Auftragswesen Aktuell März 2025
- Die elektronische Textform nach § 126b BGB im Vergaberecht - ein Gastbeitrag von RA Norbert Dippel
- Einordnung freiberuflicher Leistungen unterhalb des EU-Schwellenwerts
- Augen auf bei der Referenzprüfung und deren Dokumentation!
- Kein Vertragsschluss bei Zuschlag mit Änderungen
- Projektbericht “Dienstleistungen nachhaltig beschaffen” veröffentlicht
- Hilfe bei der nachhaltigen Beschaffung mit dem EU-Umweltzeichen
- Neue Version des EU-Vergabehandbuchs PRAG für EU-Außenhilfen
- Baden-Württemberg: Geänderte Wertgrenzen bei Unterschwellenvergaben
- NRW: Nordrhein-Westfalen plant vereinfachte kommunale Vergabe
- Seminar: IT Vergaben für öffentliche Auftraggeber in der Praxis - Vergabe und vertragliche Gestaltung
Die elektronische Textform nach § 126b BGB im Vergaberecht - ein Gastbeitrag von RA Norbert Dippel
Die Textform nach § 126b BGB ist seit der Vergaberechtsreform 2016 maßgeblich für die elektronische Kommunikation bei öffentlichen Ausschreibungen. Wir erläutern die rechtlichen Grundlagen und klären zentrale Fragen zur praktischen Umsetzung – von den Anforderungen an elektronische Unterschriften bis zu den Besonderheiten der E-Vergabe.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 24. Juni 2019 veröffentlicht. Wir haben ihn seitdem mehrmals und zuletzt im Februar 2025 fachlich geprüft und wo erforderlich überarbeitet.
I. Textform, Schriftform und elektronische Form
Die Textform nach § 126b BGB erlaubt es dem Verwender, mittels einer lesbaren, unterschriftslosen Erklärung elektronisch zu kommunizieren. Sie ist abzugrenzen von der Schriftform nach § 126 BGB und der elektronischen Form nach § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur).
Bei der Verwendung der Textform – im Vergaberecht und darüber hinaus – treten regelmäßig Unsicherheiten und Fragen auf:
- Wer muss bei der Textform „unterschreiben“?
- Kann oder muss man trotz Textform eingescannte Unterschriften verlangen?
- Reicht die Angabe eines Firmennamens oder muss immer auch eine vertretungsberechtigte Person in Textform unterzeichnen?
II. Die Textform im Vergaberecht
Mit der Vergaberechtsreform 2016, die wiederum die EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht umsetzte, wurde die Textform zur ausreichenden und damit dominierenden Form, um unter anderem Angebote und Teilnahmeanträge elektronisch im Rahmen der E-Vergabe einzureichen.
1. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis
Im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte sind § 53 Abs. 1 VgV sowie § 11 Abs. 4 EU VOB/A von herausragender praktischer Bedeutung. Sie schreiben die Abgabe von Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessenbestätigungen und Interessenbekundungen in Textform vor.
Dabei hat der Normgeber ein festes Regel-Ausnahme-Verhältnis etabliert: Nur höchst ausnahmsweise kann der öffentliche Auftraggeber verlangen, dass die vorgenannten Dokumente mit
- einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur,
- einer qualifizierten elektronischen Signatur,
- einem fortgeschrittenen elektronischen Siegel oder
- einem qualifizierten elektronischen Siegel
zu versehen sind.
Dies kann im Einzelfall erforderlich sein, wenn wegen der zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit zu stellen sind (§ 53 Abs. 3 VgV sowie § 11 Abs. 5 EU VOB/A).
Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist eine vorherige Festlegung des Sicherheitsniveaus, dem Daten genügen müssen, die in direktem Zusammenhang mit der Angebotseinreichung gesendet, empfangen, weitergeleitet oder gespeichert werden.
Die Festlegung dieses Sicherheitsniveaus durch die öffentlichen Auftraggeber muss das Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung sein, wie die Bundesregierung in der Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts schreibt. Abzuwägen sei demnach zwischen den zur Sicherung einer richtigen und zuverlässigen Authentifizierung der Datenquelle und der Unversehrtheit der Daten erforderlichen Maßnahmen einerseits und den von nicht berechtigten Datenquellen stammenden und/oder von fehlerhaften Daten ausgehenden Gefahren.
Diese Abwägung greift nicht nur bei dem eigentlichen initialen Vergabeverfahren. Auch
- im Falle der erneuten Einrichtung elektronischer Kataloge,
- bei der Einreichung von Angeboten im Rahmen von Kleinwettbewerben bei einer Rahmenvereinbarung
- oder beim Abruf von Vergabeunterlagen
kann der öffentliche Auftraggeber in gleicher Weise feststellen und in den Vergabeunterlagen festlegen, dass ein niedrigeres Sicherheitsniveau ausreichend ist (Koch in Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 2, § 53 VgV Rz. 21).
Demnach kann für die Ausschreibung eines Rahmenvertrages eine qualifizierte elektronische Signatur gefordert, für die anschließenden Mini-Wettbewerbe hingegen die Textform vorgeschrieben werden.
2. Anwendungsfelder
Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.
Wichtigster Anwendungsfall ist die Übermittlung der Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform (vgl. § 53 Abs. 1 VgV, § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2016).
In diesem Bereich darf auch nur noch in begründeten Ausnahmefällen eine abweichende Verwendung der elektronischen Signatur vorgeschrieben werden, und zwar nur dann, wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen (vgl. § 53 Abs. 3 VgV, § 11 EU Abs. 5 S. 2 VOB/A 2016).
Weitere Anwendungsfälle sind
- die Anfertigung des Vergabevermerks (§ 8 VgV, § 20 EU VOB/A 2016),
- die Unterrichtung der Bewerber und Bieter seitens des öffentlichen Auftraggebers über seine Entscheidungen zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung und der Zuschlagserteilung (§ 62 Abs. 2 VgV),
- die Informationspflicht gegenüber den Bietern und Bewerbern im Zusammenhang mit der Aufhebung von Vergabeverfahren (§ 63 Abs. 2 VgV) und
- die Vorabinformation gem. § 134 GWB.
III. Voraussetzungen der Textform
Eine Legaldefinition der Textform findet sich in § 126b BGB. Dort heißt es:
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das
- es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
- geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.“
1. Lesbare Erklärung, auf der die Person des Erklärenden genannt ist
Bei Erklärungen in Textform ist keine eigenhändige Unterschrift oder Signatur erforderlich.
Die Zuordnungs- und Abschlussfunktion der Unterschrift wird durch das Erfordernis der Namensangabe des Erklärenden ersetzt. Hier ist darauf zu achten, dass bei natürlichen Personen der natürliche Name (§ 12 BGB), bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften der Firmenname (§ 17 HGB) grundsätzlich ohne Zusatz des natürlichen Namens genannt werden muss (Vgl. Junker in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 126b BGB, Rn. 19 f.; bestätigt durch BGH, Urt. v. 01.07.2014, VIII ZR 72/14, juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.12.2018, I 24 U 164/17, juris).
