen sowie Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern. Hierzu zählen auch Investitionen in eine wettbewerbsfähige Infrastruktur.
  • Bei „Industrie 4.0“ sollte neben einer technologieoffenen Forschungsförderung der Breitbandausbau vorangetrieben und die Etablierung technischer Standards unterstützt werden.
  • Damit Industrie 4.0 gelingt, müssen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft/Forschung gemeinsam die richtigen Weichen stellen. Sie sollten dabei ein besonderes Augenmerk auf leistungsfähige digitale Infrastrukturen, auf die Qualifizierung der Mitarbeiter und Unternehmer, auf die Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und deren Finanzierung sowie auf die Vernetzung der Marktteilnehmer legen.
    IHKs, Politik, Wissenschaft und andere Akteure sollten Unternehmen, insbesondere KMU, stärker für die Chancen neuer Geschäftsmodelle, Dienstleistungen und Kooperationen mit Startups sensibilisieren, denn Industrie 4.0 ist mehr als die Digitalisierung von Produktionsprozessen und Produkten. Die Arbeit der Plattform Industrie 4.0 unter Beteiligung der IHK-Organisation ist dabei ein wertvoller Beitrag.
    Das Land sollte sich insbesondere auch auf EU-Ebene für innovationsfreundliche regulatorische Rahmenbedingungen einsetzen. Zudem sollten Akteure in neuen Technologien bei der internationalen Durchsetzung von Standards und Geschäftsmodellen unterstützt werden.
    Demonstrationszentren für Industrie 4.0 müssen zügig eingerichtet beziehungsweise ausgebaut werden, auch unabhängig von einer Förderung durch den Bund.
    Die Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg hat insbesondere den Mittelstand als Zielgruppe identifiziert. Es sollte regelmäßig evaluiert werden, ob die Angebote der Allianz zielgruppengerecht sind und angenommen werden. Ggf. müssen die Angebote angepasst werden.
    Bei einer Weiterentwicklung der Allianz sollten Schnittstellen und Überschneidungen mit anderen Initiativen (z. B. Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum, Lernfabriken) sowie die Sichtbarkeit der Angebote in Richtung Industrie – und insbesondere KMU - beachtet werden.
  • Clusterpolitik kann als flankierendes Instrument der Standortpolitik unternehmerische Dynamik und Innovation fördern. Basis jeder politischen Aktivität sollten die Bedürfnisse und Aktivitäten der Unternehmen vor Ort sein.
  • Die öffentliche Clusterförderung sollte vor allem darauf abzielen, regionale „Stärken zu stärken", sich in erster Linie an den Anforderungen der Unternehmen auszurichten, selbsttragende Wachstumsprozesse anzustoßen und nachhaltige Strukturen zu unterstützen.
    Die von der Clusterpolitik propagierte Zielgruppe der KMU sollte stärker adressiert werden. Cluster und Netzwerke müssen KMU beim strategischen Technologie-Monitoring stärker unterstützen, zum Beispiel mit standardisierten Technologie- und Patentrecherchen.
  • Die Wirtschaft steht Subventionen und Schutzzölle kritisch gegenüber. Sie konservieren nicht-zukunftsfähige Strukturen und können Gegenmaßnahmen provozieren. Dies wäre für die exportintensive deutsche Industrie fatal. Die Bundesregierung muss nicht nur auf die Einhaltung der WTO-Standards und des EU-Beihilferahmens achten, sondern diese auch von Handelspartnern einfordern.
  • Eine im besten Sinne gute und effiziente Wirtschaftspolitik besteht darin, einen verlässlichen Ordnungsrahmen zu setzen und Planungssicherheit zu bieten. Um das Potenzial des Industriestandorts Deutschland auszuschöpfen, sollte die Politik die Standortfaktoren verbessern.
  • Wichtig wäre auch, attraktive Ansiedlungsflächen mit international wettbewerbsfähigen Konditionen zu schaffen. Gewerbe- und Industrieflächen sollten die Bedürfnisse der sich immer stärker spezialisierenden Betriebe berücksichtigen. Die Problemlage der Flächenknappheit kann nur über die Region Stuttgart hinaus gelöst werden. Das Land sollte sich für überregionale Modelle sowie Ausgleichsmechanismen für erhöhte Lasten einsetzen und dazu beitragen, dass bezahlbare Wirtschaftsflächen zur Verfügung gestellt werden können. Der Bereich der Logistik sollte hierbei nicht ausgespart werden.

Hintergrund:

Das produzierende Gewerbe in Deutschland trägt ein Viertel zur Wirtschaftsleistung bei - mehr als in den meisten anderen Industrieländern. Baden-Württemberg ist das deutsche Bundesland mit dem höchsten Anteil der Industriebeschäftigten und dem höchsten Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt. Insbesondere die Region Stuttgart mit einer Vielzahl an Global Playern und deren Zulieferern trägt wesentlich hierzu bei. Dieser industrielle Kern bildet die Basis für Arbeitslätze im Dienstleistungsbereich und formt damit das Netzwerk Industrie. Die derzeitige Stärke der deutschen Industrie darf jedoch nicht als Selbstverständlichkeit angenommen werden. Auch in der Vergangenheit ging manche vermeintliche Vorzeigebranche verloren oder wanderte ab. Zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit ist die Industrie auf eine leistungsfähige Infrastruktur, eine verlässliche Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen sowie gut ausgebildete Fachkräfte und Forscher angewiesen. Tatsächlich sind die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen nicht ausreichend. Die Mehrheit der Industrieunternehmen sieht in hohen Energie- und Rohstoffpreisen ein großes Risiko für ihre geschäftliche Entwicklung. Neben Sorgen um die Arbeitskostenentwicklung erweist sich der Fachkräftemangel zunehmend als Engpass für die Industrieunternehmen. Auf internationaler Ebene bestehen weiterhin Abschottungsreflexe in einzelnen Branchen, wie etwa im Automobilsektor, die den Wettbewerb zu Lasten der deutschen Unternehmen verzerren.
Es sind verstärkt Tendenzen festzustellen, dass die Politik gezielt bestimmte Technologien fördert. Der Staat wäre indes überfordert, würde er all diese Ideen prüfen und bewerten wollen und für von ihm als zukunftsträchtig eingeschätzte Bereiche fördern wollen.
Die Politik beabsichtigt Gründungen sowie deren Wachstum durch erleichterten Kreditzugang und Unterstützung bei der Erschließung internationaler Märkte zu fördern. Es soll eine Strategie zur europäischen Normung vorgelegt werden, die den Bedürfnissen der Industrie gerecht wird. Die europäische Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsinfrastrukturen sollen modernisiert werden. Energieintensive Industrien sollen durch Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen unterstützt werden.
Baden-Württemberg hat sich zum Ziel gesetzt, das Land als Standort industrieller Produktion zu stärken. Im Ballungsgebiet der Region Stuttgart besteht eine hohe Nachfrage nach Wirtschaftsflächen. Diese kann häufig nicht oder nur zum Teil erfüllt werden. Insbesondere im Bereich Logistikflächen besteht ein akuter Mangel.