US-Markt stottert weiter – Indien als neuer Hoffnungsschimmer?

BWIHK-Vizepräsident Paal: „Unsere Unternehmen geben alles, aber sie dürfen nicht ausgebremst werden“

Die baden-württembergische Industrie blickt mit wachsender Sorge auf das Auslandsgeschäft. Laut aktueller IHK-Konjunkturumfrage haben sich die Exporterwartungen im Herbst erneut eingetrübt: 28 Prozent der Betriebe rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit rückläufigen Ausfuhren, nur 24 Prozent erwarten ein Plus.
81 Prozent der Industrieunternehmen im Südwesten sind im Export aktiv – der Außenhandel bleibt damit das Rückgrat der Wirtschaft. „Aber das Auslandsgeschäft läuft nicht mehr von selbst“, sagt Claus Paal, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), und Präsident der im BWIHK für die Außenwirtschaft federführenden IHK Region Stuttgart. „Unsere Unternehmen geben alles – sie investieren, sie exportieren, sie suchen neue Märkte. Aber sie dürfen nicht ausgebremst werden. Was sie brauchen, ist politischer Mut: weniger Vorschriften, verlässliche Energiepreise und starke Handelsabkommen. Nur so bleibt Baden-Württemberg Exportland Nummer eins.“

USA: Schlüsselmarkt mit Stolpersteinen

Die Stimmung im US-Geschäft bleibt angespannt. Zwar rechnen aktuell 21 Prozent der exportierenden Betriebe mit steigenden Ausfuhren, im Sommer waren es lediglich 14 Prozent. Die Erwartungen haben sich damit zwar leicht verbessert, bleiben jedoch insgesamt auf einem niedrigen Niveau. Es überwiegt die Skepsis: 45 Prozent erwarten sinkende Exporte. Aus Unternehmenssicht könnten anhaltende Handelskonflikte, eine unübersichtliche Zollpolitik sowie komplexe Exportverfahren die Entwicklungen weiterhin belasten. Trotz des vereinbarten Basiszolls von 15 Prozent zwischen der EU und den USA erschweren zahlreiche Ausnahmen und Nachweispflichten weiterhin den Handel.
Auch für Nordamerika insgesamt zeigt sich ein trübes Bild: Nur 20 Prozent der Betriebe erwarten steigende Exporte, 38 Prozent Rückgänge. Paal: „Die USA bleiben ein Schlüsselmarkt – aber einer mit immer mehr Hürden. Unsere Unternehmen brauchen faire Wettbewerbsbedingungen und verlässliche Spielregeln. Die EU muss jetzt ein starkes Signal für freien Handel mit den Vereinigten Staaten setzen.“
Mittel- und Südamerika: Leichter Optimismus dank Mercosur-Perspektive
Leicht optimistisch geht der Blick nach Mittel- und Südamerika. 18 Prozent der Industriebetriebe erwarten dort steigende Ausfuhren, 14 Prozent Rückgänge. Die Mehrheit rechnet mit stabilen Geschäften. So zeigt sich die Region als kleiner, aber wachsender Hoffnungsschimmer. Ein möglicher Grund: Der begonnene Ratifizierungsprozess des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens, der neue Marktchancen eröffnen könnte – auch wenn sich die Verhandlungen aufgrund politischer Vorbehalte einzelner Mitgliedstaaten noch hinziehen dürften.

