Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Gegen ein Unternehmensstrafrecht nach dem Muster der USA

Positionen:
  • Das deutsche Strafrecht sollte nicht nach dem Vorbild des US-amerikanischen Rechtssystems umgestaltet werden.

  • Strafrecht darf nicht mit ökonomischen Anreizen versehen werden. Allein der Verdacht, dass Ermittlungsverfahren vorrangig wegen der Chance auf hohe Bußgelder eingeleitet und im Einigungswege beendet werden, schadet dem Rechtsstaat. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund des Zwangs zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

  • Der Instrumentalisierung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen durch Strafanzeigen aus privatem Interesse auf der Basis eines neuen Unternehmensstrafrechts muss vorgebeugt werden. Unternehmensstrafrecht darf nicht Teil einer Strategie für eine Klageindustrie nach amerikanischem Muster werden, die eine (kostenlose) Vorarbeit der Staatsanwaltschaften für nachgelagerte Schadenersatzprozesse nutzt.

  • Der Gefahr, dass Strafrecht zum Mittel zur Generierung von Staatseinnahmen oder zur Erzwingung von unternehmerischem Wohlverhalten im Sinne der jeweils aktuellen politischen Interessen wird, muss konsequent begegnet werden.

  • Die Vernichtung von Unternehmen als Sanktionsmöglichkeit sollte nicht in das deutsche Recht übernommen werden; dieses Mittel ist nach Meinung der Wirtschaft stets unverhältnismäßig, schon weil immer Arbeitsplätze unbeteiligter Arbeitnehmer vernichtet werden.

  • Sollte auch an ein Verbandsstrafrecht unter Einbeziehung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gedacht werden, beispielsweise Kommunen, darf es nicht darauf hinaus laufen, dass letztlich auch die Gewerbesteuerzahler eine gegen die Kommune verhängte Strafe zahlen.

  • Öffentliche Bloßstellung von Personen und Unternehmen, im US-amerikanischen Rechtssystem nicht ungewöhnlich, dürfen keinen Einzug ins deutsche Recht finden.

  • Strategien zur Vermeidung einer „Verbandsstraftat“ oder zu Vergünstigungen bei Bußgeldbemessungen dürfen nicht darauf hinaus laufen, dass zwingend kostspielige, am Markt – vor allem von großen Beratungsunternehmen – angebotene Compliance-Systeme eingeführt werden; dies würde vor allem kleine und mittlere Unternehmen unangemessen belasten.

  • Whistleblower sind im Rahmen des bestehenden rechtlichen Rahmens vor Diskriminierung und Sanktionierung zu schützen. Ein gesonderter Rechtsrahmen ist hierfür jedoch nicht erforderlich.


Hintergrund:

Zwar betonen Stimmen in der Wirtschaft die Notwendigkeit der Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland und begründen ihre Forderung damit, dass eine effektive Korruptionsbekämpfung mit den bestehenden Sanktionsmechanismen nicht möglich sei. Die überwiegende Mehrheit der Wirtschaft lehnt diese Art der Kollektivbestrafung jedoch ab. Nach deutschem Rechtsverständnis – vorgegeben durch die Verfassung – ist strafrechtliche Verantwortlichkeit an persönliche Schuld geknüpft. Sie kann verantwortliche natürliche Personen eines Unternehmens, aber nicht das Unternehmen selbst treffen.
Die Idee eines Unternehmensstrafrechts stammt aus der Sichtweise des US-amerikanischen Rechts. In Deutschland gibt es nach Meinung der Wirtschaft keinen Bedarf für ein Unternehmensstrafrecht. Es gibt keine statistischen Zahlen, die eine zunehmende Kriminalität aus Unternehmen heraus belegen. Das Recht der Ordnungswidrigkeiten bietet ausreichend Sanktionsmöglichkeiten gegen nicht korrekt arbeitende Unternehmen.
In der Wirtschaft überwiegen schließlich auch die Stimmen deutlich, die Whistleblower im in Deutschland bestehenden rechtlichen Rahmen – z.B. § 626 BGB, § 612a BGB, § 1 KSchG oder Art. 5 Abs.1 GG – bereits als ausreichend vor Benachteiligung geschützt ansehen. Eine deutlichere Klarstellung des Whistleblowerschutzes durch einen gesonderten Rechtsrahmen wird demgemäß nur von einer Minderheit innerhalb der Wirtschaft befürwortet.