Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Flächendeckender Glasfaserausbau als Basis der digitalen Infrastruktur

Positionen:
  • Politisches Ziel sollte die flächendeckende Versorgung – auch des ländlichen Raums – mit Glasfaser-Infrastruktur bis an die Gebäude heran (FTTB) bzw. bis in die Gebäude hinein (FTTH) bis 2025 sein. Vorrangig sollten alle Unternehmens- und Gewerbestandorte angebunden werden. Dies sollte unter Beachtung der hohen Urbanisierung in Deutschland erfolgen und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Kapazitätsanforderungen im städtischen und ländlichen Raum berücksichtigen.
  • In die Planungen sollte flächendeckend auch der Mobilfunk miteinbezogen werden, um den Aufbau einer 5G-Infrastruktur sicherzustellen. Der Aufbau der Glasfaserinfrastruktur und der Ausbau der Mobilfunknetze bedingen sich gegenseitig und treiben einander voran. 5G ist für vielfältige Nutzungen Voraussetzung, beispielweise zur Mediennutzung, in der Mobilität (hochautomatisiertes Fahren), in den Energienetzen (Steuerung von Energieverteilnetzen), in der Logistik und in der industriellen Produktion. Gerade für das „Internet der Dinge” ist 5G als die Technologie, die die Adressierung einer rasant steigenden Zahl von devices ermöglicht, unabdingbar.
  • Die IHK schlägt vor, die Glasfasernetze in einem passiven Open Access Modell zu betreiben. Dabei werden die Errichtung und der Betrieb der Infrastruktur von den darauf angebotenen Diensten getrennt. Die Infrastruktur kann diskriminierungsfrei von jedem Dienstanbieter angemietet werden.
  • Die eingesetzten Brückentechnologien (wie z. B. Vectoring) sollten die weitere Entwicklung einer Glasfaserinfrastruktur nicht behindern. Sie sollten weiterhin wettbewerbsfähige Angebote für die Unternehmen und die Dienstanbieter ermöglichen. Die zukünftige öffentliche Förderung des Breitbandausbaus sollte nur noch die Glasfaser-Technologie adressieren, da nur mit dieser der Aufbau einer leistungsfähigen Gigabit-Infrastruktur möglich wird.
  • Die IHK plädiert zudem aus Gründen der Wettbewerbsneutralität dafür, flächendeckend ausgebaute Glasfasernetze zukünftig so zu regulieren, dass sie den Dienstanbietern diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen.
  • Die IHK ruft dazu auf, bei Ausschreibungen auf eine ausreichend hohe Ausgewogenheit und Rechtssicherheit zu achten. Unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität sollte das Ziel sein, dass dieser Infrastrukturausbau auch mittelständischen Unternehmen Entfaltungsmöglichkeiten bietet und unternehmerische Vielfalt ermöglicht wird.
  • Die IHK ruft die Bundesregierung dazu auf, die EU-Zielsetzung der Gigabit-Verfügbarkeit bis 2025 konsequent in politisches Handeln umzusetzen und die Rahmenbedingungen dafür umgehend zu setzen. Wo notwendig, ist der Einsatz von Fördermitteln zu prüfen.
  • Die IHK begrüßt die Aussage des Landes, eine flächendeckende Versorgung mit Bandbreiten ab 50 MBit/s sicherstellen zu wollen. Auch der erklärte Vorrang von Glasfaseranbindungen wird positiv gesehen. Das Land kommt damit der Forderung der IHK nach, über die Planungsverfahren (Landesplanung, Regionalplanung, Bauleitplanung) sicherzustellen, dass frühzeitig Verpflichtungen zum Glasfaserausbau bei der Erschließung von Gebieten festgelegt werden. Als Anreize denkbar wären z. B. steuerliche Vergünstigungen oder Zuschüsse für Hauseigentümer in Form von Vouchern, um die Nachfrage nach hohen Bandbreiten zu heben. Darüber hinaus erscheinen Programme sinnvoll, um die Verbreitung von Anwendungen wie z. B. Cloud-, Smart-Home-, Security-Dienste oder solchen aus den Bereichen eMobility, eGovernment oder eHealth zu verbessern.