Eurozone: Unsicherheit im Binnenmarkt

Auch in der Eurozone überwiegt leicht die Zurückhaltung. 21 Prozent der Betriebe erwarten steigende Exporte, 24 Prozent Rückgänge. Dies ist ein kleiner Rückschritt gegenüber dem Sommer, als noch mehr Optimisten als Pessimisten gezählt wurden. Viele Betriebe berichten von einer zunehmenden Zurückhaltung der europäischen Kunden, ausgelöst durch die schwache Konjunktur in wichtigen Märkten wie Frankreich und Italien, die hohe Inflation und eine wachsende Investitionszurückhaltung im Maschinenbau und in der Automobilindustrie. Auch nationale Regulierungen, divergierende Förderprogramme und unterschiedliche Energiepreisniveaus machen den Betrieben das Leben schwer. „Der europäische Binnenmarkt ist unser Fundament – aber er bröckelt“, so Paal. „Europa braucht wieder mehr wirtschaftliche Einheit und weniger Flickenteppich.“ Trotzdem bleibt die EU der wichtigste Absatzmarkt: Rund 89 Prozent der befragten Industrieunternehmen exportieren in die Eurozone.

Asien: Verhaltener Optimismus – Indien gewinnt, China verliert

In Asien zeigt sich das Bild stabiler: 27 Prozent der Unternehmen erwarten steigende Exporte, 22 Prozent Rückgänge. Gegenüber dem Sommer ist das fast unverändert, doch innerhalb der Region verschiebt sich die Dynamik deutlich: Indien rückt in den Fokus, während China an Bedeutung verliert. Nur 22 Prozent der Betriebe rechnen mit Zuwächsen im Chinageschäft, 31 Prozent mit Rückgängen. Ursachen sind Marktbarrieren, politische Unsicherheiten und eine zunehmende technologische Eigenständigkeit, die den Zugang erschwert.
Ein Markt, der sich ganz anders präsentiert, ist derzeit Indien: Die wirtschaftliche Dynamik bleibt stark, das Land wächst laut IWF auch 2025 mit über sechs Prozent deutlich über dem globalen Durchschnitt. Das geplante EU-Indien-Freihandelsabkommen könnte neue Chancen für Südwestunternehmen eröffnen. Für viele exportorientierte Betriebe ist Asien damit die entscheidende Region für Wachstum und Diversifizierung. Besonders mittelständische Zulieferer und Technologieunternehmen sehen in der Region Möglichkeiten, Abhängigkeiten zu reduzieren und langfristig stabilere Partnerschaften aufzubauen.

Mehr Informationen:

Hintergrund zur Umfrage:

Die Ergebnisse stammen aus der Konjunkturumfrage Herbst 2025, für die sich zwischen 15. September und 2. Oktober 2025 knapp 1.230 Industriebetriebe zu ihren Exporterwartungen geäußert haben.

Zahlen zu Indien:

BIP-Wachstum 2025 (Prognose IWF): 6,6 Prozent | Globaler Durchschnitt (zum Vergleich): 3,2 Prozent
Prognose BIP-Wachstum 2026: 6,2 Prozent
Gesamtbestand ausländischer Direktinvestitionen (FDI) 2024: 547,6 Milliarden US-Dollar | Davon deutsche Direktinvestitionen: 23,5 Milliarden US-Dollar

Weitere EU-Handelsabkommen:

Neuseeland: 2025 ist das erste vollständige Jahr, in dem das Freihandelsabkommen angewendet wird. Die Zölle auf nahezu alle Waren wurden durch das Abkommen abgeschafft. (Quelle: Wirtschaftsausblick Neuseeland)
Indonesien: Die Verhandlungen über das CEPA-Abkommen mit der EU wurden im September abgeschlossen. Derzeit erfolgen die rechtliche Prüfung und Übersetzung der Vertragstexte. Anschließend wird die Europäische Kommission dem Rat den Vorschlag zur Unterzeichnung und zum Abschluss vorlegen. Erst nach Zustimmung durch den Rat kann das Abkommen unterzeichnet werden. (Quelle: Handelsabkommen EU-Indonesien steht - Vertretung in Deutschland)
Australien: Die Verhandlungen wurden nach Abbruch im Jahr 2023 kürzlich wieder aufgenommen. Ein konkreter Zeitplan für den Abschluss liegt bislang jedoch nicht vor.
(Quelle: Wirtschaftsausblick Australien)
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.