Die Zuordnungs- und Abschlussfunktion der Unterschrift wird durch das Erfordernis der Namensangabe des Erklärenden ersetzt. Hier ist darauf zu achten, dass bei natürlichen Personen der natürliche Name (§ 12 BGB), bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften der Firmenname (§ 17 HGB) grundsätzlich ohne Zusatz des natürlichen Namens genannt werden muss (Vgl. Junker in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 126b BGB, Rn. 19 f.; bestätigt durch BGH, Urt. v. 01.07.2014, VIII ZR 72/14, juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.12.2018, I 24 U 164/17, juris).
Soweit ersichtlich, ist noch nicht geklärt, ob im vergaberechtlichen Kontext neben dem Firmennamen auch die Benennung des Namens der für die Firma handelnden Person gefordert werden darf.
Im Kontext des Verbraucherschutzes (Fernabsatzverträge gem. § 312 c BGB) ist der Gesetzgeber der Ansicht, dass für den Verbraucher aus dem „Informationsdokument“ selbst erkennbar sein muss, von wem die Informationen stammen und wo das Dokument endet.
So heißt es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Bundestags-Drucksache 14/7052, S. 191):
„Hierfür genügt es, wenn der Unternehmer auf dem Dokument seinen Namen bzw. bei juristischen Personen die Firma oder auch nur das dem Verbraucher bekannte „Logo“ angibt; eine weitere Konkretisierung dahingehend, wer innerhalb des Unternehmens, also etwa welche Abteilung, welcher Mitarbeiter etc. die Information abgegeben hat, ist selbstverständlich nicht erforderlich. Die Textform wäre damit gewahrt.
Ähnlich argumentiert der BGH (7. Juli 2010, VIII ZR 321/09) in Bezug auf eine Erklärung nach dem Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG): Es sei allein entscheidend, dass der Empfänger der Erklärung in Textform überhaupt weiß, von wem das Schreiben stammt.
Für diesen Zweck reiche aber bei einer maschinell oder in Textform abgegebenen Erklärung einer juristischen Person die Angabe des Namens der juristischen Person aus. Es wäre eine leere Förmelei, darüber hinaus die Angabe des Namens der natürlichen Person zu verlangen, die das Schreiben unterzeichnet hätte, wenn nicht die Unterschrift wegen der vom Gesetz aus Gründen der Vereinfachung erlaubten Textform oder maschinellen Unterschrift entbehrlich wäre.
Die erleichterte Form diene dem Zweck, den Rechtsverkehr in den Fällen zu vereinfachen, in denen eine Erklärung – etwa aus Informations- oder Dokumentationsgründen – zwar einer textlichen Niederlegung bedarf, aber die Einhaltung der strengeren Schriftform wegen des Erfordernisses der eigenen Unterschrift unangemessen verkehrserschwerend ist.
Dies komme insbesondere bei Vorgängen in Betracht, bei denen die Beweis- und Warnfunktion der Schriftform allenfalls geringe Bedeutung habe und bei denen keiner der Beteiligten und auch kein Dritter ein ernsthaftes Interesse an einer Fälschung der Erklärung haben kann.
Auf dieser Linie liegt auch das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 05.12.2018 – 24 U 164/17), das unter wörtlicher Anlehnung an das vorstehende BGH-Urteil entschieden hat, dass die Kündigungserklärung eines Leasingvertrages in Textform ohne Unterschrift und Benennung einer natürlichen Person als autorisierter Vertreter gültig ist. Es genüge der Name der juristischen Person des Leasinggebers.
Vergleicht man die beiden vorstehenden Konstellationen mit der Angebotsabgabe in einem Vergabeverfahren, so erscheint die Übertragbarkeit fragwürdig. In einem Vergabeverfahren werden oftmals Angebote von erheblichem Wert unterbreitet, deren Abgabe rechtliche Folgen zeitigt und deren Bearbeitung etc. erhebliche Ressourcen bindet.
Deswegen lässt sich durchaus vertreten, dass der öffentliche Auftraggeber ein besonderes Interesse daran haben kann, den Namen des Erklärenden, der für die Firma handelt, zu erfahren. Hiermit würde auch die Gefahr umgangen, Angebote in die Wertung aufzunehmen, die von offensichtlich nicht vertretungsberechtigten Personen abgegeben wurden.
Zu beachten ist auch, dass die Forderung des Auftraggebers, den Namen der Person zu benennen, nicht auf die Wirksamkeit der Textform durchschlagen muss, wenn der Name fehlt.
Außerdem könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass bei einem gesteigerten Interesse an der Authentizität des Angebotes auch eine elektronische Signatur gefordert werden könne. Letztlich bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit dieser besonderen Konstellation umgeht.
Unerheblich ist, an welcher Stelle der Erklärung die Absenderangabe erfolgt. Typischerweise erfolgt sie bei schriftlichen Erklärungen im Briefkopf, beim E-Mail durch einen Zusatz am Ende des E-Mail.
2. Abschlussfunktion
Eine der in der Praxis wohl noch nicht vollständig angekommenen Änderungen, die der elektronische Rechtsverkehr mit sich gebracht hat, betrifft die sog. Abschlussfunktion. Zum Verständnis wird hier kurz die Historie der Änderungen aufgezeigt:
Ursprünglich hatte die eigenhändige Unterschrift auch die Funktion des räumlichen Abschlusses eines Textes, die sog. Abschluss- und Deckungsfunktion der Unterschrift. Die Unterschrift befand sich „unter“ dem Geschriebenen, so dass sich der Unterzeichnende den Text darüber zurechnen lassen musste.
Dieser Gedanke stand auch noch zu Beginn der elektronischen Kommunikation Pate: So hat es die Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (Bundestags-Drucksache 14/4987, Seite 20) aus dem Dezember 2000 darlegt.
Deshalb muss für die Textform wegen der entbehrlichen Unterschrift in anderer Weise das Erklärungsende und damit die Ernstlichkeit des Textes deutlich gemacht werden. Dem Erklärenden wird die dafür geeignete Kenntlichmachung überlassen. Das wird üblicherweise durch Namensnennung, einen Zusatz wie „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben.“, durch ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift oder ähnliche den Abschluss kennzeichnende Weise geschehen.
Die Wahrung der Abschlussfunktion entsprach auch der Regelung in § 126b BGB, die bis zum 12. Juni 2014 galt:
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.“
Zu beachten ist allerdings, dass die oben zitierte und seit dem 13. Juni 2014 geltende Fassung des § 126b BGB die Abschlussfunktion nicht mehr enthält.
In erfreulicher Klarheit hat hierzu beispielsweise die VK Sachsen (Beschl. v. 13.03.2023 – 1/SVK/034-22) ausgeführt:
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss gemäß § 126b BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders einen Abschluss erhält, da diese Forderung im Tatbestand des § 126b BGB mit Novellierung der Norm 2014 aufgegeben wurde.“
Bei der E-Vergabe ist daher entscheidend, dass die übersandten Unterlagen in ihrer Gesamtheit als Angebotsunterlagen bzw. Teilnahmeunterlagen einer namentlich genannten Rechtsperson zugerechnet werden können.
3. Dauerhafter Datenträger
Die Textform ist nur gewahrt, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wurde.
