Industrie, Jahresbeginn 2025

Kein Weg aus der Krise?

Die Industrieunternehmen in Baden-Württemberg stecken in einer Rezession fest. Einen Ausweg aus der Krise finden sie nur, wenn sie die konjunkturellen und vor allem strukturellen Probleme überwinden. Die Kaufzurückhaltung der Haushalte führt zu einer allgemein geringen Nachfrage nach Gütern. Die Inlandsnachfrage schwächelt angesichts der allgemeinen Preissteigerungen und der langsamen Anpassung der Reallöhne. Etwa 76 Prozent der Unternehmen sehen den Inlandsabsatz als Geschäftsrisiko. Auch die Exportwirtschaft kommt derzeit nicht in Schwung, obwohl sie in der Vergangenheit oft für den nötigen konjunkturellen Aufschwung gesorgt hat. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs und Protektionismus sind die Hoffnungen derzeit gedämpft. Die baden-württembergischen Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, wettbewerbsfähig im Inland zu produzieren. Übermäßige Bürokratie, hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und hohe Arbeitskosten erschweren es den Unternehmen, am globalen Markt mitzuhalten. Seitens der Politik wurden bisher noch nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen, um den Standort Baden-Württemberg und Deutschland insgesamt wieder attraktiver zu machen.
Der Indikator der aktuellen Geschäftslage bleibt ungefähr auf dem Niveau des Herbstes 2024. Etwa 20 Prozent der Industrieunternehmen bewerten die aktuelle wirtschaftliche Lage als gut, während rund 32 Prozent sie als schlecht einschätzen. Im Saldo ergibt sich eine Seitwärtsbewegung zu –11 Punkten. Auch die Geschäftserwartungen für die kommenden 12 Monate bleiben trotz einer leichten Verbesserung mit –14 Punkten im negativen Bereich. Nur 12 Prozent der Unternehmen erwarten bessere Geschäfte, während 21 Prozent von einer Verschlechterung ausgehen.
Seit mehr als zwei Jahren leeren sich die Auftragsbücher der Unternehmen. Der Indikator des Auftragseingangs war zuletzt im Frühsommer 2022 im Plus. Derzeit liegt der Indikator bei –24 Punkten. 14 Prozent der Unternehmen verzeichnen steigende Auftragseingänge, während 38 Prozent einen Rückgang melden. Der Inlandsabsatz bleibt damit das größte Risiko der Branche – etwa 76 Prozent der Unternehmen sehen dies als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Die lange Phase der geringen Nachfrage führt auch zu einer deutlich reduzierten Produktion. Die Kapazitätsauslastung liegt aktuell durchschnittlich bei 76 Prozent, das sind 7 Prozentpunkte unter dem 10-Jahres-Durchschnitt. An zweiter und dritter Stelle der Risiken stehen Arbeitskosten (63 Prozent) und Energiepreise (57 Prozent). Letzteres wurde zum Jahresbeginn wieder häufiger genannt im Vergleich zum Frühsommer und Herbst. Grund dafür war eine Dunkelflaute im November, die zu höheren Preisen an den Strommärkten führte. Auch sonst sind die aktuellen Energiekosten im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig und mindern die Standortattraktivität.
Auch die aktuelle Wirtschaftspolitik wird von den Unternehmen zunehmend kritisiert, mit 46 Prozent der Nennungen. In den Freitextantworten werden oft lahmende Bürokratie und eine unzuverlässige Förderungspolitik genannt.
Schwache Nachfrage, unattraktive Standortfaktoren und ein nicht zielgerichteter Führungsstil in der Wirtschaftspolitik tragen dazu bei, dass die Industrieunternehmen immer weniger im Inland investieren. Nur etwa 20 Prozent der Unternehmen planen in den kommenden 12 Monaten höhere Investitionen, während 41 Prozent geringere Inlandsinvestitionen vorsehen. Dies ist besonders bedenklich, da im Ausland weiterhin investiert wird. Aus den Sonderfragen zu den Auslandsinvestitionen zeigt sich, dass 30 Prozent der im Ausland investierenden Unternehmen planen, Investitionen im Inland zugunsten des Auslandes zurückzustellen.
Auch bei den Beschäftigungsplänen herrscht weiterhin Zurückhaltung. Etwa 37 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden 12 Monaten einen Rückgang der Beschäftigung. Wegen der schwachen Konjunktur rückt auch das Problem des Fachkräftemangels nach langer Zeit erstmals in den Hintergrund. Nur etwa 35 Prozent der Unternehmen sehen hierin ein Risiko.