  • Techniken wie das Micro-Trenching oder die Verlegung von Breitbandkabeln in Wasser- oder sonstigen Versorgungsleitungen können vor allem im ländlichen Raum eine kostengünstige und schnelle Alternative zu herkömmlichen Verlegetechniken darstellen. Die IHK rät dazu, eine Evaluierung der Einsatzmöglichkeiten dieser Technologien durchzuführen. Generell erscheint es sinnvoll alle alternativen Ansätze, die das Potenzial besitzen den flächendeckenden Glasfaserausbau zu beschleunigen, frühzeitig und ergebnisoffen auf ihre Eignung hin zu prüfen.
  • Beim Netzausbau sollten gezielt Kostensenkungspotenziale im Zusammenhang mit Modernisierungsvorhaben in anderen Infrastrukturbereichen in die Planungen einbezogen werden, so wie es das DigiNetz-Gesetz bereits vorsieht. Dafür bedarf es einer verlässlichen Datenbasis. Als Voraussetzung hierfür sollten alle relevanten öffentlichen Daten maschinenlesbar und standardisiert zur Verfügung gestellt werden (Open Data). So können gezielt Synergien etwa bei den teuren Tiefbauarbeiten genutzt und die gemeinsame Verlegung von Infrastrukturen kostengünstiger und Mitnutzung bereits bestehender Infrastrukturen vereinfacht werden.
  • Auf regionaler Ebene erscheint der IHK eine weiterführende Koordinierung über und für die Kommunen nötig, die mit Beratung und Information die Kommunen in der Region zur Aktivität motiviert. Die IHK sieht im Verband Region Stuttgart die geeignete Einrichtung für diese Aufgabe. Um die Transparenz und Planbarkeit für die Unternehmen zu erhöhen, sollten auf regionaler Ebene Masterpläne erarbeitet werden, die die Ausbaunotwendigkeiten und deren zeitliche Abfolge festlegen.
  • Besonders wichtig erscheint hierbei die regelmäßige Beobachtung und Kommunikation mit der ausbauenden privaten Wirtschaft im kommunalen Wirkbereich. Hierbei können die baden-württembergischen Kommunen Vorreiter für den Einsatz kooperativer Ausbauansätze mit der Privatwirtschaft werden z. B. über Joint Ventures. Die Bündelung von Ressourcen und der gezielte Einsatz von Steuermitteln sollten Priorität haben, um regional abgelegene Unternehmen schnell ans Glasfasernetz anschließen zu können.
  • Auf der kommunalen Ebene sind die Kommunen der Region Stuttgart und die Landkreise aufgefordert, die Defizite in der Breitbandanbindung insbesondere in den Industrie- und Gewerbegebieten zu erfassen und mit den Unternehmen zusammen nach Verbesserungs- und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Verfügbarkeit leistungsfähiger Breitbandverbindungen ist zwischenzeitlich ein unabdingbarer Standortfaktor, der in seiner Bedeutung nicht hinter einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur zurücksteht. Den Kommunen kommt eine wichtige koordinierende und nach einer Markterkundung und vergeblichem Interessenbekundungsverfahren bei privaten Anbietern, auch eine investierende Rolle für die Basisinfrastruktur zu. Die IHK rät den Kommunen dazu, im Rahmen der kommunalen Planungshoheit dringend darauf zu achten, dass bei Neuausweisungen von Baugebieten bei der Erschließung Glasfaser im Betriebsmodell Open Access gelegt wird.