Als solches kommen Urkunden oder sonstige Papierdokumente, Ausdrucke von elektronisch übermittelten Erklärungen (z.B. per Telefax, Computer-Fax oder als E-Post Brief) sowie elektronische Medien wie Festplatte, USB-Stick, CD-ROM, DVD oder Diskette in Betracht; Vgl. Junker in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 126b BGB, Rn. 35.).
Eine bloße Speicherung im Festplatten-Cache erfüllt hingegen nicht das Kriterium der Dauerhaftigkeit.
4. Sonderfall E-Mail
Eine E-Mail genügt zwar grundsätzlich auch den Anforderungen des § 126b BGB, da sie üblicherweise auf der jeweiligen Festplatte des Empfänger-PC oder auf dem entsprechenden Server des Empfängers gespeichert wird. Bei einer Verwendung im Kontext des Vergaberechts gilt es allerdings einige zusätzliche Voraussetzungen zu beachten.
§§ 9 ff. VgV definieren bestimmte Anforderungen an die elektronische Kommunikation, die teilweise in Spezialregelungen noch detailliert werden, so z.B. die verschlüsselte Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten (§§ 54, 55 Abs. 1 VgV; 13 EG Abs. 1 Nr. 2 S. 3 und 4 VOB/A 2016).
Weiterhin muss auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers sichergestellt werden, dass niemand Kenntnis von den Inhalten der Angebote nehmen kann, solange der Öffnungstermin nicht erreicht ist.
Für die praktische Anwendung bedeutet das konkret, dass eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung beim Sendevorgang sowie eine verschlüsselte Aufbewahrung bis zum Submissionstermin gewährleistet sein müssen. Eine E-Mail genügt den Anforderungen, die gem. § 10 VgV an die zu verwendenden elektronischen Mittel zu stellen sind, nicht.
5. Abrufbarkeit der Erklärung im Internet
Die bloße Veröffentlichung einer Erklärung im Internet entspricht für sich genommen nicht den Erfordernissen der Textform, da es sich hierbei regelmäßig nicht um einen dauerhaften Datenträger handelt.
Es genügt daher nicht, wenn die Informationen von der Website heruntergeladen oder ausgedruckt werden können. Der Unternehmer muss sie entweder dem Bieter / Bewerber in Textform zuschicken oder der Verbraucher muss sie sich selbst speichern oder ausdrucken.
Mit dem Speichern bzw. Ausdruck ist die Textform gewahrt. Eine Sonderkonstellation bilden die in elektronischen Vergabeverfahren regelmäßig zur Anwendung kommenden Vergabeplattformen.
Die Informationen werden dort zumeist in verfahrensindividuellen Bereichen oder sog. Projekträumen eingestellt. Bewerber oder Bieter können die Informationen dort einsehen und ggf. herunterladen.
Bewährte Vorteile sind unter anderem, dass nicht nur der Zugriff der Bieter dokumentiert werden kann, sondern auch die Datenintegrität und Vertraulichkeit sichergestellt sind.
Ob und inwieweit dies zulässig ist, war Gegenstand eines Beschlusses der Vergabekammer (VK) Südbayern (Beschluss vom 29.03.2019; Az: Z3-3-3194-1-07-03/19).
IV. Übermittlung und Absenden in Textform
Angebote, Interessenbekundungen etc. müssen in Textform „übermittelt“, unterlegene Bieter gem. § 134 GWB informiert werden. Hinsichtlich des Fristlaufs wird auf das „Absenden“ der Information abgestellt (§ 134 Abs. 2 GWB).
Zur besonderen Problematik des Versendens bzw. des Zugangs der betreffenden Dokumente bei Nutzung einer E-Vergabe-Plattform setzt sich ein weiterer Beitrag in unserem Blog auseinander.
Einordnung freiberuflicher Leistungen unterhalb des EU-Schwellenwerts
Die UVgO enthält in § 50 Regelungen für die Vergabe freiberuflicher Leistungen. Es stellt sich die Frage, wer denn Freiberufler ist?
Grundlage bildet § 18 EStG (Einkommenssteuergesetz)
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Selbstständig Tätige Angehörige
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Selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit
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Selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnliche Berufe
Was sind „ähnliche“ Berufe?
Freiberufliche Leistungen haben im Allgemeinen, auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung, die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art zum Inhalt.
Beispiele aus der Praxis:
Durchführung von Veranstaltungen – Freiberuflichkeit verneint:
Die Durchführung von Veranstaltungen umfasst eine Vielzahl von Dienstleistungen, die von der Miete des Veranstaltungsortes bis hin zu einem Full-Service-Konzept inklusive Catering und Veranstaltungsorganisation reichen können. Diese Dienstleistungen sind in der Regel nicht durch die Merkmale gekennzeichnet, die für freiberufliche Tätigkeiten typisch sind, auch wenn bei der Durchführung von Veranstaltungen intellektuelle Fähigkeiten und organisatorisches Geschick erforderlich sind.
Erstellung von Broschüren – Freiberuflichkeit verneint
Die Erstellung von Broschüren ist eine Dienstleistung, die mit der Verarbeitung von Waren, wie Papier, verbunden ist. Daher wird die Erstellung von Broschüren als eine Dienstleistung betrachtet, die nicht die typischen Merkmale einer freiberuflichen Tätigkeit aufweist.
Die Erstellung von Broschüren ist eine Dienstleistung, die mit der Verarbeitung von Waren, wie Papier, verbunden ist. Daher wird die Erstellung von Broschüren als eine Dienstleistung betrachtet, die nicht die typischen Merkmale einer freiberuflichen Tätigkeit aufweist.
Die eigenständige Erstellung eines Layouts für Broschüren kann jedoch als freiberufliche Leistung angesehen werden, wenn sie im Rahmen einer selbständigen künstlerischen oder gestalterischen Tätigkeit erfolgt.
Erstellung einer Homepage oder Internetdesign – Freiberuflichkeit bejaht
Im Kontext der Erstellung von Websites oder Internetdesigns kann die Tätigkeit als freiberuflich eingestuft werden, wenn sie konzeptionelle oder kreative Lösungen beinhaltet, die durch kreative Leistungen des Auftragnehmers auszufüllen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung nicht eindeutig und erschöpfend im Vorhinein beschrieben werden kann und somit eine geistig-schöpferische Tätigkeit darstellt. Allerdings ist die Einordnung als freiberufliche Leistung auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Wenn die Erstellung der Website überwiegend technische oder handwerkliche Aspekte umfasst, könnte sie eher als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht wird oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten wird.
Im Kontext der Erstellung von Websites oder Internetdesigns kann die Tätigkeit als freiberuflich eingestuft werden, wenn sie konzeptionelle oder kreative Lösungen beinhaltet, die durch kreative Leistungen des Auftragnehmers auszufüllen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung nicht eindeutig und erschöpfend im Vorhinein beschrieben werden kann und somit eine geistig-schöpferische Tätigkeit darstellt. Allerdings ist die Einordnung als freiberufliche Leistung auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Wenn die Erstellung der Website überwiegend technische oder handwerkliche Aspekte umfasst, könnte sie eher als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht wird oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten wird.
Freiberuflichkeit wird außerdem bejaht:
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Auch wenn sie sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient
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Freiberufler können auch gewerbesteuerpflichtig sein
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Gewerbliche Nebentätigkeiten
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Kapitalgesellschaften z.B. GmbH
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Ob § 50 UVgO einschlägig ist, hängt vom Charakter der zu vergebenden Leistung, nicht von der steuerrechtlichen Einordnung der konkreten Leistungserbringer ab.
