Binnenmarkt: Europas Herzstück verwirklichen, offene Grenzen bewahren
- Binnenmarkt: Europas Herzstück verwirklichen, offene Grenzen bewahren
- Offene Grenzen wahren; Unvermeidliche Einschränkungen des Binnenmarktes vermeiden, verlässliche Krisenmechanismen entwickeln
- Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards für einen Dienstleistungs- und Warenverkehr ohne Beschränkungen vorantreiben
- Die digitale Verknüpfung von Verwaltungsverfahren vorantreiben
- Effektiver Investitionsschutz stärkt den Binnenmarkt und nutzt der Nachhaltigkeit
Binnenmarkt: Europas Herzstück verwirklichen, offene Grenzen bewahren
Der Europäische Binnenmarkt ist Herzstück und Antrieb Europas. Er fördert Zusammenhalt und Wohlstand im Inneren der EU und stärkt ihre Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit nach außen. Ihn zu verwirklichen muss daher weiter das primäre Ziel der EU bleiben – auch und gerade in Krisenzeiten, in denen wichtige Errungenschaften auf dem Weg zum EU-Binnenmarkt wieder in Frage gestellt werden.
Folgende Leitlinien müssen das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
- Offene Grenzen wahren; Einschränkungen des Binnenmarktes vermeiden, verlässliche Krisenmechanismen entwickeln – das Subsidiaritätsprinzip stärken.
- Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards für einen Dienstleistungs- und Warenverkehr ohne Beschränkungen vorantreiben.
- Die digitale Verknüpfung von Verwaltungsverfahren vorantreiben.
- Effektiver Investitionsschutz stärkt den Binnenmarkt und nutzt der Nachhaltigkeit.
Offene Grenzen wahren; Unvermeidliche Einschränkungen des Binnenmarktes vermeiden, verlässliche Krisenmechanismen entwickeln
Offene Grenzen innerhalb der Europäischen Union bleiben wichtigste Voraussetzung für die Vollendung des Binnenmarkts. Ausnahmsweise notwendige Grenzkontrollen im Schengen-Raum sollten den grenzüberschreitenden Verkehr von Unternehmen möglichst wenig einschränken. Gemeinsames Ziel von Union und Mitgliedstaaten sollte es sein, Diskriminierungen und Beschränkungen für den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr abzubauen. Die hierfür eingesetzte Single Market Enforcement Taskforce (SMET) sollte ergebnisorientiert, transparent und unter Einbindung von Stakeholdern arbeiten.
Die EU ist eine Rechtsunion – der Binnenmarkt kann sich ebenfalls nur durch klare rechtliche Maßgaben entfalten. Die Überfrachtung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten mit gesellschaftlichen Zielen wird ganz überwiegend sehr kritisch gesehen, denn auch die bedeutsamen und unstrittigen politischen Ziele der Union gehen der Verwirklichung des Binnenmarkes nicht automatisch vor, sondern sind mit diesen zum Ausgleich zu bringen.
Der Binnenmarkt wird auch durch Harmonisierungsmaßnahmen verwirklicht. Harmonisierung ist aber kein Selbstzweck: Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten alleine begründen keine Eingriffe in die ausgewogenen nationalen Rechts- und Wirtschaftssysteme, sondern sind auf die streng erforderlichen Maßnahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes zu beschränken, insbesondere sind Vorgaben für rein nationale Sachverhalte auch indirekt zu vermeiden: das Subsidiaritätsprinzip bindet die EU und muss mehr Beachtung finden (vgl. Position Besseres Recht).
Wirtschaftskrisen können die Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Weise treffen und unter Umständen Maßnahmen erfordern, die für die Verwirklichung des Binnenmarktes einen Rückschritt bedeuten (Bsp.: Ausnahmsweise erlaubter Eingriff Spaniens und Portugals in den Strommarkt in Form der Gaspreisdeckelung als Reaktion auf die erhebliche Gaspreissteigerung durch den Russland-Ukraine-Krieg). Solche den Binnenmarkt einschränkenden Maßnahmen sollten nur als ultima ratio und ausschließlich zeitlich befristet erfolgen dürfen.