  • Es ist zunehmend Konsens, dass flächendeckend verfügbare, leistungsfähige Breitbandverbindungen unabdingbar für den Austausch, der in vielen unternehmerischen Anwendungsszenarien erforderlichen Verarbeitung großer Datenmengen und die daraus abgeleitete Wertschöpfung durch digitale Geschäftsmodelle, sind. Die IHK regt an, beim Breitbandausbau die politisch induzierten Planungs- und Ausbauschritte nicht rein unter Kostengesichtspunkten, sondern vor dem Hintergrund des volkswirtschaftlichen Potenzials neuer digitaler Geschäftsmodelle und -tätigkeiten für den gesamten europäischen Binnenmarkt zu bewerten. Unter dieser Prämisse käme der Qualitätsaspekt der aufzubauenden digitalen Infrastruktur anstelle einer kostenoptimierten Betrachtungsweise bei den übergeordneten Ausbauplanungen und der Konzeption von Finanzierungsmodellen zum tragen. Die stark exportorientierte Wirtschaft in der Region Stuttgart benötigt als Anbieter digitaler Dienstleistungen und Produkte nicht nur eine dauerhaft leistungsfähige Breitbandinfrastruktur vor Ort, sondern ist davon abhängig, dass potenzielle Kunden in ganz Europa eine ebenso leistungsfähige digitale Infrastruktur besitzen, um die digitalen Angebote überhaupt einsetzen zu können.
  • Die IHK plädiert dafür, die regulatorischen Rahmenbedingungen beim Breitbandausbau so zu setzen, dass die Auswahl und die Umsetzungsart der eingesetzten Technologie im Sinne einer längerfristigen und maximalen Wettbewerbsfähigkeit, bezogen auf die Diensteanbieter und auf die anwendenden Unternehmer als Kunden, erfolgt. Dadurch soll verhindert werden, dass durch Wahl kostengünstigerer oder technisch einfacheren Ausbauarten es zu einer mittelfristigen Einschränkung der Gestaltung möglicher Vorprodukte, Regulierungs- und Wettbewerbsoptionen kommt. Beispielhaft verhindert die Verlegung einer zu geringen Zahl an Fasern rein kapazitätsmäßig eine spätere Vermietung an Wettbewerber, wohingegen der Aufbau einer vereinfachten Netz-Topologie zu einer Limitierung der zukünftigen Nutzungsoptionen führt.


Hintergrund:

Die Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsbereiches seit 1996 hat zu einem regen Wettbewerb geführt, die Marktöffnung gilt als gelungen. Die massive Digitalisierung der Industrie und aller Dienstleistungsangebote (Industrie 4.0, Onlinehandel, mobile Lösungen), verbunden mit exponentiell wachsenden Datenvolumina, erfordert nun ein entsprechend leistungsfähiges Datennetz. Die EU Kommission hat für 2025 das Ziel der Gigabit Gesellschaft ausgegeben. Deutschland ist hier gegenüber anderen starken Wirtschaftsnationen zurückgefallen, zudem findet sich die Region Stuttgart selbst im Vergleich zu anderen europäischen Metropolregionen nicht auf dem gleichen Niveau. Nach aktuellem Wissen ist die Glasfaser die beste Technologie für ein leistungsfähiges Datennetz. Der Ausbau des Glasfasernetzes kommt jedoch nur schleppend voran. Die beschränkten Datenraten, die mit der heute eingesetzten herkömmlichen, auch optimierten, Technologie im Festnetz erreicht werden, sind für Wirtschaftsunternehmen bereits heute nicht oder bestenfalls nur mittelfristig ausreichend, was dazu führt, dass Innovationskraft, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie die Optionen zu mobilem Arbeiten leiden oder gänzlich verhindert werden. Gleiches gilt auch in Bezug zu zukunftsorientierten Mobilfunkstandards.
Insbesondere für die Region Stuttgart mit einem hohen Unternehmensanteil an Technologie- und Hightech-Unternehmen stellt dies ein gravierender Standortnachteil dar, da bei den Unternehmen die Innovationsfähigkeit gegeben ist neuartige, digitale Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Realisierung derselben durch die mangelhafte digitale Infrastruktur verhindert wird. Die Gefahr besteht, dass hierdurch die Innovationsfähigkeit der gesamten Region in Mitleidenschaft gezogen und der Trend zur Verlagerung von FuE-Tätigkeiten in andere Regionen oder Länder verstärkt wird.