§ 50 UVgO kommt erst dann nicht mehr zur Anwendung, wenn die zu beschaffende Leistung im Markt ausschließlich von Gewerbetreibenden erbracht oder angeboten wird.
Was steht im § 50 UVgO?
Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.
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Grundsätzlich im Wettbewerb
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Sonderstellung freiberuflicher Leistungen – keine Bindung an die übrigen §§ der UVgO, keine verpflichtende Anwendung der Verfahrensarten Öffentliche Ausschreibung, Beschränkte Ausschreibung, Verhandlungsverfahren
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Orientierung am Verhandlungsverfahren ist möglich
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Freies wettbewerbliches Verfahren bis zum Erreichen des EU-Schwellenwerts
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Natur des Geschäfts
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Große Anzahl an Marktteilnehmern – größerer Wettbewerb
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Keine Marktübersicht vorhanden – ggf. Teilnahmewettbewerb
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Einzelfall
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Binnenmarktrelevanz z.B. Dolmetscherleistungen in Grenznähe
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Der Wettbewerb findet dort seine Grenzen, wo er nicht erforderlich oder sinnvoll ist um sparsam und wirtschaftlich zu beschaffen.
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Nur ein Angebot möglich
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Gewachsenes Vertrauensverhältnis (Einzelfall z.B. Rechtsberatung)
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Größeres Fachwissen
Beachtung des Wechselgebots: Es ist, so weit möglich, unter den Unternehmen zu wechseln.
Sonderregelungen in SH: Bei freiberuflichen Leistungen ist bis zu einem geschätzten Auftragswert von 25.000 € eine Direktvergabe möglich.
Ihre Ansprechpartnerin:
Sabine Tauber, Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein, Tel. 0431 9865144, tauber@abst-sh.de
Augen auf bei der Referenzprüfung und deren Dokumentation!
Die Vergleichbarkeit von Referenzen ist detailliert zu prüfen und im Vergabevermerk nachvollziehbar zu dokumentieren. Ein Vergabevermerk, der lediglich wenige allgemein gehaltene, ein Ergebnis festhaltende Sätze enthält, wonach die Vergleichbarkeit vorgelegter Referenzen im Ergebnis bejaht wurde, ist nicht ausreichend. Bei der Vergleichbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass sich aus dem Umfang bzw. der Größenordnung der von den Bietern referenzierten Projekten zweifelsfrei erschließen lassen muss, ob ein Unternehmen in der Lage ist, Projekte in der ausgeschriebenen Größenordnung zu leisten.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb zum Wiederaufbau einer Kirche Bauleistungen für die Herstellung einer Turmhaube EU-weit aus. Einziges Wertungskriterium war der Preis.
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb zum Wiederaufbau einer Kirche Bauleistungen für die Herstellung einer Turmhaube EU-weit aus. Einziges Wertungskriterium war der Preis.
Zum Nachweis der technisch-beruflichen Leistungsfähigkeit waren mit dem Angebot u.a. einzureichen: „Persönliche Referenzen künstlerische Leitung Kupfertreibarbeiten: Mit dem Angebot sind Angaben zu Referenzprojekten aus den letzten sechs abgeschlossenen Kalenderjahren (2018-2023) abzugeben: a. mind. 3 Referenzen zu Metalltreibarbeiten, die mit den entsprechenden, im LV verankerten, Leistungen aus technisch-künstlerischer Sicht vergleichbar sind. Die erforderlichen Angaben zu den vorgenannten Referenzen sind in unserer Vorlage "Referenzliste - Künstlerische Leitung" benannt." Im Fall der Einschaltung von Nachunternehmern waren die Referenzen für die Leistung Kupfertreibarbeiten vom ausführenden Nachunternehmer vorzulegen.
Die Antragstellerin (Ast.) und Beigeladene (Bg.) gaben fristgerecht Angebote ab. Das Angebot der Bg. lag preislich an erster, das Angebot der Ast. an zweiter Stelle.
Der Vergabevermerk, den ein seitens der Ag. eingeschaltetes Architekturbüro erstellt und dem die Ag. zugestimmt hatte, schlug die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Bg. als wirtschaftlichstem Angebot vor. Zur formalen Prüfung wurde festgehalten, dass von allen Bietern Unterlagen nachgefordert worden seien. Ein im Angebot der Bg. fehlendes Foto zur Referenz 1 wurde nicht thematisiert und war ausweislich der Anlage 1 zum Vergabevermerk mit der Nachforderungsübersicht auch nicht Bestandteil der Nachforderung bei der Bg. In Bezug auf die Eignung der Bg. wurde für die hier streitigen persönlichen Referenzen Kupfertreibarbeiten festgestellt, dass die künstlerische Gestaltung von Bauteilen der persönlichen Referenzen des Nachunternehmers anhand von Fotos in Augenschein genommen und als vergleichbar mit den verlangten Anforderungen gewertet worden sei.
Der Vergabevermerk, den ein seitens der Ag. eingeschaltetes Architekturbüro erstellt und dem die Ag. zugestimmt hatte, schlug die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Bg. als wirtschaftlichstem Angebot vor. Zur formalen Prüfung wurde festgehalten, dass von allen Bietern Unterlagen nachgefordert worden seien. Ein im Angebot der Bg. fehlendes Foto zur Referenz 1 wurde nicht thematisiert und war ausweislich der Anlage 1 zum Vergabevermerk mit der Nachforderungsübersicht auch nicht Bestandteil der Nachforderung bei der Bg. In Bezug auf die Eignung der Bg. wurde für die hier streitigen persönlichen Referenzen Kupfertreibarbeiten festgestellt, dass die künstlerische Gestaltung von Bauteilen der persönlichen Referenzen des Nachunternehmers anhand von Fotos in Augenschein genommen und als vergleichbar mit den verlangten Anforderungen gewertet worden sei.
Die Ag. teilte der Ast. mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Bg. erteilt werden solle. Dies rügte die Ast., da nach ihrer Marktkenntnis ausgeschlossen sei, dass die Bg. über Referenzen in Bezug auf Kupfertreibarbeiten verfüge, die mit den hier ausgeschriebenen, anspruchsvollen Kupfertreibarbeiten vergleichbar sein könnten. Die Ag. half der Rüge nicht ab, da keine vergleichbaren Referenzen speziell zu Kupfertreibarbeiten gefordert worden seien, sondern allgemeiner zu Metalltreibarbeiten. Die Ast. stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag bei der VK Bund.
Beschluss:
Teilweise mit Erfolg. Der Ag. wurde untersagt, auf Basis der vorliegenden Eignungsprüfung den Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht sei eine erneute Eignungsprüfung durchzuführen und zu dokumentieren. Der zulässige Nachprüfungsantrag sei begründet, soweit sich die Ast. auf die Eignungsprüfung der Bg. beziehe. Nicht begründet ist der Nachprüfungsantrag, soweit die Ast. die Erteilung des Zuschlags auf ihr eigenes Angebot beantragt.
