IHK richtet offenen Brief an Gemeinderatsfraktionen
Diskussion über Erhöhung der Gewerbesteuer ist ein falsches Signal – Susanne Herre: Unternehmen, die einmal gehen, kommen nicht zurück
Die IHK Region Stuttgart hat sich heute mit einem offenen Brief an alle Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat gewandt. Hintergrund sind die aktuellen Haushaltsberatungen der Stadt, in denen eine mögliche Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes diskutiert wird. Aus Sicht der Wirtschaft wäre eine solche Maßnahme in der aktuellen Lage ein gravierender Fehler.
„Schon die bloße Diskussion über eine Gewerbesteuererhöhung trifft die Unternehmen in einer ohnehin angespannten Lage. Das ist das falsche Signal zur falschen Zeit“, sagt Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart. „Wer jetzt Belastungen erhöht, riskiert, dass Unternehmen ihre Investitionen zurückfahren – oder den Standort Stuttgart ganz infrage stellen.“
Bereits heute zählt Stuttgart mit einem Hebesatz von 420 Prozent zu den höchst belasteten Wirtschaftsstandorten in Baden-Württemberg. Die Betriebe kämpfen derzeit mit enormen Kosten, Fachkräftemangel und dem Druck tiefgreifender Transformationsprozesse. Eine weitere steuerliche Belastung würde diese Situation zusätzlich verschärfen. In Gesprächen mit Unternehmen zeigt sich für die IHK eine klare Tendenz. Investitionen werden verschoben, Projekte kritisch überprüft und verstärkt Alternativstandorte außerhalb Stuttgarts geprüft. „Unternehmen, die einmal gehen, kommen nicht zurück. Das wissen wir – und das weiß auch die Politik“, so Herre. „Ein Abwandern hätte unmittelbare Folgen für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und die finanzielle Basis der Stadt.“
IHK-Konjunkturumfrage belegt Belastung der Betriebe
Auch die aktuelle IHK-Konjunkturumfrage zeigt, dass rund die Hälfte der Unternehmen in der Region Stuttgart derzeit weniger oder gar nicht mehr investieren. Als zentrale Belastungsfaktoren nennen sie neben den hohen Arbeitskosten insbesondere die Gewerbe- und Grundsteuer – beide zählen für die Betriebe zu den TOP 10 der kritischsten Standortfaktoren.
Aufgabenkritik statt zusätzlicher Belastungen
IHK-Chefin Herre weiß um die Herausforderungen des städtischen Haushalts, mahnt jedoch strukturelle Reformen anstatt zusätzlicher Belastungen an. Die deutlich steigenden Personalaufwendungen der Stadt zeigten deutlich, dass es auf der Aufgabenseite Potenzial für strukturelle Entlastungen gebe. In den letzten fünf Jahren sei die Zahl der Stellen bei der Stadt um rund 13 Prozent angestiegen. „Bevor man über Steuererhöhungen spricht, muss die Stadt konsequent aufgabenkritisch vorgehen und Effizienzpotenziale heben. Wachstum entsteht durch verlässliche Rahmenbedingungen – nicht durch zusätzliche Hemmnisse.“
Mit dem offenen Brief fordert die IHK die Fraktionen auf, die Überlegungen zur Gewerbesteuererhöhung kritisch zu überdenken. „Unser gemeinsames Ziel muss sein, Stuttgart langfristig wirtschaftlich stark zu halten – nicht es durch Steuerdebatten zu schwächen. Stuttgart braucht ein klares Bekenntnis zu wirtschaftlicher Vernunft und Stabilität.“