Genuss mit Wirkung: Warum Gastronomie und Weinwirtschaft zentrale Standortfaktoren sind
Wie stärken Essen und Trinken den Wirtschaftsstandort? Dieser Frage widmete sich die IHK Region Stuttgart in ihrer Gesprächsreihe „Im Gespräch mit“ – mit zwei prominenten Gästen: Spitzenkoch Vincent Klink und Spitzenwinzer Rainer Schnaitmann. Durch den Abend führte IHK-Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre, die mit gezielten Fragen wirtschaftliche Zusammenhänge in Gastronomie und Weinbau in den Mittelpunkt rückte.
Kulinarischer Genuss als Standortfaktor
Denn: Kulinarischer Genuss ist längst mehr als nur Lebensart – er ist ein echter Standortfaktor. Die Zahlen sprechen für sich: Fast zehn Millionen Übernachtungsgäste kamen im Jahr 2024 in die Region Stuttgart – das entspricht rund 20 Prozent des gesamten Landesaufkommens. Damit ist die Region nach dem Schwarzwald und dem Bodensee die drittstärkste Tourismusregion in Baden-Württemberg.
„Unser Image ist viel besser, als wir Schwaben oft glauben“, sagte Vincent Klink. „Unsere Gäste finden es toll hier – und das liegt vor allem an den Menschen. Viele verbinden einen Restaurantbesuch mit einem Abstecher in die Staatsgalerie oder andere kulturelle Einrichtungen. Deshalb ist das kulturelle Angebot so wichtig.“ Der renommierte Sternekoch betreibt seit 1991 die Wielandshöhe in Stuttgart – ein kulinarisches Aushängeschild mit Michelin-Stern.
Gastlichkeit als Wirtschaftsmotor
Mit insgesamt 30 Sternerestaurants, davon acht in Stuttgart, spielt die Region kulinarisch in der Bundesliga. Gleichzeitig ist die Gastronomie ein bedeutender Arbeitgeber und Ausbilder: Von Service bis Küche werden jährlich hunderte Fachkräfte qualifiziert.
„Dennoch hören wir viele Klagen aus der Gastrobranche“, sagt Herre. Vincent Klink sieht das differenziert: „In authentischen Restaurants, in denen handwerklich gekocht wird, bekommt man abends kaum noch einen Platz. Als Geschäftsmodell ist Gastronomie aber eine Katastrophe – sie funktioniert nur, wenn man selbst nah am Gast ist und als Ansprechpartner präsent bleibt.“
Weinwirtschaft zwischen Spitzenqualität und Preisdruck
Auch im Weinbau ist die Lage ambivalent. „Der Weinkonsum sinkt, besonders bei der jungen Generation. Gleichzeitig steigen die Produktionskosten. Der Preisunterschied zu internationalen Weinen ist enorm – deutsche Weine kosten im Schnitt 4,47 Euro pro Liter, internationale nur 3,72 Euro“, erklärte Herre mit Blick auf Rainer Schnaitmann, VDP-Winzer aus dem Remstal.
„Es wurde lange Zeit zu viel produziert“, ergänzt Schnaitmann, der unter anderem den IHK-Weinberg bewirtschaftet. „Heute achten wir stärker auf Qualität. Wir wollen, dass mehr Menschen weniger, aber dafür besseren Wein trinken.“ Hoffnung macht ihm der Export – besonders für hochwertige regionale Weine.
Regionalität – mehr als nur ein Trend
Die Gäste schätzen Authentizität. Klink setzt daher auf regionale Produkte: „Man sagt mir immer, meine Küche sei regional“, so Klink. „In Frankreich gibt es keine regionale Küche – dort ist alles regional! Wir Schwaben dagegen wollen immer international sein – ich halte das für einen Fehler.“
Auch Schnaitmann betont die Bedeutung nachhaltiger Produktion: „Plötzlich war der Trollinger wieder gefragt. Weinbau ist viel Retro, viel Authentizität. Wir verkaufen keinen Geschmack, sondern Rebsorten.“
Fachkräfte dringend gesucht
Ein zentrales Thema des Abends war der Fachkräftemangel. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, Nachwuchs fehlt. Klink sieht Handlungsbedarf: „Wir haben Probleme mit jungen Leuten – keiner will mehr lernen, alle wollen lehren. Man muss der Jugend aber auch etwas bieten. Heute ist es oft so: Einer portioniert nur Spätzle, der andere brät ausschließlich Schnitzel – das macht keinen Spaß! Wir müssen überlegen, wie wir den Beruf wieder interessanter gestalten können.“
Schnaitmann hat derzeit zwar keine Probleme, junge Menschen zu finden – dennoch sei die Situation nicht mehr wie früher. „Früher kamen die Leute vom Nachbarweingut. Heute leben wir von Quereinsteigern, und alles ist viel internationaler.“ Ihm sind gute Arbeitsbedingungen und Integration besonders wichtig: „Deshalb unterstützen wir unsere Mitarbeitenden auch bei Behördengängen und anderem.“
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Franziska Stavenhagen