Teilweise mit Erfolg. Der Ag. wurde untersagt, auf Basis der vorliegenden Eignungsprüfung den Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht sei eine erneute Eignungsprüfung durchzuführen und zu dokumentieren. Der zulässige Nachprüfungsantrag sei begründet, soweit sich die Ast. auf die Eignungsprüfung der Bg. beziehe. Nicht begründet ist der Nachprüfungsantrag, soweit die Ast. die Erteilung des Zuschlags auf ihr eigenes Angebot beantragt.
Die Basis der Eignungsprüfung sei zwar korrekt, es fehle aber an einer korrekten Umsetzung der Prüfung. Dabei bewege sich der Fehler der Ag. vorrangig auf der Ebene der Dokumentation, denn es sei praktisch keine Dokumentation der Eignungsprüfung vorhanden. Der Vergabevermerk enthielte lediglich wenige allgemein gehaltene, ein Ergebnis festhaltende Sätze, wonach die Vergleichbarkeit der von der Bg. vorgelegten Referenzen auf Basis von Fotos im Ergebnis bejaht wurde. Ähnliches gelte für die Prüfung eines ebenfalls geforderten Logistik-, Zeit- und Kapazitätskonzepts, das bei der Eignungsprüfung gar keine Erwähnung gefunden habe. Die Ag. habe eine Vielzahl von Eignungskriterien aufgestellt und Nachweise gefordert, die in der Folge auch einer inhaltlich-materiellen Aus- und Bewertung bedürfen würden. Die einzureichenden Nachweise etc. stellten die formale Grundlage für eine materielle Eignungsprüfung dar.
Bereits auf der Ebene der formellen Grundlagen mit einem fehlenden Foto für eine Referenz der Bg. sei falsch umgegangen worden, als angesichts des für die Fotoanlage eingetragenen "nein" eigentlich bei der Bg. hätte aufgeklärt werden müssen, was mit dem "nein" gemeint ist; ggfs. wäre das Foto nachzufordern gewesen.
Bereits auf der Ebene der formellen Grundlagen mit einem fehlenden Foto für eine Referenz der Bg. sei falsch umgegangen worden, als angesichts des für die Fotoanlage eingetragenen "nein" eigentlich bei der Bg. hätte aufgeklärt werden müssen, was mit dem "nein" gemeint ist; ggfs. wäre das Foto nachzufordern gewesen.
Was die positive Entscheidung bezüglich der Bg. anbelange, sei der Ast. bezüglich ihres zentralen Angriffspunktes, nämlich das Verständnis der Eignungsvorgabe "Metalltreibarbeiten" jedoch nicht zu folgen. Die Ast. habe zwar nachvollziehbar deutlich gemacht, dass in der Praxis ein Schwerpunkt bei Metalltreibarbeiten aufgrund der Materialeigenschaften in der Kupferbearbeitung liege. Es sei daher durchaus vorstellbar, dass aus fachkundiger Bietersicht die Begrifflichkeit der Metalltreibarbeiten gleichgesetzt werde mit Kupfertreibarbeiten. Hier habe die Ag. jedoch ganz bewusst den weiteren Rahmen gesetzt und auch Treibarbeiten mit anderen Materialien als Referenz zugelassen. Dies sei auch für einen fachkundigen Bieter klar erkennbar gewesen.
Allerdings hätte die Ag. sich mit den Referenzen der Bg. als Zuschlagskandidatin befassen und diese einer näheren Prüfung zuführen müssen. Auch wenn die Ast. nicht durchdringe mit ihrem Argument, Metalltreibarbeiten seien gleichzusetzen mit Kupfertreibarbeiten, so wäre doch zumindest eine dokumentierte Befassung damit erforderlich gewesen, auf welches Metall sich die Referenzen beziehen, um einschätzen zu können, ob die Anforderung der Metalltreibarbeit überhaupt erfüllt sei. Ebenso wäre es notwendig gewesen, sich mit der technisch-künstlerischen Vergleichbarkeit zu befassen und diese zu begründen. Die Auftragswerte der Referenzaufträge seien zwar beim technisch-künstlerischen Vergleichbarkeitsmaßstab nicht explizit vorgegeben gewesen. Allerdings sei im Zuge der Prüfung der Vergleichbarkeit auch zu berücksichtigen, dass sich aus dem Umfang bzw. der Größenordnung der von den Bietern referenzierten Projekten zweifelsfrei erschließen lassen müsse, ob ein Unternehmen auch in der Lage sei, Projekte in der ausgeschriebenen Größenordnung leisten und den technisch-künstlerischen Anforderungen gerecht werden zu können. Dazu gebe es es keine Aussage im Vergabevermerk, so dass die Bejahung der Eignung auf dieser Basis keinen Bestand haben könne.
Die Ag. habe die Eignungsprüfung erneut durchzuführen und angemessen zu dokumentieren. Da vor diesem Hintergrund die Entscheidung über den Zuschlag in der Sache offen sei, die vorliegende Entscheidung durchaus vergaberechtskonform und begründbar sein könne, komme die beantragte Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Ast. aus diesem Grund nicht in Betracht.
Praxistipp:
Um Dokumentationsmängel bei der Eignungsprüfung zu vermeiden, müssen Referenzen einer inhaltlichen Prüfung unterzogen werden. Die Gründe für eine Vergleichbarkeit oder Nichtvergleichbarkeit mit der ausgeschriebenen Leistung sind ausführlich zu dokumentieren. Lediglich allgemeine Ausführungen im Vergabevermerk, wonach die Vergleichbarkeit der vorgelegten Referenzen im Ergebnis bejaht wurde, sind nicht ausreichend.
Praxistipp:
Um Dokumentationsmängel bei der Eignungsprüfung zu vermeiden, müssen Referenzen einer inhaltlichen Prüfung unterzogen werden. Die Gründe für eine Vergleichbarkeit oder Nichtvergleichbarkeit mit der ausgeschriebenen Leistung sind ausführlich zu dokumentieren. Lediglich allgemeine Ausführungen im Vergabevermerk, wonach die Vergleichbarkeit der vorgelegten Referenzen im Ergebnis bejaht wurde, sind nicht ausreichend.
Kein Vertragsschluss bei Zuschlag mit Änderungen
Ist dem Zuschlagsschreiben als Anlage ein Vertrag mit Änderungen gegenüber dem bekanntgemachten Entwurf beigefügt, führt dies nicht zum Vertragsschluss. Die Annahme eines modifizierten Angebotes führt gleichwohl zur Beendigung des Vergabeverfahrens.
Sachverhalt:
Im Verhandlungsverfahren mit TN-Wettbewerb wurde eine Rahmenvereinbarung über Ingenieurleistungen, betreffend die baufachlichen Prüfungen bei Zuwendungen für Baumaßnahmen im Land Sachsen-Anhalt ausgeschrieben. Die Netto-Auftragssumme betrug 9,6 Mio. € und war in drei Lose aufgeteilt. Die Laufzeiten der Lose der Rahmenvereinbarung waren identisch und betrugen jeweils drei Jahre (01.02.2024 bis 31.07.2027). Es war eine Verlängerungsoption für ein Jahr vorgesehen.
