Wirtschaftspolitische Position der IHK Region Stuttgart

Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen-Ulm realisieren

Die Vollversammlung der IHK Region Stuttgart hat sich in ihrer Sitzung am 4. Juli 2013 und am 18. Februar 2014 erneut mehrheitlich hinter das Projekt Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestellt und die folgende Position beschlossen*:
Stuttgart 21 konstruktiv begleiten
Wie es ist:
Die politische Debatte über den Fortgang des Projekts Stuttgart 21 war in den letzten Jahren vor allem durch vier Ereignisse und Erkenntnisse geprägt:
2010 wurde die Sach- und Faktenschlichtung mit den Empfehlungen des Schlichters Dr. Heiner Geißler für ein verbessertes „Stuttgart 21 Plus“ beendet. Die IHK-Vollversammlung unterstützte diese Modifikationen.
2011 ließ die Landesregierung die Bevölkerung über ihren Gesetzesentwurf zur Rücknahme der Landesbeteiligung an der Projektfinanzierung von Stuttgart 21 abstimmen. Mit fast 60 Prozent der gültigen Stimmen votierte eine deutliche Mehrheit für die Beibehaltung der Landesfinanzierung.
2012 wurde auf Einladung der Projektpartner mit dem Filder-Dialog S21 eine Bürgerbeteiligung zum Filderbereich und zur Flughafenanbindung durchgeführt. Zwar sprachen sich die Dialogteilnehmer mehrheitlich dafür aus, die Gäubahn auch künftig über die Bestandsstrecke in den Hauptbahnhof zu führen. Die Projektpartner kamen aber überein, diese Empfehlung nicht weiter zu verfolgen. Damit verblieb es bei dem Direktanschluss der Gäubahn an den Flughafen. Jedoch sollten Anregungen aus dem Dialog zur Verbesserung der Planungen („Filderbahnhof Plus“) aufgegriffen werden.
2012/2013 räumte die DB AG erhebliche Steigerungen von Kosten und Risiken auf gegenüber dem Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro aus der Finanzierungsvereinbarung ein. Der Bahnaufsichtsrat stimmte im März 2013 einem erweiterten Finanzierungsrahmen von 6,5 Milliarden Euro zu und ermöglichte damit den Weiterbau des Projekts. Der „Filderbahnhof Plus“ ist in diesem Finanzierungsrahmen nicht enthalten. Für ihn ist derzeit keine Finanzierungslösung absehbar.
Forderungen:
  • Nach den Verzögerungen der Bauarbeiten für Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Richtung Ulm muss das Projekt nach der Entscheidung des Bahnaufsichtsrats zur Erweiterung des Kostenrahmens nun rasch umgesetzt werden. Weitere Zeitverzögerungen bergen unnötige und vermeidbare Kostenrisiken. Eine Alternative zu Stuttgart 21, die vergleichbare verkehrliche und städtebauliche Potenziale böte und in absehbarer Zeit zu realisieren wäre, gibt es nicht. Zudem würde dafür jegliche Finanzierungsbasis fehlen. Eine zügige Realisierung ist auch für das S-Bahn-Verkehrsangebot in der Region von großer Bedeutung. Die Verkehrsprognose des Verbands Region Stuttgart für das Jahr 2025 kommt zu dem Ergebnis, dass Stuttgart 21 insbesondere die hochbelastete S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße als Nadelöhr des Systems deutlich entlaste und somit eine Chance für den weiteren Ausbau des S-Bahn-Systems darstelle.
  • Die Projektpartner EU, Bund, DB AG, Land Baden-Württemberg, Landeshauptstadt Stuttgart und Verband Region Stuttgart sind dringend aufgefordert, bei der Realisierung an einem Strang zu ziehen und konstruktiv zusammenzuwirken. Wichtig ist eine offene Kommunikation. Erfolge und Misserfolge müssen transparent gemacht werden.
  • Da Großprojekte politische Verlässlichkeit brauchen, darf der Wunsch der Bürger Baden-Württembergs, Stuttgart 21 zu realisieren, im Grundsatz nicht mehr infrage gestellt werden. Das Votum der Bürger in der Volksabstimmung vom 27. November 2011 war eindeutig. Kein anderes Infrastrukturgroßprojekt in Deutschland kann eine vergleichbare unmittelbare Legitimation vorweisen.
  • Die Volksabstimmung bezog sich auf die Landesbeteiligung von 930,6 Millionen Euro. Sowohl die von der DB AG zu verantwortenden, als auch die übrigen Mehrkosten und Risiken waren zum Zeitpunkt der Volksabstimmung nicht bekannt. Eine zusätzliche Beteiligung des Landes ist daher nicht von dem Bürgervotum gedeckt. Die Mehrkosten und Risiken sollten daher insbesondere von denen getragen werden, die sie zu verantworten haben. Für notwendige, aber nicht budgetierte Leistungen und nicht realisierbare Einsparpotenziale ist dies die DB AG als Verantwortliche für die Fehlkalkulationen.
  • Für die Ergebnisse aus dem Filderdialog gilt, dass die Bürger auf Wunsch der Landesregierung und mit Zustimmung aller Projektpartner über Verbesserungen und Alternativen zur Antragstrasse berieten und Vorschläge unterbreiteten. Es wäre kein gutes Signal für mehr Bürgerbeteiligung, wenn nunmehr das Ergebnis des Dialogs nicht umgesetzt würde. Vor allem das Land sollte sich gegenüber seinen Bürgern in der Pflicht sehen, doch noch eine Einigung mit den anderen Projektpartnern herbeizuführen.
  • Die Ergebnisse der Schlichtung müssen bei der weiteren Realisierung berücksichtigt werden. Dies sind unter anderem
    • die Möglichkeit der Abwicklung eines Fahrplans mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität,
    • die Implementierung eines funktionierenden Notfallkonzepts für den Fall einer Sperrung des S-Bahn-Tunnels oder des Fildertunnels,
    • eine hohe Verkehrssicherheit im Bahnhof selbst,
    • die Berücksichtigung der Vorschläge der Stuttgarter Feuerwehr bei den Maßnahmen zum Brandschutz und zur Entrauchung,
    • die Erhaltung der Gäubahn aus landschaftlichen, ökologischen und verkehrlichen Gesichtspunkten und ihre leistungsfähige Anbindung an den Tiefbahnhof.

*Für und Wider des Projektes wurden auf der Vollversammlung am 4. Juli 2013 und am 18. Februar 2014 ausführlich diskutiert. Im Kreis der Mitgliedsunternehmen der IHK gibt es auch gegenteilige Positionen.