Ideen für den Handel

Ideen für den Handel

Viele stationäre Einzelhändler sind in den letzten Jahren ins Online-Geschäft ein­gestiegen, um ihre Kundenbasis zu verbreitern und an sich zu binden. Dass es auch umgekehrt geht, zeigt das Beispiel der Baslerbeauty, einer Tochter des ­Familenunternehmens Haicare Group GmbH aus Bietigheim-Bissingen.
Gegründet wurde der Spezialist für Haar- und Hautpflege 1973 als ­reiner Versandhandel. Angeboten werden seither aber nicht nur bekannte Marken, sondern auch die Eigenmarke „Basler“.  Mittlerweile betreibt das Unternehmen in neun Ländern einen Onlineshop. Unter 35.000 Produkten von 450 Marken kann man dort wählen.

22 Standorte in der Dach-Region

2016 stieg das Unternehmen zusätzlich in den stationären Einzelhandel ein. Seither wurden 22 Standorte in Deutschland und Österreich eröffnet, darunter drei in und um Stuttgart. Warum? Schließlich wird die Kundschaft traditionell über den Katalog erreicht, der in einer sechs­stelligen Auflage erscheint, außerdem über Sonderkataloge und über den Newsletter mit stolzen 350.000 Abonnenten.

Kein Filialnetz geplant

„Wir wollten näher am Kunden sein als das digital oder per Telefon möglich ist“, erklärt Geschäftsführer Timo Allert die Entscheidung. Deswegen sind die Standorte sorgfältig ausgewählt. Der Aufbau eines Filialnetzes ist hingegen nicht geplant. Eher erinnert das Konzept an Flagship-Stores. Laut Oxford Dictionary sind das „repräsentative Geschäfte, die durch Produkte, Design und Service die hinter der Marke stehende Philosophie vermitteln sollen“. Und in denen umgekehrt die Marke erfährt, was die Kunden wünschen.
Gelockt wird die Kundschaft mit viel­­­­fäl­tigen Dienstleistungen. Und im ­Rahmen dieser Dienstleistungen lernen die Spezialisten die Probleme und Herausforderungen bestens kennen, die ihre Kundschaft bewegen. Umgekehrt können sie den ­Kundinnen wiederum das für sie optimale Produkt näherbringen.
Ohne unseren Katalog würden wir in der Masse der vielen Marken untergehen.
Um diesem doppelten Anspruch gerecht zu werden, arbeiten allein in den drei Stuttgarter Stores 40 Personen, darunter Kosmetikerinnen, Friseure und ein Arzt Es gibt aber auch einen ­Friseursalon, eine Schmink- und eine Haarstylingschule – übrigens gern gebucht für Junggesellinnen­abschiede. Man kann sich aber auch sein Make-up auffrischen oder die Nägel maniküren lassen.

Das Angebot ist sorgfältig kuratiert

Trotzdem ist es natürlich nicht ganz einfach, im Wettbewerb mit den traditionellen Parfümerien zu bestehen. Deswegen werden die am ­jeweiligen Standort angebotenen Produkte sorgfältig „kuratiert“, sodass sie weniger dem Preisdruck ausgesetzt sind, weil sie bei der Konkurrenz nicht  im Regal stehen.
Kuratiert – ein Begriff, den man ­eigentlich von Galerien und Museen kennt. Was er meint, erklärt Allert anhand des Parfumsortiments: „Wir haben hauptsächlich Nischendüfte“, also Parfüms ohne riesigen Werbeaufwand und prominente Namen dahinter. Damit die Kundschaft sie entdeckt, wurden mehrere Mitarbeiter zum Maître de Parfum weitergebildet. Zusammen mit den Kunden ermitteln sie den individuell am besten passenden Duft - ein Parfum, zu dem sie von allein nie gegriffen hätten und das anderswo auch nur schwer zu bekommen ist.

Eine besondere Rolle spielt die Eigen­marke

Eine besondere Rolle spielt die Eigen­marke Basler. Seit mehr als 50 Jahren entwickelt und produziert das Unternehmen sie in Bietigheim-Bissingen. Weil es sie sonst nirgends gibt, ist sie der Trumpf bei der Kundenbindung. Trotzdem ist Allert überzeugt: „Die reinen Produkte sind auf Dauer nicht das Differenzierungsmerkmal, sondern die Mit­arbeiter machen den Unterschied.“
Kunden, die nicht im Umkreis einer der Standorte wohnen, können deshalb viele der Beratungsangebote durch die Storeteams auch digital nutzen. Umgekehrt füllen diese Online-Termine Zeiten, in denen im Laden weniger los ist.

Verkaufsautomat an gut frequentierter Tankstelle

Die neueste Idee kommt aber dann doch ganz ohne Personal aus: Ein Verkaufsautomat, der seit kurzem an einer gut frequentierten Tankstelle steht. Gedacht ist er für Menschen, die am Wochenende schnell noch ein schönes Geschenk suchen. Für Allert ist es aber auch eine Reputations­frage, denn in der Branche ist er der erste, der diese Idee umsetzt. Und auch hier erhofft er sich Antworten auf die Frage, was die Kunden wünschen.

Verzahnung vieler Handelsformen

Baslerbeauty setzt also auf die Verzahnung möglichst vieler Handelsformen. Wird Print dabei wirklich noch gebraucht? Zwar wurde der Umfang des ­Katalogs ­in­zwischen von 600 auf 200 Seiten ­reduziert, aber Druck und Porto sind ein großer Kostenblock. Ganz einstellen? „Nein! Unsere Zielgruppe blättert nun mal gern darin und außerdem bestellt man damit auch noch im März, obwohl der ­Katalog schon im Januar ankam“, weiß Allert aus Erfahrung. Und überhaupt: gerade für die Eigenmarke sei Print ein unverzichtbares Werbemittel: „Ohne unseren ­Katalog würden wir in der Masse der vielen Marken untergehen“, ist er überzeugt.
Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft , Rubrik Menschen& Ideen