Im Verhandlungsverfahren mit TN-Wettbewerb wurde eine Rahmenvereinbarung über Ingenieurleistungen, betreffend die baufachlichen Prüfungen bei Zuwendungen für Baumaßnahmen im Land Sachsen-Anhalt ausgeschrieben. Die Netto-Auftragssumme betrug 9,6 Mio. € und war in drei Lose aufgeteilt. Die Laufzeiten der Lose der Rahmenvereinbarung waren identisch und betrugen jeweils drei Jahre (01.02.2024 bis 31.07.2027). Es war eine Verlängerungsoption für ein Jahr vorgesehen.
In der Bekanntmachung war aufgeführt, dass sie den Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern betraf. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Angebote waren auf ein oder mehrere Lose zugelassen, den Vergabeunterlagen war ein Entwurf der Rahmenvereinbarung beigefügt.
Es gingen zwei Teilnahmeanträge von der Antragstellerin (ASt) sowie der Beigeladenen (BG) ein. Beide Bewerber wurden vom Antragsgegner (AG) als geeignet angesehen und zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert.
In Bietergesprächen wurde den Teilnehmern jeweils mitgeteilt, dass es zu Interessenkonflikten kommen könne, weshalb die Rahmenvereinbarung um eine „Befangenheitsklausel“ ergänzt werden sollte. Der ASt wurde zudem mitgeteilt, dass keine Mindestabnahmemenge garantiert werden könne.
Die Teilnehmer beteiligten sich mit jeweils einem Hauptangebot für jedes Los. Die Angebote der BG waren dabei jeweils günstiger als die Angebote der ASt.
Im Vergabevermerk „Entscheidung über den Zuschlag“ (Formblatt 331 VHB-Bund) gab der AG an, den Zuschlag für sämtliche Lose jeweils sowohl auf das Hauptangebot der BG als auch auf das Hauptangebot der ASt erteilen zu wollen. Beide Bieter wurden unter Verwendung eines Formblattes darüber informiert, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf ihre Hauptangebote je Los zu erteilen. Aus dem Informationsschreiben ging nicht hervor, dass der Zuschlag auf beide Hauptangebote je Los erteilt werden sollte und in welchem Rangverhältnis die bezuschlagten Hauptangebote zueinanderstanden.
Der AG übersandte über die Vergabeplattform an beide Bieter gleichlautende Zuschlagsschreiben. Diesen waren, bezogen auf die Hauptangebote zu allen drei Losen, Anlagen beigefügt. Darunter war eine „finale Rahmenvereinbarung mit Änderungen zum Entwurf“, welche sich auf den Auftrag lediglich zu Los 1 bezog. Außerdem wurde der Gegenstand der Vereinbarung wie folgt geändert: Statt
„für Investitionsvorhaben, welche mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GW) sowie des Just Transition Fund (JTF) gefördert werden …“
„für Investitionsvorhaben, welche mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GW) sowie des Just Transition Fund (JTF) gefördert werden …“
lautete es dann:
„für Investitionsvorhaben, welche mit Mitteln des Landes gefördert werden …“
Weitere Änderungen betrafen Modalitäten der Abrechnung von Einzelaufträgen, Datenschutz und Prüfungsrechte des Landesrechnungshofes. Ein weitere zusätzliche Regelung betraf den Umgang mit Interessenkonflikten des Auftragnehmers.
Eine Information darüber, dass der Zuschlag jeweils auf zwei Hauptangebote unterschiedlicher Bieter erteilt wurde, enthielt auch das Zuschlagsschreiben nicht.
Auf Nachfrage der ASt erfolgte die Auskunft, die Rahmenvereinbarungen zu den Losen 2 und 3 seien ebenfalls entsprechend dem Muster abgeändert worden. Der AG übersandte zugleich einen Entwurf zu Anlage 2 der Rahmenvereinbarung. Diese betraf eine Checkliste über bestimmte Leistungen und enthielt eine Aufstellung von Leistungsphase mit zu erbringenden Teilleistungen.
Hierauf zeigte die ASt Gesprächs- und Klärungsbedarf an, woraufhin der AG die Anlage 2 in Bezug auf Abrechnungsmöglichkeit nach Stundensätzen modifizierte.
Weiter teilte der AG auf Nachfrage der ASt mit, dass der Zuschlag auf die Angebote mehrerer Bieter erteilt worden sei und die Auftragserteilung nach dem Kaskadenverfahren erfolgen solle. Gemeint war, dass Einzelaufträge an den Auftragnehmer mit dem preisgünstigsten Angebot erteilt werden sollen. Bei Vorliegen eines Interessenkonflikts oder fehlenden Kapazitäten des Erstplatzierten solle der Einzelauftrag an den weiteren Auftragnehmer erteilt werden.
Die BG unterzeichnete die Rahmenvereinbarungen für alle drei Lose.
Die ASt rügte den Abschluss der ggü. den Vergabeunterlagen modifizierten Rahmenvereinbarung als vergaberechtswidrige de facto-Vergabe. Die Zuschlagserteilung sei unwirksam, weil sie Änderungen enthalte.
Nach Gesprächen des AG mit der ASt zur Motivation des Abschlusses von Rahmenvereinbarungen mit jeweils zwei Auftragnehmern und der Erklärung des Funktionsprinzips der Verteilung der Einzelaufträge, half der AG den Rügen nicht ab.
Die ASt stellt daher einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt. Dieser wurde als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die ASt mit der sofortigen Beschwerde an das OLG Naumburg. Die ASt begehrt u.a. die Aufhebung des Zuschlags, um Ihre Chance auf einen Zuschlag im zweiten Anlauf zu wahren.
Beschluss:
Ohne Erfolg! Das OLG Naumburg stellte klar, dass der Zugang zum vergaberechtlichen Primärrechtsschutz grundsätzlich nur in einem schon begonnenen und noch laufenden Vergabeverfahren gewährt werde. Das Nachprüfungsverfahren diene der Wahrung der subjektiven Rechte eines Teilnehmers bzw. Interessenten am Auftrag auf Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften. Rechtsverletzungen sollten im laufenden Verfahren beseitigt werden, um die endgültige Schädigung betroffener Interessen zu vermeiden.
Ohne Erfolg! Das OLG Naumburg stellte klar, dass der Zugang zum vergaberechtlichen Primärrechtsschutz grundsätzlich nur in einem schon begonnenen und noch laufenden Vergabeverfahren gewährt werde. Das Nachprüfungsverfahren diene der Wahrung der subjektiven Rechte eines Teilnehmers bzw. Interessenten am Auftrag auf Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften. Rechtsverletzungen sollten im laufenden Verfahren beseitigt werden, um die endgültige Schädigung betroffener Interessen zu vermeiden.
Ein Nachprüfungsantrag nach Zuschlagserteilung sei statthaft, wenn die Feststellung der Unwirksamkeit der das Vergabeverfahren beendenden Maßnahme des öffentlichen Auftraggebers geltend gemacht wird. Die Vergabekammer habe zu Recht festgestellt, dass zwischen dem AG und der BG in jedem Los eine Rahmenvereinbarung wirksam geschlossen worden sei.
Zwar sei der Zuschlag zivilrechtlich nicht als vorbehaltlose Annahme der Angebote der BG zu verstehen. Vielmehr sei die modifizierte Annahme als Ablehnung des Angebots und als Unterbreitung eines neuen Angebotes zu bewerten. Die BG habe die geänderten Angebote angenommen. Der zivilrechtlich wirksame Abschluss der jeweiligen Rahmenvereinbarung habe zur Folge gehabt, dass das jeweilige Vergabeverfahren je Los beendet worden sei.
