Industrie, Frühsommer 2025

Leichter Aufwind

Die Talfahrt der baden-württembergischen Industrie scheint vorerst gestoppt. Seit dem Herbst 2022 verzeichnet das verarbeitende Gewerbe einen deutlichen Rückgang bei den Auftragseingängen. Besonders stark betroffen ist die Exportwirtschaft – einst Garant für den Wohlstand im Land –, die nunmehr seit fast drei Jahren rückläufig ist. Die Unternehmen in Baden-Württemberg stehen unter erheblichem Wettbewerbsdruck, insbesondere durch Konkurrenzprodukte aus anderen Volkswirtschaften wie China. Hinzu kommen hohe Standortkosten, etwa für Arbeit und Energie, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich belasten. Erschwerend wirkt sich auch die unberechenbare Handelspolitik der Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump aus. Eine mögliche Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und der EU könnte gravierende Folgen für die regionale Wirtschaft haben.
Trotz dieser Herausforderungen hat sich die Geschäftslage der Unternehmen zuletzt nicht weiter verschlechtert. Derzeit bewerten rund 20 Prozent der Betriebe ihre Lage als gut – ein stabiler Wert im Vergleich zum Jahresbeginn. Etwa 28 Prozent beurteilen ihre Situation als schlecht, was einem Rückgang um fünf Prozentpunkte entspricht und somit eine leichte Verbesserung signalisiert.
Auch der Blick in die Zukunft fällt optimistischer aus: Rund 21 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden zwölf Monaten bessere Geschäfte, während nur noch 22 Prozent mit einer Verschlechterung rechnen – ein Rückgang um neun Prozentpunkte. Der Erwartungsindikator liegt damit bei –1 Punkt und bleibt zwar leicht negativ, zeigt jedoch eine spürbare Aufhellung der Stimmung.
Die größte Sorge der Industrie bleibt die schwache Inlandsnachfrage. Rund 70 Prozent der Unternehmen sehen hierin ein zentrales Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Seit Herbst 2022 berichten viele Betriebe von rückläufigen Auftragseingängen. Im Frühsommer zeigt sich jedoch eine leichte Erholung: Jedes fünfte Unternehmen meldet wieder steigende Aufträge. Diese Entwicklung wird durch Daten des Statistischen Landesamts gestützt, das im März 2025 einen Anstieg der Auftragseingänge um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete.
Besonders erfreulich ist die Entwicklung im Auslandsgeschäft. Die erratische Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten führte im ersten Quartal zu Vorzieheffekten bei den Herstellern: Der entsprechende Indikator verbesserte sich deutlich – von –21 auf –6 Punkte. Dennoch bleibt die Unsicherheit hoch: Angesichts der aktuellen handelspolitischen Spannungen sehen 48 Prozent der Unternehmen Risiken im Auslandsgeschäft. An dritter Stelle der genannten Risiken stehen geopolitische Spannungen, die von 55 Prozent der Betriebe als potenzielle Gefahr eingestuft werden – ein Anstieg, der mit den zunehmenden internationalen Konflikten in Zusammenhang steht.
Trotz positiver Impulse bleibt die Lage angespannt. Nach zwei Jahren mit schwacher Auftragslage ist die Produktion in Teilen der Industrie weiterhin stark eingeschränkt. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung liegt bei nur rund 77 Prozent – das sind acht Prozentpunkte weniger als der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
Neben der Inlandsnachfrage rücken auch die Standortkosten in den Fokus. Auf Platz zwei der meistgenannten Risiken stehen die Arbeitskosten: 58 Prozent der Unternehmen sehen hierin eine Belastung. Auch die Energiekosten bleiben ein bedeutender Risikofaktor – 47 Prozent der Betriebe bewerten sie als kritisch für ihre wirtschaftliche Entwicklung.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg bleiben von Unsicherheit geprägt. Die Mehrheit der Unternehmen blickt mit Skepsis auf die aktuelle Lage. Auch die neue Bundesregierungund ihre Vorhaben im Koalitionsvertrag sorgen bislang nicht für spürbaren Optimismus oder eine gesteigerte Investitionsbereitschaft.
Die geplanten Inlandsinvestitionen für die kommenden zwölf Monate bleiben verhalten. Der entsprechende Indikator verbessert sich nur leicht – von –21 auf –19 Punkte. Lediglich 19 Prozent der investierenden Unternehmen planen, ihre Investitionen zu erhöhen, während 38 Prozent eine Reduzierung vorsehen. Besonders auffällig: Das Investitionsmotiv „Kapazitätserweiterung/Expansion“ wird nur von 16 Prozent der Unternehmen genannt – rund 14 Prozentpunkte weniger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
Auch auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich Zurückhaltung. In vielen Industrieunternehmen herrscht Einstellungsstopp. Nur noch 8 Prozent der Betriebe erwarten in den kommenden zwölf Monaten einen Beschäftigungszuwachs. Demgegenüber rechnet mehr als jedes dritte Unternehmen mit einem Rückgang der Mitarbeiterzahlen.