Ein Single Market Emergency Instrument kann die Lehren und erfolgreichen Lösungsansätze aus der Pandemiezeit in permanente Mechanismen überführen, die bei neuen Krisen kurzfristig helfen können. Grundsätzlich sollte gelten, dass ein solcher Krisenmechanismus nur in absoluten, klar zu definierenden Krisenfällen aktiviert wird. Ein präventives Monitoring von Wertschöpfungsketten sollte aufgrund des damit für die Unternehmen verbundenen zusätzlichen Aufwandes auf wenige, strategisch besonders wichtige Produkte begrenzt und die Anforderungen an die Daten der Unternehmen möglichst eng definiert und einfach zu erfassen sein. Soweit möglich, sollte dabei auf Freiwilligkeit der Unternehmen gesetzt werden. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist in jedem Fall sicherzustellen.
Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards für einen Dienstleistungs- und Warenverkehr ohne Beschränkungen vorantreiben
Der wachsende Umfang an Anzeige-, Melde-, Statistik- und Nachweispflichten kann den Warenverkehr stark einschränken und ist daher möglichst gering zu halten (s. auch à EuPos22, EU-Wirtschaftsrecht). Vorgaben für Dienstleistungserbringer, z. B. in Bezug auf Sprachkenntnisse, sollten reduziert werden, sofern sie nicht aus wichtigen Gründen gerechtfertigt sind. Bürokratische Anforderungen bei der Arbeitnehmerentsendung sind abzubauen.
Zur Förderung des freien Warenverkehrs sollten technische Standards möglichst EU-weit harmonisiert werden, sofern dies noch nicht der Fall ist. Informationen und Verwaltungsverfahren sind online zur Verfügung zu stellen.
Die digitale Verknüpfung von Verwaltungsverfahren vorantreiben
Der Einheitliche Ansprechpartner (EA) sollte europaweit einheitlich ausgestaltet und beworben werden; Verfahren müssen vereinfacht werden. Außerdem muss er rechtlich so ausgestattet sein, dass er alle gründungsrelevanten Prozesse anstoßen und begleiten kann. Der EA sollte ferner die Gewerbeanmeldung durchführen können. Das Single Digital Gateway ist ein guter Anfang, wobei sein Nutzen von der Mitarbeit der Mitgliedstaaten abhängt. In der Zukunft sollten möglichst alle Verwaltungsverfahren, die beim grenzüberschreitenden Wirtschaften relevant sind, online durchgeführt werden können, um so Aufwand und Bürokratiekosten zu reduzieren. Auch für die Arbeitnehmerentsendung sollten einheitliche Meldeportale zu Verfügung stehen, die auch auf Englisch ausgefüllt werden können; sie könnten auch digitale Verfahren zur Überprüfung von Mindestlöhnen und Arbeitsbedingungen im jeweiligen Einsatzland vorsehen. Wichtig ist zudem ein Ansprechpartner im Heimatland, der bei der Dienstleistungserbringung im Ausland unterstützt. Neben digitalen Lösungen sollte überdies möglichst auch eine schriftliche, telefonische oder persönliche Verfahrensabwicklung zur Verfügung stehen.
Effektiver Investitionsschutz stärkt den Binnenmarkt und nutzt der Nachhaltigkeit
Der Binnenmarkt gilt durch die abschließende Rechtskontrolle durch den Europäischen Gerichtshof als vollständig. Dennoch sind einzelne Unternehmen durch Eingriffe entgegen vorherigen staatlichen Zusicherungen in konkreten Rechtsstellungen betroffen - ohne hinreichenden nationalen Rechtsschutz. Dies betrifft besonders die Rechtssicherheit von Investitionen in innovative, langfristige mit hohen Risiken behaftete Projekte, z. B. auch bei regenerativen Energien. Die erzwungene Beendigung der innereuropäischen Investitionsschutzverträge droht zu einer Investitionszurückhaltung auch in für den green deal zentralen Projekten zu führen. Die EU sollte rasch alternative - und auch für KMU nutzbare - Schutzmechanismen schaffen und Investitionsschutz allgemein wieder als effektives Instrument der Investitionsförderung im Binnenmarkt wie auch international anerkennen. Dazu gehört es, Schiedsverfahren auch im Investitionsschutz als Teil der für Unternehmen notwendigen Rechtssicherheit anzuerkennen.