Zwar bestehe ein Interesse der ASt am Auftrag. Sie habe zwar das mit Modifikationen des AG versehene Angebot nicht angenommen, sich dabei aber gerade auf die Unzumutbarkeit der Annahme berufen. Der jeweilige ASt habe jedoch weiter dazulegen, dass ihm durch den behaupteten Vergabeverstoß ein Schaden entstanden sei. Die Zuschlagschancen des ASt seien vorliegend jedoch nicht beeinträchtigt worden, der gerügte Vergabeverstoß damit folgenlos geblieben.
Der modifizierte Zuschlag sei vorliegend nicht ausgeschlossen, da sich die Anpassungen im Rahmen des vorgegebenen Konzepts bewegen würden. Die Identität der ausgeschriebenen Leistung sei gewahrt worden. Unter Bezugnahme auf das einzige Zuschlagskriterium Preis habe die ASt ein schlechteres Angebot abgegeben als die BG. Sie habe bei Angebotsabgabe über identische Informationen wie die BG verfügt und kein preisgünstigeres Angebot abgeben können
Praxistipp:
Eine Zuschlagserteilung mit Änderungen stellt eine Ablehnung des Angebotes des Bieters dar und führt nicht zum Vertragsschluss. Gleichwohl wird dem Bieter die Möglichkeit eingeräumt, den Vertragsschluss durch Zustimmung zu den geänderten Bedingungen herbeizuführen. Diese Vorgehensweise führt vermehrt zu Unsicherheiten über den Abschluss des Vergabeverfahrens und die Einleitung von Nachprüfungsverfahren. Notwendige Änderungen sollten daher im laufenden Verfahren kommuniziert, mit den Bietern abgestimmt und dokumentiert werden. Ist dies unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften nicht umsetzbar, sollte die Möglichkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens und die Neuausschreibung mit überarbeiteten Vergabeunterlagen geprüft werden.
Eine Zuschlagserteilung mit Änderungen stellt eine Ablehnung des Angebotes des Bieters dar und führt nicht zum Vertragsschluss. Gleichwohl wird dem Bieter die Möglichkeit eingeräumt, den Vertragsschluss durch Zustimmung zu den geänderten Bedingungen herbeizuführen. Diese Vorgehensweise führt vermehrt zu Unsicherheiten über den Abschluss des Vergabeverfahrens und die Einleitung von Nachprüfungsverfahren. Notwendige Änderungen sollten daher im laufenden Verfahren kommuniziert, mit den Bietern abgestimmt und dokumentiert werden. Ist dies unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften nicht umsetzbar, sollte die Möglichkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens und die Neuausschreibung mit überarbeiteten Vergabeunterlagen geprüft werden.
OLG Naumburg, Beschluss vom 11.10.2024, Az.: 6 Verg 2/24
Ihr Ansprechpartner:
Lars Wiedemann, wiedemann@abst-mv.de, 0385 61738110
Projektbericht “Dienstleistungen nachhaltig beschaffen” veröffentlicht
Die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) beim Beschaffungsamt des BMI (BeschA) hat einen Projektbericht zur Frage, wie Nachhaltigkeit bei öffentlichen Vergaben von Dienstleistungen berücksichtigt werden kann, veröffentlicht.
Er richtet sich an öffentliche Auftraggeber des Bundes, der Länder und Kommunen. Der Bericht vermittelt Grundlagen, beleuchtet konkrete Kriterien und zeigt Anwendungsfälle in den Bereichen Transport und Kurier sowie IT-Weiterbildung auf.
Erarbeitet wurde der Projektbericht im Auftrag der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung vom Anwaltsbüro Gaßner, Groth, Siederer & Coll. (GGSC) gemeinsam mit Ramboll Management Consulting - civity. Er trägt den übergreifenden Titel „Dienstleistungen nachhaltig beschaffen“ und ist in drei Teile gegliedert:
In Teil A werden die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert und die Spielräume dargestellt, die öffentliche Auftraggeber bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten haben. Neben Regelungen des Bundes werden auch Vorgaben der Länder analysiert.
In Teil B werden die Nachhaltigkeitsthemen im Hinblick auf ihre vergaberechtlichen Möglichkeiten eingeordnet. Es werden die verschiedenen Vergabeebenen von den Mindestanforderungen über die Zuschlagskriterien bis zu den Ausführungsbedingungen betrachtet.
In Teil C sind für die Dienstleistungsbereiche IT-Weiterbildung und Transport / Kurier konkrete Formulierungsbeispiele zur Integration von Nachhaltigkeitskriterien angeführt.
Quelle: Beschaffungsamt des BMI – Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB)
Hilfe bei der nachhaltigen Beschaffung mit dem EU-Umweltzeichen
Öffentliche Auftraggeber, die Nachhaltigkeitsziele in den Beschaffungsprozess integrieren möchten, können dies zukünftig mit dem EU-Umweltzeichen einfacher gestalten.
Das EU-Umweltzeichen unterstützt mit fast 100.000 zertifizierten Waren und Dienstleistungen in 25 Produktkategorien Behörden, Beschaffer und Unternehmen bei der Beschaffung umweltfreundlicher Produkte. Die Waren und Dienstleistungen mit dem EU-Umweltzeichen sind führend in der Umweltleistung und erfüllen wissenschaftlich festgelegte Kriterien.
Auf der Website des EU-Umweltzeichens finden sich praktische Tipps sowie Anleitungen zur Integration des EU-Umweltzeichens in den Beschaffungsprozess.
Neue Version des EU-Vergabehandbuchs PRAG für EU-Außenhilfen
Die Europäische Kommission hat im Januar 2025 eine neue Fassung des Vergabehandbuchs PRAG „Practical Guide to Contract Procedures for EU External Actions“ veröffentlicht.
Der Practical Guide 2025 enthält alle wesentlichen Informationen zu den Vorschriften, die für die Durchführung von Vergabeverfahren (Dienstleistungs-, Bau- und Lieferaufträge) oder die Gewährung von Finanzhilfen in den Außenbeziehungen der Europäischen Union erforderlich sind. Unternehmen können sich hier zu den Anforderungen und Kriterien für die Teilnahme an EU-Ausschreibungen informieren.
Die wesentlichen Änderungen betreffen die stärkere Digitalisierung von Vergabeverfahren u.a. durch die Einführung der Onlinebewerbung und der E-Unterschrift. Die Verfahren sollen damit transparenter und flexibler gestaltet und insbesondere die Zugangshürden für kleine und mittlere Unternehmen gesenkt werden. Geänderte Compliance-Anforderungen sollen die Einhaltung von europäischen Werten durch die beteiligen Unternehmen sicherstellen.
Weitere Informationen zum PRAG 2025 finden Sie auf der Seit der EU.
