Sieg über "fliegende Bauzäune"
Fliegende Bauzäune – in der Versicherungsbranche ist das ein Begriff. Allzu oft wirft ein kräftiger Wind die Absperrungen um, die eigentlich verhindern sollen, dass Fußgänger auf Baustellen in Gruben fallen oder sich ein Bein brechen. Die mobilen Absperrungen aus verzinktem Stahl beschädigen beim Umstürzen oft Autos oder Gebäude - oder verletzen sogar Menschen.
Deniz Keser (l.)und Julian Röder (r.) mit ihrer Erfindung.
„Solche Unfälle führen regelmäßig zu haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen“, so Julian Röder. Der 30-Jährige muss es wissen, er kennt das Problem vom Maklerbetrieb seines Vaters, der auf Bauversicherungen spezialisiert ist.
Betonfüße sind meist zu leicht
Auch Deniz Keser kann ein Lied von den „fliegenden Bauzäunen“ singen. „Laut statischen Berechnungen fallen die Dinger ab einer Windgeschwindigkeit von 55 Kilometern um“, sagt der erfahrene Organisator von Großveranstaltungen wie dem „Stuttgart Electronic Music Festival“. Irgendwann einmal hatte er keine Lust mehr, sich zu ärgern und begann, über das Problem nachzudenken.
“Ab einer Windgeschwindigkeit von 55 Stundenkilometern fallen die Dinger um”
„Die Wurzel des Problems sind nicht die Zäune selbst, sondern die Betonfüße, in die sie gesteckt werden“, hat Keser herausgefunden. Die sehen zwar stabil aus, wiegen aber nur 25 Kilo. „Das ist genug, um einem Bauarbeiter einen Bandscheibenvorfall zu verpassen, aber zu wenig, um einem starken Windstoß standzuhalten.“
Aus Getränkekisten recycelt
Dem 48-jährigen Keser und seinem Geschäftspartner Röder ist es gelungen, beide Probleme zugleich zu lösen In ihrer Freizeit entwickelten sie eine Alternative zum jahrzehntealten Betonfuß. Der „FenzFoot“, wie sie ihr Produkt getauft haben, besteht aus einem schwarzen Hohlkörper aus recyceltem Kunststoff - zum Beispiel von alten Getränkekisten oder Mülltonnen.
Mit einem Leergewicht von 5,3 Kilogramm lässt sich der Kunststofffuß auf der Baustelle leicht von Hand transportieren. Mit Wasser gefüllt wiegt er jedoch 60 Kilo – also deutlich mehr als zwei Betonfüße. „Ein mit FenzFoots gesicherter Zaun hält Windgeschwindigkeiten bis zu 100 Stundenkilometer stand“, sagt Keser – zumindest dann, wenn der Zaun nicht mit Planen behängt ist. In diesem Fall kann die Standfestigkeit noch erhöht werden, indem der Plastikfuß nicht mit Wasser, sondern mit Sand gefüllt und so auf ein Gewicht von über 100 Kilo gebracht wird. Zusätzlich können auch Erdanker eingebracht werden, die extra entwickelten „FenzScrews“.
Großbritannien im Visier
Seit gut zwei Jahren stellen die beiden Stuttgarter ihr Produkt gemeinsam mit einem Spritzgießer im hessischen Bad Vilbel her. Bis zu 5000 Stück pro Woche können von dort direkt an die Kunden geliefert werden - dazu zählt die Bauwirtschaft, aber auch Eventveranstalter.
Noch geht die Produktion fast ausschließlich in den deutschsprachigen Raum, aber die Gründer sehen beispielsweise auch in Großbritannien Potenzial: Dort dürfen Arbeiter laut Gesetz nicht mehr als 20 Kilogramm tragen. Wird der FenzFoot leer aufgestellt und erst dann mit dem Wasserschlauch und einer besonderen Fülllanze gefüllt, ist das kein Problem. Das Wasser lässt sich beim Abbau leicht wieder ablassen, indem man den Fuß auf die Seite kippt.
Weniger Material und Treibhausgas
„Unsere Erfindung dient zugleich der Unfallverhütung, dem Arbeitsschutz und auch der Umwelt“, sagt Deniz Kezer. „Betonfüße sind ein Wegwerfprodukt“, sprudelt es aus ihm heraus. „Jedes Jahr werden auf deutschen Baustellen 15 Millionen Stück eingesetzt.“ Die Produktion von Bauzaunfüßen aus Beton ist sehr rohstoffintensiv und verursacht extrem hohe Emissionen von bis zu 100.000 Tonnen CO2. „Mit unserem Recycling-Produkt, können nicht nur wichtige Rohstoffe gespart werden, sondern auch drei Viertel der CO2-Emissionen.
Biergärten als neues Einsatzfeld
Davon ist das Startup mit drei festen Mitarbeitern in der Stuttgarter City noch weit entfernt, auch wenn die Aufträge zunehmen. Derzeit arbeiten Kezer, Röder und ihr technischer Leiter Klaus Schränkler an einer Erweiterung der Produktfamilie. Denn der FenzFoot kann beispielsweise auch zur Befestigung von Gastronomieschirmen in Biergärten eingesetzt werden.
Eine weitere Idee sind „Eventmöbel“, die sich zum Beispiel auf Messen und Open-Air-Veranstaltungen leicht auf- und abbauen lassen. Auch ein Lärmschutzzaun gehört zu den neuen Produkten. Es sieht also so aus, als werde die Allianz der beiden Gründer aus verschiedenen Branchen weitere Früchte tragen.