In der Metallindustrie zeichnet sich eine vorsichtige Erholung ab. Die Abwärtsspirale, die seit Herbst 2022 anhielt, scheint vorerst gestoppt. Die Unternehmen beginnen, ihren Ertragsrückgang allmählich wieder auszugleichen. Der Indikator für den Auftragseingang verbessert sich deutlich – von –37 auf –17 Punkte. Auch die Produktion zieht langsam wieder an: Laut dem Statistischen Landesamt stieg die Produktion in der Metallverarbeitung im März 2025 im Vergleich zum Vormonat um rund 12 Prozent. Trotz dieser positiven Signale bleibt die Lage angespannt. Die schwache Inlandsnachfrage bleibt das am häufigsten genannte Geschäftsrisiko. Direkt dahinter folgen die hohen Energiekosten, die von etwa 57 Prozent der Unternehmen als erhebliches Risiko für den Standort und die Geschäftsentwicklung eingestuft werden.
Trotz rückläufiger Geschäftszahlen im Jahr 2024 und anhaltender Unsicherheiten im Handel mit den Vereinigten Staaten blickt der Fahrzeugbau wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Für die kommenden zwölf Monate erwartet rund jedes fünfte Unternehmen der Branche eine Verbesserung der Geschäftslage. Etwa 64 Prozent rechnen mit einer stabilen Entwicklung, während nur 12 Prozent eine Verschlechterung prognostizieren. Besonders die Auslandsnachfrage aus der Euro-Zone gibt Anlass zur Hoffnung: Rund 34 Prozent der Fahrzeugbauer melden eine steigende Tendenz bei den Auftragseingängen aus dem Ausland. Auch im Inland zeigt sich eine leichte Belebung – etwa 18 Prozent der Unternehmen berichten von einer Zunahme der Aufträge. Damit liegt der Indikator für den Auftragseingang erstmals seit Februar 2023 wieder im positiven Bereich. Auch die Risikoeinschätzungen haben sich deutlich entspannt. Der Inlandsabsatz wird nur noch von 51 Prozent der Unternehmen als Risiko genannt – ein deutlicher Rückgang gegenüber 87 Prozent zu Jahresbeginn 2025. Ähnlich verhält es sich beim Auslandsabsatz: Hier sank der Anteil der Nennungen von 72 auf 54 Prozent.
Ein weiterer Lichtblick in der baden-württembergischen Industrie kommt aus der Elektrotechnik. Die Branche zeigt eine spürbare Erholung: Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage steigt von –4 auf +6 Punkte. Rund 28 Prozent der Unternehmen berichten von einer guten Geschäftslage. Auch beim Auftragseingang gibt es positive Signale. Der entsprechende Indikator verbessert sich von –7 auf 0 Punkte. 31 Prozent der Unternehmen melden eine steigende Tendenz – ein Zuwachs von 9 Prozentpunkten gegenüber dem Jahresbeginn. Für eine nachhaltige Erholung ist jedoch eine stabile Nachfrage im In- und Ausland entscheidend. Derzeit sehen 71 Prozent der Unternehmen den Inlandsabsatz als Geschäftsrisiko, beim Auslandsabsatz sind es 59 Prozent. Diese Werte zeigen, dass trotz der positiven Entwicklungen weiterhin große Unsicherheiten bestehen.
Im Maschinenbau bleibt die wirtschaftliche Lage angespannt. Als einzige Industriebranche verzeichnet der Maschinenbau eine weitere Verschlechterung der Geschäftslage: Der entsprechende Indikator sinkt von –11 auf –14 Punkte. Nur noch 18 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle Lage als gut – ein Rückgang um 3 Prozentpunkte. Der Wettbewerbsdruck auf dem internationalen Markt bleibt hoch. Etwa 34 Prozent der Unternehmen berichten von einer rückläufigen Auftragstendenz im Ausland, im Inland sind es sogar 42 Prozent. Die schwache Nachfrage sowohl im In- als auch im Ausland bleibt damit das dominierende Risiko für die kommenden zwölf Monate.
Die Exportwirtschaft – traditionell ein Konjunkturmotor Baden-Württembergs – gerät ins Stocken. Hauptursache ist die unberechenbare und sich ständig ändernde Handelspolitik der Vereinigten Staaten. Anfang April kündigte Präsident Trump sogenannte „reziproke“ Zölle in Höhe von 20 Prozent auf EU-Waren an – Maßnahmen, die auch andere Länder betrafen und kurzfristig zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führten. Nur wenige Tage später folgte eine 90-tägige Aussetzung dieser Zölle.
Die Auswirkungen auf die baden-württembergische Wirtschaft sind erheblich. Jedes zweite exportierende Unternehmen rechnet mit rückläufigen US-Exporten in den kommenden zwölf Monaten. 61 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass die Hauptlast der Zölle letztlich von den Konsumenten getragen wird. 48 Prozent erwarten eine direkte Reduktion ihrer Exportmengen. Angesichts eines Exportvolumens von 34,8 Milliarden Euro sind die USA mit Abstand der wichtigste Handelspartner – ein eskalierender Handelskonflikt könnte sich daher zu einem wirtschaftlichen Super-GAU für die Region entwickeln.
Ein kleiner Lichtblick zeigt sich bei den Exporten in die Eurozone. Der entsprechende Indikator steigt von –15 auf +1 Punkt. Auch die Exporterwartungen in neue Märkte wie Süd- und Mittelamerika bleiben mit +1 Punkt im positiven Bereich. Leichte Schwächen zeigen sich hingegen weiterhin im Chinageschäft: Jedes vierte Unternehmen rechnet hier mit rückläufigen Exporten in den kommenden zwölf Monaten.