Die Standortattraktivität hinsichtlich der Energie- und Arbeitskosten betrifft vor allem energieintensive Industrien wie die Metallindustrie. Seit der Energiekrise 2022 kämpfen die Unternehmen mit hohen Energiekosten, die zwar wieder auf Vor-Corona-Niveau gesunken sind, aber im internationalen Wettbewerb immer noch zu hoch liegen. Die Anzahl der Nennungen der Energiekosten als Risiko hat im Vergleich zum Herbst 2024 um etwa 6 Prozentpunkte zugenommen – etwa 63 Prozent der Metallbetriebe sehen hierin ein Geschäftsrisiko. Auch die Arbeitskosten werden mit 77 Prozent etwas häufiger genannt. Eine weiterhin schlechte Auftragslage führt dazu, dass 45 Prozent der Unternehmen die Ertragslage als schlecht bewerten, das sind 2 Prozentpunkte mehr als im Herbst.
Die Papierindustrie, ebenfalls stark energieintensiv, befindet sich in einer ähnlichen Lage wie das Metallgewerbe. Der Inlandsabsatz bricht weiter ein. 38 Prozent der Unternehmen melden einen Rückgang beim Auftragseingang, das sind 4 Prozentpunkte mehr als im Herbst. Auch das Risiko des Inlandsabsatzes wird von 81 Prozent der Unternehmen genannt, im Herbst waren es 74 Prozent. Arbeits- (64 Prozent) und Energiekosten (63 Prozent) werden ebenfalls häufiger als Geschäftsrisiko genannt.
Der Fahrzeugbau sieht sich ebenfalls mehreren Herausforderungen konfrontiert. Mitten im Transformationsprozess wird der Wettbewerb auf dem internationalen Markt herausfordernder. Auch im Inland werden aktuell weniger Neufahrzeuge nachgefragt, vor allem das Geschäft der E-Fahrzeuge ist im Jahr 2024 eingebrochen. Der Inlandsabsatz wird von 87 Prozent der Unternehmen des Fahrzeugbaus als Geschäftsrisiko gesehen, und auch der Auslandsabsatz wird mit 72 Prozent relativ häufig genannt, wobei es im Herbst noch 82 Prozent waren. Der Auftragseingang wird von 41 Prozent der Unternehmen als fallend wahrgenommen, nur 3 Prozent verzeichnen einen steigenden Auftragseingang, im Herbst waren es noch 15 Prozent. Ein allgemeiner Kostendruck belastet die Ertragslage, und jedes dritte Unternehmen bewertet diese als schlecht.
Bei den Unternehmen der Elektrotechnik geht es wieder etwas bergauf. Der Lageindikator steigt von –7 Punkten im Herbst auf –4 Punkte zu Beginn des Jahres 2025. Die Auftragsflaute scheint sich etwas erholt zu haben. 22 Prozent der Unternehmen melden steigende Aufträge, im Herbst waren es nur 11 Prozent. Auch das Risiko des Inlands- und Auslandsabsatzes wird im Vergleich zu anderen Industriebranchen mit 70 Prozent und 49 Prozent weniger häufig genannt, stellt jedoch weiterhin eine Herausforderung dar. Es herrscht leichter Optimismus. Fast jedes vierte Unternehmen erwartet in den kommenden 12 Monaten bessere Geschäfte. Auch hier wirkt ein kleiner Nachfrageimpuls aus dem Ausland. Etwa 32 Prozent der Unternehmen erwarten ein besseres Auslandsgeschäft.
Im Gegensatz dazu spüren die Unternehmen des Maschinenbaus keine positiven Nachfrageimpulse aus dem Ausland. Der Indikator der erwarteten Auslandsumsätze sinkt von –7 Punkten auf –12 Punkte. Mehr als jedes dritte Unternehmen erwartet in den kommenden 12 Monaten schlechtere Geschäfte. Auch im Inland gibt es kaum neue Aufträge. 45 Prozent bemerken derzeit einen fallenden Auftragseingang aus dem Inland. Die Geschäftserwartungen trüben sich dementsprechend ein – der Indikator sinkt von –12 Punkten auf –19 Punkte.
Die kommenden 12 Monate werden für die Exportwirtschaft spannend. Mit der Wahl des neuen US-Präsidenten könnte ein neuer Handelskonflikt entstehen, wenn alle Androhungen von Zollanhebungen, auch gegen Deutschland und die Europäische Union, umgesetzt werden. Die Vereinigten Staaten sind für Baden-Württemberg eine der wichtigsten Exportregion. Die Exporterwartungen für Nordamerika sind für die kommenden 12 Monate mit 15 Punkten dennoch positiv. Auch das im Dezember abgeschlossene Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Ländern eröffnet neue Märkte und damit Exportchancen. Die Exporterwartungen in die EU und die Euro-Zone bleiben aufgrund der schlechten Konjunktur jedoch weiterhin trüb.