So verdrängt Sie ChatGPT nicht

Die Spielregeln digitaler Sichtbarkeit verändern sich grundlegend. Wer heutzutage ­wissen will, wie man ein Rohr entkalkt, welches Ratgeberbuch sich lohnt oder welcher IT-Dienstleister vertrauenswürdig ist, fragt meist zuerst die künstliche Intelligenz (KI).
Lange Zeit bestimmte einzig ­Google die Online-Präsenz von Unternehmen. Doch mit dem Aufstieg KI-basierter Suchsysteme wie ChatGPT, Gemini und Perplexity verschiebt sich die Landschaft.
KI-Suchen liefern keine einfachen Listen von Links wie ­Suchmaschinen, sondern fassen Informationen aus verschiedenen Quellen in ausformulierten Antworten zusammen.
Ihr Aufstieg ist eine gute Nachricht für den Mittelstand: Denn im Gegensatz zu großen Konzernen, die sich mit ihrem massiven Marketingbudget unter die ersten Ergebnisse der Google-Suche schieben, haben mittelständische Unternehmen eine andere Stärke: Expertise und fach­liche Tiefe in einer Nische. KI-Suchsysteme bewerten das ­positiv. Sie suchen nicht nach Schlag­worten, sondern nach ­relevanten, vertrauens­würdigen, detaillierten und faktengestützten Informationen – eine Chance für den Mittelstand.

Keine gigantische Umstellung nötig

Beruhigend zu wissen: Der Aufschwung der KI-Suchen erfordert keine gigantische Umstellung. Google verschwindet nicht, die ­eigene Website bleibt Ankerpunkt für digitale Sichtbarkeit, und
PR- sowie Marketing-Maßnahmen sind weiterhin wichtig. Es geht also nicht darum, alles Bisherige über Bord zu werfen, sondern vielmehr darum, die bisherige Kommunikation strategisch zu überprüfen und gezielt anzupassen.
Inhalte müssen dafür so gestaltet werden, dass sie von KI-Modellen erfasst, interpretiert und genutzt werden können. Dies stellt neue Anforderungen an die Qualität, Struktur und Präsentation von ­Informationen.
Vier Bausteine sind entscheidend: Originärer Content, technische Grundlagen, Präsenz in digitalen Räumen sowie Glaubwürdigkeit und Relevanz durch externe Nennungen. Die ersten beiden Bausteine bilden dabei das Fundament, der dritte und vierte sind die Verstärker für die eigene Kommunikation.

Vier Bausteine der KI-Sichtbarkeit

1. Originärer Content: Die eigene Expertise muss Grundlage der ­Inhalte sein. Es gilt, tiefgehende Beiträge auf der Web­seite zu schreiben, die komplexe Branchen-Fragen beantworten, und dabei einzig­artig zu sein. Denn während Google und andere Suchmaschinen ihre Ergebnisse oft nach Rankingfaktoren ordnen, liegt der Fokus von KI stärker auf der inhalt­lichen Relevanz und Qualität. Dadurch werden objektivere und oft nützlichere Ergebnisse geliefert. Inhalte sollten demnach primär für Menschen geschrieben sein. Allerdings soll die Struktur auch maschinenlesbar sein, denn klare Gliederungen und Hierarchien, FAQs, Listen und Infoboxen erleichtert der KI das Auslesen. Ein klarer thematischer Fokus auf eine Nische hilft außerdem, sich als ­Autorität zu etablieren.
2. Technische Grundlagen: Die Web­seite dient als inhaltliches Fundament – auch für die ­suchende KI. Technische Grundlagen wie eine saubere Strukturierung der Webseite, schnelle Lade­zeiten, strukturierte Daten und mobile ­Optimierung sind unerlässlich. Sie beeinflussen das Google-Ranking und sorgen dafür, dass Inhalte zuverlässig gecrawlt, index­iert und damit von KI-Systemen genutzt werden können.
3. Präsenz in digitalen Räumen: Sichtbarkeit in der KI entsteht nicht allein auf der eigenen Website. Unternehmen ­müssen dort aktiv sein, wo ihre Ziel­gruppen und relevanten Fachkreise ­diskutieren und kommunizieren. Ob in sozialen Medien, Fachforen, bei ­Wikipedia, auf Vergleichsportalen oder Branchen­seiten. Auch der Auftritt in ­einem Live­stream zählt, denn KI-­Systeme können ­Video- und ­Audioinhalte auswerten, ­sofern diese transkribiert oder über ­Metadaten zugänglich sind. Es ist wichtig, Teil des relevanten digitalen Ökosystems zu sein, um von KI-­Systemen wahrgenommen zu werden.
4. Glaubwürdigkeit und Relevanz durch externe Nennungen: Die KI be­nötigt ­externe Bestätigung, um Inhalte als vertrauenswürdig einzustufen. Hier kommen klassische PR-Maßnahmen ins Spiel. Jede Erwähnung in einem Fach­artikel, jedes Interview oder jeder Gastbeitrag in einem renommierten Medium erhöht die sogenannte „Reference Rate“ der Marke. Diese externen Signale sind fundamental. Eine KI wird den Web­seiten-Informationen deutlich mehr ­vertrauen, wenn diese durch Dritte bestätigt werden.

Gezielt nachbessern

Aber zurück zum Anfang: Die Spiel­regeln digitaler Sichtbarkeit ändern sich. Doch viele Mittelständler haben schon passende Bausteine zur Hand, sie müssen nur die Gewichtung anpassen und gezielt nachbessern. Das ist nicht leicht. Auch Googles Suchexperte John Mueller weist darauf hin, dass die Anpassung von Websites an KI-Systeme komplex, aber unvermeidbar ist: „Die Anpassung an KI ist ein zentrales Zukunftsthema.“ Wer darauf vorbereitet ist, hat jedoch die Chance, auch zwischen den großen Konzernen in der KI-Suche hervorzustechen.
Katrin Möllers, Ansel & Möllers GmbH, Stuttgart, für Magazin Wirtschaft, Rubrik Rat&Tat

Checkliste: Sechs Tipps für den Einstieg ins KI-Marketing

  1. KI-Sichtbarkeit testen: In ChatGPT, Gemini und Perplexity prüfen, ob und in welchem Kontext das eigene Unternehmen erwähnt wird.
  2. Referenzabfragen festlegen: Zehn typische Suchanfragen aus dem eigenen Themengebiet definieren und prüfen.
  3. Strategie entwickeln: Basierend auf den Ergebnissen zur Sichtbarkeit in einzelnen Kategorien, Maßnahmen zur gezielten Verbesserung festlegen.
  4. Inhalte optimieren: Eigene Beiträge klar strukturieren, Kontext schaffen, Fachwissen zeigen und auf externe Referenzen setzen, die Vertrauen schaffen.
  5. Technische Basis sicherstellen: Struktur, Ladezeit, mobile Darstellung der eigenen Webseite optimieren und Schema-Daten aktuell halten.
  6. Evaluation: Ergebnisse beobachten und Inhalte basierend darauf sowie vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse laufend optimieren.
Manuel Balonier, stratify, Stuttgart, für Magazin Wirtschaft, Rubrik Rat&Tat