Startups für die Region

Gründerstory: Weniger ist mehr

Jassen Mihaylov liebt es, wenn sich Kreise schließen. Und manchmal kann so ein Kreis auch sehr vertikal sein. Der Fernsehturm zum Beispiel. Mihaylov war 1990 nach Stuttgart gekommen, um hier Bauingenieurwesen zu studieren. Damals war die TH dank der ­Koryphäen-Dynastie Frei Otto - Fritz Leonhardt – Jörg Schlaich und Werner ­Sobek das Mekka der Branche. Leonhardt, der emeritierte Rektor und Erbauer des Stuttgarter Fernsehturms, hielt damals die Begrüßungsrede zu Semesterbeginn. „Von ihm habe ich die Idee der Reduktion gelernt, also dass man nicht Gürtel und Hosenträger braucht“, erklärt Mihaylov.  ­Weniger ist eben manchmal mehr. 

Die drei Kinder fordern ökologisches Handeln

Als er sich im April 2022 mit der Park-­Solar GmbH selbstständig machte, entschied er sich darum für ein Büro mit Blick auf den Fernsehturm. Die Reduktions-Idee ist nämlich die Grundlage des Produkts, das sein Startup anbietet: Photovoltaik-Parkplatzüberdachungen in Leichtbauweise. 
„Früher hätte ich nie gedacht, dass ich mal selbst gründen würde“, erzählt der gebürtige Bulgare und man merkt ihm an, dass er immer noch über sich staunt. Es sei „die Summe vieler kleiner Schritte gewesen, die sich zum Kreis schließen, wenn man 50 ist, nicht früher“, greift er zur ­Erklärung sein Lieblingsbild auf. 
Einen entscheidenden Anstoß gab sicher die Corona-Krise, die Mihaylov ins ­Grübeln brachte, auch darüber, „wie es weitergeht mit dem Planeten und was ich gegen das ­globale Problem lokal am Schreibtisch tun kann“. Zusätzlichen Druck verspürte er durch die hartnäckigen Nachfragen seiner drei Kinder im Teenageralter: „Die ­fordern einen richtig heraus, gewohnte Denkmuster und ­Ansichten auf den Prüfstand zu stellen“, erzählt er, „gerade in Sachen Nachhaltigkeit“.
Als dann die Energiepreise ­explodierten und in Baden-Württemberg zum 1. Januar 2022 die Pflicht zur Überdachung neuer Parkplätze mit Solarpaneelen in Kraft trat, hatte Mihaylov seine Geschäftsidee.
Wie es weitergeht mit dem Planeten und was ich gegen das ­globale Problem lokal am Schreibtisch tun kann

Das Thema beschäftigte Jassen Mihaylov in der Corona-Krise


Auch hier schließt sich wieder ein Kreis: Schon bei seiner Diplomarbeit und bei der Forschungstätigkeit am ILEK bei Werner Sobek beschäftigte sich Mihaylov mit ­Klebeverbindungen im Glasbau. „In den 90ern ein ganz neues und großes Thema“, wie sich Mihaylov erinnert. Eigentlich sei das Wissen damals im „Werkzeugkasten der ­Ingenieure“ längst vorhanden gewesen. Neu war aber der Transfer.
Dieses Wissen transferiert er nun auf die Dächer, denn „PV-Module sind eigentlich nichts anderes als ein Glasdach“. Von Gesetzes wegen müssen sie auf Stahl aufliegen, damit sie niemandem auf den Kopf fallen. Doch es gibt eine ­Alternative, nämlich Verbundsicherheitsglas. Wird das für die PV-Module benutzt, sinken ­Materialaufwand, Gewicht und Preis um circa ein Viertel, weil sozusagen die Hosenträger eingespart werden. 

Herausforderung Mitarbeitermotivation


Mihaylov blickt auf eine lange Karriere als Bauingenieur zurück. Sie begann bei Züblin, führte über Drees und Sommer bis zu Pfeifer, dem Memminger Spezialisten für Seil- und Baulösungen. Dabei erwarb er Knowhow für alle Phasen des Bauens, was ihm nun sehr hilft, wo er für alles gleichzeitig zuständig ist. Gibt es auch etwas, was neu für ihn als Gründer ist? „Ja, ich muss die Mitarbeiter begeistern und dann auch loslassen können. Schließlich kann man nicht alles allein machen.“
Sechs Mitarbeiter beschäftigt der ­Gründer schon im ersten Jahr in seinem Stuttgarter Büro. Dazu kommen sechs weitere Mitarbeiter in Bulgarien, die für Bauzeichnung aber auch für die Montage der Stahlgerüste zuständig sind. 
Erste Kunden gibt es bereits: einen ­großen Mittelständler aus der Region, die Stadtwerke Mainz und einen Biobauern. Agriphotovoltaik soll zukünftig neben dem Parkplatzthema eine entscheidende Rolle für Park-Solar spielen. Konkurrenz gibt es zwar, doch kein Problem für den Gründer, denn „der Markt ist riesig“. 
Mihaylov jedenfalls fühlt sich als Selbständiger inzwischen wie „ein Fisch im Wasser“. Und seine Kinder sind auch zufrieden mit dem nachhaltigen Papa.
Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft 1-2.2023, Rubrik Menschen& Ideen