Die Lage an den Energie- und Gasmärkten hat sich in den vergangenen Monaten deutlich entspannt. Die Zusage zum Strompreisdeckel hat bei den meisten Unternehmen zumindest für mehr Planungssicherheit gesorgt, weshalb der Lageindikator nach dem starken Abschwung im Herbst 2022 sich zum Jahresbeginn 2023 bei 30 Punkten gefangen hat. Die Anspannungen sind zwar vergangen, allerdings fehlt der Wirtschaft der nötige Schwung. So knickt der Lageindikator im Frühsommer um 2 Punkte auf 28 Punkte ein. 41 Prozent der Unternehmen bewertet die Geschäftslage als gut, 13 Prozent als schlecht. Strukturelle Herausforderungen wie der Fachkräftemangel, die Energiesicherheit oder anstehende Transformationsprozesse hemmen die Geschäftserwartungen. Der Indikator für die Geschäftserwartungen bleibt unverändert bei 4 Punkten stehen. Fast jedes vierte Unternehmen erwartet bessere Geschäfte in den kommenden 12 Monaten. Jedes fünfte Unternehmen erwartet schlechtere Geschäfte.
Obwohl die Preise für Energie sich wieder auf dem Vorkriegsniveau eingependelt haben, befinden sich die Energiekosten auf einem höheren Niveau als in den Jahren zuvor. Mit 65 Prozent Nennungen ist es bei den Industrieunternehmen in Baden-Württemberg das Toprisiko. Allerdings wird der Fachkräftemangel inzwischen genauso oft als Geschäftsrisiko genannt. Die Kombination aus Fachkräftemangel und Inflation übt Druck auf Löhne und Gehälter aus, weshalb Arbeitskosten in der Industrie immer öfter als ein Geschäftsrisiko genannt wird. Vor der Corona-Pandemie, bei der Herbstumfrage 2019, sahen 43 Prozent der Unternehmen die Arbeitskosten als ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung – in der Frühsommerumfrage 2023 sind es inzwischen 58 Prozent. Ein weiterer Kostenfaktor bei den Unternehmen bleiben auch die Rohstoffkosten mit 53 Prozent der Nennungen, obwohl sich die Lage im Vergleich zum Herbst 2021 deutlich entspannt hat. Im Zuge der Lieferkettenproblematik, die während der Corona-Pandemie sehr präsent war, wurde bei der Frühsommerumfrage 2023 Lieferketten/Lieferengpässe als weitere Antwortoption in die Umfrage aufgenommen. 37 Prozent der Unternehmen sehen derzeit ein Risiko bei den Lieferketten.
Die gedämpften Erwartungen der Industrieunternehmen für die künftige Entwicklung resultieren aus der sinkenden Tendenz im Auftragseingang. Vor allem bei Produzenten von Konsum- und Vorleistungsgütern nimmt die Auftragstendenz ab. Der Indikator “Tendenz im Auftragseingang” bei den Konsumgüterproduzenten sinkt im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 von –9 Punkten auf –19 Punkte weiter ab. Bei den Vorleistungsgüterproduzenten sinkt der Indikator um 14 Punkte auf –26 Punkte ab. Auch bei den Investitionsgüterproduzenten ist der Auftragseingang mit -2 Punkten im negativen Bereich (Jahresbeginn 2023: +1 Punkt).
Auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist deutlich gedämpfter - der Indikator liegt mit circa 10 Punkten unter dem 10-jährigen Durchschnitt. Circa 43 Prozent der Unternehmen planen in Zukunft mehr im Inland zu investieren, 24 Prozent werden weniger investieren. Wenn investiert wird, dann zunehmend in Digitalisierung, sowie Umweltschutz und Energieeffizienz.
Innerhalb der Industrie entwickeln sich die einzelnen Branchen recht unterschiedlich. Jedes zweite Unternehmen des Maschinenbaus befindet sich in einer guten wirtschaftlichen Lage. Beim Fahrzeugbau und den Fahrzeugzulieferern ist es jedes dritte Unternehmen. Im Gegensatz zu den anderen Industriebranchen meldet der Fahrzeugbau eine positive Tendenz im Auftragseingang. Besonders der Auftragseingang aus dem Ausland wird bei jedem vierten Unternehmen des Fahrzeugbaus als steigend bewertet. Die Geschäftserwartungen sind vergleichsweise positiv – der Indikator klettert von 14 Punkte auf 20 Punkte an. Auch die Unternehmen in der Elektrotechnik befinden sich dank der weltweiten hohen Nachfrage nach Elektronikgütern in einer guten wirtschaftlichen Situation. Auch hier bewertet mehr als jedes zweite Unternehmen die aktuelle Geschäftslage als gut. Allerdings meldet auch die Elektronikbranche einen Rückgang im Auftragseingang. Die Metallindustrie, die aufgrund ihrer energieintensiven Produktion in den vergangenen Monaten stark unter den hohen Energiepreisen litt, konnte die Geschäftslage im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 leicht verbessern. Der Indikator steigt von 25 Punkten auf 27 Punkte im Frühsommer 2023 an.
Die schwächelnde Weltkonjunktur und die sinkende Tendenz im Auftragseingang aus dem Ausland wirken sich negativ auf die Exporterwartungen aus. Der Indikator sinkt leicht von 13 Punkten auf 11 Punkte ab. In nahezu allen Zielregionen, bis auf den asiatischen Raum, sinken die Exporterwartungen. Der Rückgang in der Eurozone und in Nordamerika ist der Inflation und den Zinsentwicklungen geschuldet. Die Ankündigung des Inflation Reduction Act hatte zum Jahresbeginn 2023 zunächst dazu geführt, dass die Exporterwartungen bei den Industrieunternehmen gestiegen sind. Allerdings hat die amerikanische Zentralbank, genauso wie die europäische Zentralbank, in mehreren Schritten die Zinsen wegen steigender Inflation erhöht. Das wirkt sich dämpfend auf die Konjunktur aus. Die Exporterwartungen nach Asien haben sich im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 als einzige Zielregion positiv entwickelt. Der Indikator steigt von 9 Punkten auf 17 Punkte an. Besonders der Fahrzeugbau/Zulieferer des Fahrzeugbaus haben nach einer langen Durststrecke, wegen der Corona-Pandemie, deutlich positivere Exporterwartungen nach Asien im Vergleich zum Jahresbeginn 2023.