Das Firmennetzwerk in der Tasche
Wenn du etwas geheim halten willst, hänge es ans schwarze Brett – dieser alte Witz hat einen wahren Kern. So zumindest erleben es Giacomo Kenner und Benedikt Ilg. Die beiden kennen sich aus: Innerhalb von sieben Jahren haben sie mit der Flip GmbH den führenden Anbieter für Mitarbeiter-Apps im deutschsprachigen Raum aufgebaut – und expandieren weiter.

„Selbst in den Konzernen geht alles noch erschreckend analog zu“, sagt Giacomo Kenner kopfschüttelnd. Etwa bei einer großen Schnellimbiss-Kette, die mittlerweile auch zur Flip-Kundschaft gehört: „Die Prozesse sind superkomplex, aber Schichtplan und Urlaubskalender werden ans schwarze Brett gepinnt.“
Analoge Mitarbeiterkommunikation: Warum schwarze Bretter nicht mehr ausreichen
Das Nachsehen bei solch vorsintflutlichen Methoden haben Außendienst- und Mobilarbeiter. „Die fühlen sich abgehängt und haben nicht den Eindruck, eine Stimme zu haben.“ In vielen Unternehmen gibt es zwar ein Intranet. Davon profitiert aber nur, wer am Computer arbeitet, so Kenner. An der Maschine, hinter dem Lenkrad oder an der Kasse bleibt man außen vor.
Mit ihrer Mitarbeiterkommunikations-App bieten die Stuttgarter den Unternehmen nun eine zentrale Plattform an, über die alle Informationen geteilt werden können, die für die tägliche Arbeit relevant sind. So können die Beschäftigten Schichtpläne und Einsatzzeiten einsehen, sich untereinander abstimmen und Rückmeldungen geben. Führungskräfte verbreiten interne Mitteilungen wie etwa Sicherheitshinweise oder holen Umfragen ein – für bestimmte Gruppen oder alle Beschäftigten. Das alles „intuitiv wie bei Instagramm“, so Kenner.
Digitale Plattform für vernetzte und erreichbare Mitarbeiter
Besonders wichtig: die App ist für den Einsatz auf privaten oder firmeneigenen Smartphones ausgelegt und erreicht so auch Mitarbeiter ohne E-Mail-Adresse oder PC-Arbeitsplatz. Und: „Die App ist für jeden Kunden mit dem eigenen Corporate Design gebrandet“, sagt Giacomo Kenner. „Der Name Flip taucht nirgendwo auf.“
Wie viel bei den Unternehmen im Argen liegt, fiel Benedikt Ilg auf, während er als DH-Student bei Porsche die Abteilung Data-Science mitaufbaute. „Viele Mitarbeiter waren überhaupt nicht erreichbar oder konnten nur durch aufwändige Log-in-Prozesse einbezogen werden.“ Offenbar steckte hier Verbesserungspotenzial – auch in anderen Firmen. Ilg entschied sich gegen die sichere Stelle bei Porsche und für eine Neugründung gemeinsam mit seinem Schulfreund Kenner, der damals noch studierte.
Vom Startup zum Global Player: Von Stuttgart aus den Markt für Mitarbeiter-Apps erobern
Bereut haben das die beiden Gründer bis heute nicht. Mit dem Start 2018 hob Flip förmlich ab wie eine Rakete. Zum ersten Kunden Porsche gesellten sich Edeka, Rossmann, Rewe, Toom und McDonalds. Auch Bosch und die Automotive-Größen Magna und Mahle sind mit von der Partie. Heute ist das Startup weltweit tätig und beschäftigt 150 Mitarbeiter in Deutschland, Großbritannien und den USA. „In den vergangenen Jahren waren wir wahrscheinlich eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen“, sagt Kenner.
Wird es so weiter gehen? Die beiden Gründer sehen derzeit nichts, was ihre Expansion bremsen könnte. Künftig soll die Flip-App mit Hilfe von KI noch leistungsfähiger werden und die Navigation über das gesamte Wissen der Firma ermöglichen. Weil die Stuttgarter derzeit viele Anfragen aus den USA und Kanada erhalten, wollen sie sich verstärkt Nordamerika zuwenden. Die Markführerschaft in Mitteleuropa ist ihnen auf Dauer nicht genug, sagt Kenner. „Wir wollen weltweit die Nummer eins werden.“
Walter Beck für Magazin Wirtschaft, Rubrik Menschen & Ideen
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