Wirtschaft im Südwesten tritt auf der Stelle

BWIHK-Vize Claus Paal fordert: Vom Reden ins Handeln kommen

Die baden-württembergische Wirtschaft steckt weiter in der Flaute. Nach einer kurzen Erholung im Frühsommer hat sich die Lage im Herbst wieder eingetrübt. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der zwölf Industrie- und Handelskammern im Land. 26 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut – ähnlich viele wie im Frühsommer. Gleichzeitig geben knapp 25 Prozent an, dass ihre Lage schlecht ist – zwei Prozentpunkte mehr als noch im Sommer. Damit bleibt die Stimmung nahezu unverändert, aber die Unsicherheit wächst.
„Ich erkenne unser Land manchmal nicht mehr“, sagt Claus Paal, Präsident der für die Volkswirtschaft federführenden IHK Region Stuttgart und Vize-Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). „Wir wissen genau, wo wir stehen und was kommt, wenn wir nicht handeln – und trotzdem drehen wir uns im Kreis. Es ist höchste Zeit, vom Reden ins Handeln zu kommen.“

Pessimistische Erwartungen und wachsende Unsicherheit

Die Erwartungen der Unternehmen bleiben verhalten. Wie schon im Frühsommer rechnet weniger als ein Fünftel der Betriebe mit einer Verbesserung der Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten, knapp ein Viertel hingegen mit einer Verschlechterung.
Die Hauptgründe sind klar: schwache Inlandsnachfrage, hohe Energie- und Arbeitskosten, anhaltende Unsicherheit in der Handelspolitik und eine insgesamt gebremste Weltkonjunktur.
„Deutschland war einst das Land der Denker, Erfinder und Macher – das hat uns stark gemacht“, betont Paal. „Heute diskutieren wir oft, warum etwas nicht geht. Wir müssen wieder zum ‚Wie es geht‘ kommen – Verantwortung übernehmen statt sie abzuschieben. Das Land darf nicht länger auf den Bund oder die EU warten. Es muss jetzt handeln und hat dazu genügend Möglichkeiten. Und im Bund müssen im Herbst die angekündigten Reformen kommen.“

Industrie besonders unter Druck

Besonders hart trifft es die Industrie: Wie im Frühsommer bewerten 20 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als gut. 32 Prozent sagen, sie sei schlecht – das sind vier Prozentpunkte mehr als im Frühsommer. Die exportorientierte Wirtschaft leidet unter hohen Zöllen, schleppender Nachfrage und einer unklaren Handelspolitik.
„Unsere Unternehmen sind bereit, anzupacken – aber sie stoßen an Grenzen, die sie nicht selbst gesetzt haben“, so Paal. „Wenn Politik und Verwaltung nicht endlich verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, verlieren wir nicht nur Aufträge, sondern auch Vertrauen.“

Investitionen und Beschäftigung rückläufig

Auch die Investitionsbereitschaft bleibt schwach: Nur 18 Prozent der Unternehmen planen höhere Inlandsinvestitionen, während 27 Prozent weniger investieren wollen. Vorrangig geht es um Ersatzbedarf (68 Prozent) und Digitalisierung (54 Prozent) – Expansion spielt kaum noch eine Rolle.
Am Arbeitsmarkt setzt sich der negative Trend fort. Nur 12 Prozent der Unternehmen erwarten steigende Beschäftigtenzahlen, 28 Prozent rechnen mit einem Rückgang.
„Wir haben den Kipppunkt längst überschritten“, warnt Paal. „Bürokratie erstickt Innovation, Gründungen und Wachstum. Neun von zehn Unternehmen sagen uns, dass sie durch übermäßige Vorschriften gebremst werden – das ist ein Alarmsignal für den Standort Baden-Württemberg.“

Baugewerbe mit leichten Lichtblicken

Etwas positiver zeigt sich das Bild im Baugewerbe. Öffentliche Infrastrukturprojekte und eine leicht steigende Nachfrage im privaten Wohnbau sorgen für eine gewisse Stabilisierung. Rund 30 Prozent der Bauunternehmen bewerten ihre Lage inzwischen wieder als gut.

Größte Geschäftsrisiken: Schwache Nachfrage, hohe Kosten, unsichere Politik

Die Unternehmen blicken mit Sorge auf die kommenden Monate. 66 Prozent – ein Prozentpunkt mehr als im Frühsommer – nennen die schwache Inlandsnachfrage als größtes Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung – und das über alle Branchen hinweg. An zweiter Stelle folgen nahezu gleich wie im Frühsommer die hohen Arbeitskosten (56 Prozent), insbesondere im Gastgewerbe und in personalintensiven Dienstleistungsbranchen. Auch die Energiepreise bleiben mit 41 Prozent überdurchschnittlich häufig als Belastung genannt.
Zudem sorgt die politische Unsicherheit für zusätzliche Zurückhaltung: 38 Prozent der Unternehmen sehen in der aktuellen Wirtschaftspolitik ein Risiko (FS knapp 40 Prozent), 39 Prozent nennen geopolitische Spannungen als Belastungsfaktor, etwas wenige als im Frühsommer (42 Prozent).
„Unsere Unternehmen brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit“, betont Paal. „Wir erleben gerade eine fatale Endlosschleife: Bund, Länder und Europa schieben sich gegenseitig Verantwortung zu – und niemand entscheidet. Wir müssen endlich wieder Verantwortung übernehmen, jeder in seinem Bereich.“

BWIHK fordert: Bürokratie abbauen, Vertrauen schaffen, Zukunft gestalten

Paal sieht dringenden politischen Handlungsbedarf. Strukturen müssten vereinfacht und Entscheidungswege verkürzt werden. „Wir brauchen eine Verwaltung, die Vertrauen zeigt – nicht Misstrauen verwaltet“, fordert Paal. „Unsere Unternehmen erleben jeden Tag neue Auflagen, Nachweise und Formulare. Das muss sich ändern. Mehr Personal ist keine Lösung – bessere Prozesse schon.“
Der Präsident der IHK Region Stuttgart fordert weniger Bürokratie, mehr Geschwindigkeit und mehr Mut zur Entscheidung. „Wer an den Föderalismus glaubt, darf nicht ständig den Bund oder Europa vorschieben. Baden-Württemberg bleibt erfolgreich, wenn wir jetzt handeln.“

Hintergrund

Die Ergebnisse beruhen auf der IHK-Konjunkturumfrage Herbst 2025 der zwölf Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg. Vom 15. September bis 2. Oktober 2025 beteiligten sich 3 664 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung.