Zeitsprung Kirsch
Mein Vater Otto Kirsch kam erst Ende der 1940er Jahre aus der Gefangenschaft zurück. Relativ schnell erhielt er die Gelegenheit, Schlüsselmarken zu verkaufen. Ein Kunde war die Firma Neubronner aus Oberursel. Der Einkäufer meinte, er habe etwas Besseres für ihn: Papierklebestreifen als Kartonverschluss. Das überzeugte meinen Vater. 1950 gründete er eine Handelsvertretung.
Bald darauf kamen Polyethylenbeutel dazu. Vater dachte sich: „Das ist modern, das passt zu meinem Produkt.“ Deshalb übernahm er zusätzlich für eine Firma aus Murrhardt die Vertretung.
Selbstklebestreifen als Rettung in der Krise
Als 1967 die erste Rezession in Deutschland spürbar war und – wie immer in schwierigen Zeiten – der Bedarf an Verpackungsmaterial zurückging, beschloss er, es mit den neu aufkommenden Selbstklebestreifen zu versuchen und diese auf eigene Rechnung zu verkaufen.
Die Frage ob Nass- oder Selbstklebestreifen stand auch am Beginn meiner Zusammenarbeit mit ihm. Dass ich ins Geschäft einsteige, war mir schon zu Schulzeiten klar, denn ich hatte Vater oft auf seinen Verkaufstouren begleitet und dabei gemerkt: das ist was für mich. Ich war 23 und wollte die moderneren Selbstklebestreifen verkaufen, er lieber bei den Nassklebestreifen bleiben. Schließlich entschied er, ich sollte mit einem Köfferchen Selbstklebebändern losziehen und Kunden gewinnen.
Natürlich hatte niemand auf mich gewartet, aber das Gesetz der hohen Zahl half mir. Ich war hartnäckig und sehr fleißig und so stellte sich ein gewisser Erfolg ein.
Ich hatte gleich das Gefühl: Wenn ich Kartons verkaufe, bin ich wer!
Eines Tages wurde ich gefragt, ob wir nicht auch Kartons hätten. Ich hatte gleich das Gefühl: „Wenn ich Kartons anbiete, dann bin ich wer!“ Bei einem Kunden in Ostfildern sah ich stabile Kartons stehen, die eigentlich ins Altpapier sollten. Er war froh, dass ich sie ihm abnahm und für mich ging damit die Post ab!
Ab da kaufte ich Restmengen und gebrauchte Kartons auf. Besonders gut erinnere ich mich an die 30.000 Kartons, die ich von Wolle Schachenmayr erhielt. Überall stand groß „Hoechst“ drauf, aber das störte niemanden. Als Hoechst die Verpackung umstellte, versiegte diese Quelle. Ich wollte eigene Kartons produzieren lassen, aber Vater hatte Mores wegen der Kosten. Ich setzte mich durch und obwohl unsere Produkte nun etwas teurer waren, verkauften sie sich gut.
Abschied von gebrauchten Kartons
Heute haben wir über 100 Formate vorrätig - in allen erdenklichen Größen und Qualitäten, außerdem Folien, Packpapier, Paletten, Polster und Umreifungsbänder. Wir bieten aber auch Beratung und komplette Versandlösungen.
Seit 2001 liefern wir außerdem die passenden Maschinen. Das hat noch einmal einen großen Schub gegeben, denn wer die Maschinen hat, bleibt auch beim Verbrauchsmaterial treu.
Das alles braucht natürlich viel Platz! Doch lange Jahre hatten wir entweder gar kein eigenes Lager oder nur ein sehr kleines an unserem ersten eigenen Firmengebäude. Das hatten wir 1989 in Weinstadt erbaut.
Die Waren wurden zum großen Teil oder ganz bei einem Spediteur gelagert. Als der das Geschäftsfeld aufgab, bauten wir 2015 hier im Waiblinger Gewerbegebiet Eisental neu – mit riesigem Lager und Büroetage. Wir liegen verkehrsgünstig an der B14. Das ist gut, weil alle unsere Kunden aus der Region Stuttgart kommen.

Wenn man 75 Jahre Kirsch Revue passieren lässt, kann man sagen, wir haben alle Branchenentwicklungen mitgemacht. Dabei hat sich bewährt, dass wir ein reiner Großhandel geblieben sind, denn so können wir immer flexibel reagieren.
Ein ganz großes Glück ist es, dass unser Sohn Dennis 2009 ins Unternehmen eingetreten ist. Auch er war schon seit Schulzeiten immer wieder im Geschäft und hat wirklich alle Facetten kennengelernt.
Nächste Generation sichert Nachfolge
Heute ist er zusammen mit mir Geschäftsführer. Aber ich trete gern zurück in die zweite Reihe, denn ich habe vollstes Vertrauen in ihn. Ich sage immer, „am Ende des Tages bestimmst du“.
Mit meiner Frau, mit Sohn, Schwiegertochter und allen Mitarbeitern sind wir 28 Köpfe – ein echter Familienbetrieb mit langjährigen Mitarbeitern und stets offenen Türen.
Kontakt

Dr. Annja Maga