IHK-Pressemitteilung vom 02.10.2017

Land geht in Sprungrevision: Wirtschaft befürchtet Fahrverbote

Maßnahmenpaket des Landes lässt Güterverkehr außen vor
„Die Entscheidung der Landesregierung, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart auf dem Wege der Sprungrevision vom Bundesverwaltungsgericht überprüfen zu lassen, lässt die Besorgnis vieler Unternehmen vor Fahrverboten wieder aufflammen“, sagt Marion Oker, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Aus Sicht der Kammer dürfte bei der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht die Bewertung der Verhältnismäßigkeit eines ganzjährigen flächendeckenden Verkehrsverbotes in der Umweltzone Stuttgart eine wesentliche Rolle spielen. Auch dürfte es um die Frage gehen, ob ein Einfahrverbot für Dieselfahrzeuge auch ohne die Einführung einer „blauen Plakette“ zulässig wäre. Mit dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil stünden dann die Rahmenbedingungen für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans endgültig fest. Die Ausgestaltung im Detail werde aber erneut das Regierungspräsidium Stuttgart vornehmen. Damit bleibt laut IHK zunächst die Unsicherheit bestehen, ob Fahrverbote unvermeidlich sind oder nicht. Die Besorgnis von beispielsweise vielen Handelsunternehmen in der Stuttgarter Innenstadt, es könne nun doch bald zu Fahrverboten und einem damit verbundenen Rückgang der Kundenfrequenz kommen, ist dadurch nicht ausgeräumt. Für den Fall von Fahrverboten plädiert die IHK für Lösungen für den Wirtschaftsverkehr, um die Innenstadt funktionsfähig zu halten. Dafür werden nach Ansicht der IHK Ausnahmeregelungen erforderlich sein.
Ergänzend zu der Entscheidung hat das Verkehrsministerium ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Luftqualität vorgelegt, das aus Sicht der IHK viele positive Maßnahmenvorschläge enthält. So empfiehlt die IHK seit Jahren, Schnellbus- oder BRT-Linien (Bus-Rapid-Transport-Linien) zur Ergänzung des Schienennahverkehrsangebots zu prüfen. Allerdings lässt das Maßnahmenpaket offen, wie schnell die Realisierung erfolgen kann. Das gilt beispielsweise für die Anschaffung neuer Stadtbahnfahrzeuge. Die IHK hofft, dass sich gerade diese Ausweitung des ÖPNV-Angebots zeitnah realisieren lässt.
Bedauerlich ist es aus Sicht der IHK, dass das Maßnahmenpaket fast ausschließlich auf den Personenverkehr abhebt und die Inangriffnahme von Innovationen für den Güterverkehr nur ganz am Rande erwähnt. Die IHK hat sich immer wieder dafür stark gemacht, hier nicht nur einseitig zu agieren. Zusammen mit dem Verkehrsministerium und der Landeshauptstadt sei man sich einig, innovative Belieferungskonzepte voranbringen zu wollen. Jetzt greife das Maßnahmenpaket das Thema noch nicht einmal auf. Oker: „Da die Vorschläge praktikabel sind und schon lange auf dem Tisch liegen, hätten wir uns für die Innenstadtlogistik Sofortmaßnahmen gewünscht.“
Positiv ist laut Kammer, dass sich das Land nunmehr bereit zeigt, einen deutlichen finanziellen Beitrag zu einer Verbesserung der Umweltsituation in Stuttgart zu leisten. „Aufgrund des begrenzten Volumens des Fonds Nachhaltige Mobilität von einer Milliarde Euro für Deutschland insgesamt und der Anzahl der Kommunen, die Teile dieser Summe abrufen wollen, wird der überwiegende Teil des Finanzbedarfs aus dem Landeshaushalt bestritten werden müssen“, sagt Oker.
Hintergrund: Nach dem Willen der Landesregierung wird das oberste deutsche Verwaltungsgericht als nächste und gleichzeitig letzte Instanz über die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Baden-Württemberg entscheiden. Die Entscheidung wird somit nicht mehr umfassend, also in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, sondern nur noch in Rechtsfragen überprüft. Geklärt werden dadurch grundsätzliche Rechtsfragen der Anwendung des Luftreinhalterechts, die über den konkreten Fall hinaus von allgemeiner Bedeutung sind.