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, Tel. 089 5116-3172, muellers@abz-bayern.de
Baden-Württemberg: Geänderte Wertgrenzen bei Unterschwellenvergaben
Für Kommunen gelten unterhalb der EU-Schwellenwerte seit dem 01.01.2025 und befristet bis zum 01.10.2027 folgende Wertgrenzen (in Euro):
Liefer- und Dienstleistungen
bis 221.000 Euro | Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb |
bis 221.000 Euro | Verhandlungsvergabe |
bis 100.000 Euro | Direktauftrag |
Bauleistungen
bis 1.000.000 Euro | Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb |
bis 221.000 Euro | Freihändige Vergabe |
bis 100.00 Euro | Direktauftrag |
Für Landesvergabestellen gelten unterhalb der EU-Schwellenwerte seit dem 01.10.2024 und befristet bis zum 31.12.2026 folgende Wertgrenzen (in Euro):
Liefer- und Dienstleistungen
bis 221.000 Euro | Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb |
bis 221.000 Euro | Verhandlungsvergabe |
bis 100.000 Euro | Direktauftrag |
Bauleistungen
bis 50.000 Euro | Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für Ausbaugewerke (ohne Energie- und Gebäudetechnik-, Landschaftsbau, Straßenausstattung) |
bis 150.000 Euro | Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für Tief-, Verkehrswege- und Ingenieurbau |
bis 100.000 Euro | Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für alle übrigen Gewerke |
bis 10.000 Euro | Freihändige Vergabe |
bis 3.000 Euro | Direktauftrag |
NRW: Nordrhein-Westfalen plant vereinfachte kommunale Vergabe
Nordrhein-Westfalen plant, alle landesrechtlichen Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren aufzuheben. Das sieht die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vor.
Am 11. Februar 2025 hat das Landeskabinett Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen beschlossen.
Die zuständige Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach, hat den Entwurf am 13. Februar dem Landtagspräsidenten zugesandt, er befindet sich als Vorlage 18/3597 in der Parlamentsdatenbank des Landtags.
Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs
Mit dem Entwurf plant das Land, notwendige Änderungen in der nordrhein-westfälischen Kommunalgesetzgebung umzusetzen, die sich unter anderem aus dem Antrag der Koalition Kommunale Demokratie und kommunales Ehrenamt als Fundament unserer freiheitlichen Demokratie stärken und fördern ergeben haben.
Eine zentrale Änderung betrifft das „gestufte Aufgabenmodell“ von 1981, dessen Grundannahme – dass höhere Einwohnerzahlen automatisch zu gesteigerter Verwaltungskraft führen – angesichts zunehmender Aufgaben und Personalknappheit nicht mehr zeitgemäß erscheine.
Weitere Anpassungen zielen auf die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit durch Überarbeitung des Nachbarschaftsprinzips, die Vereinfachung des kommunalen Vergaberechts besonders bei Unterschwellenvergaben sowie Änderungen bei den kommunalen Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen ab.
Das Artikelgesetz sieht Änderungen an den folgenden Normen vor:
- Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
- Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
- Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
- Gesetz über den Regionalverband Ruhr
- Gesetz über den Landesverband Lippe
- Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit
- Gesetz über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen
- Gemeindeprüfungsanstaltsgesetz
- Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen
- Kommunalunternehmensverordnung
Kommunales Vergaberecht erleichtern
Im Koalitionsvertrag betonten die Koalitionäre, dass die kommunalen Vergabegrundsätze vorbildlich für Deutschland seien und über das Jahr 2022 hinaus verlängert und zu einer Rechtsverordnung fortentwickelt werden sollten. Im Zuge von Erfahrungen mit diesen soll nunmehr das kommunale Vergaberecht wesentlich erleichtert und die Unterschwellenvergabe freigegeben werden.
Dafür erhält die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen einen neuen § 75a Allgemeine Vergabegrundsätze, der im Entwurf folgenden Wortlaut hat:
(1) Die Gemeinde hat die Vergabe von öffentlichen Aufträgen vorbehaltlich anderweitiger Rechtsvorschriften wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz zu gestalten. Dies gilt auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte nach § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245) in der jeweils geltenden Fassung liegt. Die Geltung höherrangiger Vorschriften sowie der Vorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert die in Satz 2 genannten Schwellenwerte erreicht, bleibt unberührt.
(2) Die Gemeinde selbst darf weitere Vergaberegelungen nur durch den Beschluss einer Satzung erlassen.
Mit dieser Regelung würden alle landesrechtlichen Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren aufgehoben. Kommunen wären nach Inkrafttreten grundsätzlich erst ab Erreichen der europäischen Schwellenwerte verpflichtet, förmlich auszuschreiben.
Pflicht zur Anwendung von UVgO und VOB/A entfällt
Mit der Gesetzesänderung ist § 26 Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen aufzuheben, was Artikel 9 des Gesetzentwurfs vorsieht. Die Pflicht für Kommunen, im Unterschwellenbereich bei der Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen die VOB/A (Abschnitt 1) und bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen die bundesrechtliche Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) grundsätzlich anzuwenden, entfällt also.
Die Regelung, wonach Kommunen Aufträge nur zu Marktpreisen erteilen dürfen, sei laut der Landesregierung bereits durch die Allgemeinen Haushaltsgrundsätze in § 75 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen berücksichtigt.
§ 75a Absatz 1 würde dann die Pflicht einer Gemeinde regeln, die Vergabe öffentlicher Aufträge – vorbehaltlich anderer Rechtsvorschriften – wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz zu gestalten. Das Recht auf ein diskriminierungsfreies und transparentes Verfahren ergäbe sich bereits insbesondere aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Hiernach würden den Kommunen neben den „Allgemeinen Vergabegrundsätzen“ im EU-Unterschwellenbereich keine weiteren Pflichten auferlegt.
„Schweizer Modell“
Mit dem Wegfall der Bindung kommunaler Ausschreibungen an die VOB/A wird dem Normengeber zufolge in Nordrhein-Westfalen das sogenannte „Schweizer Modell“ umgesetzt:
Auch in der Schweiz erhält die Bieterin oder der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag. Damit ist nicht immer der niedrigste Angebotspreis verbunden. Kriterien wie Qualität, Zweckmäßigkeit und Betriebskosten können durch die Kommune vorgegeben und damit berücksichtigt werden.
Dadurch soll die Qualität einer Leistung im Rahmen einer kommunalen Ausschreibung wieder ein höheres Gewicht bekommen.
Mehr Vorgaben bleiben möglich
Nordrhein-westfälische Kommunen erhalten hiernach künftig vergaberechtlich ebenso viel Handlungsfreiheit wie ihre Tochtergesellschaften. Das sei ein erheblicher Beitrag zum Bürokratieabbau.
Nach § 75a Absatz 2 dürfen die Kommunen aber weiterhin örtliche Vergaberegelungen erlassen, die örtlich ein höheres Anforderungsniveau als einen Globalverweis auf Gleichbehandlung und Transparenz festlegen. Eine solche Selbstbeschränkung habe aber im Wege des Satzungsbeschlusses zu erfolgen.
So soll der Rat in die Lage versetzt werden, sich mit dem eigenen Regelungswerk auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, ob und inwieweit in einem örtlichen Regelungswerk mehr Vorgaben als dann gesetzlich zwingend erforderlich vorgesehen werden soll.
Änderung der Kommunalunternehmensverordnung
In der Folge ist § 8 Anwendung der Vergabegrundsätze der Kommunalunternehmensverordnung zu ändern, was der Gesetzentwurf unter Artikel 10 vorsieht. Er hat im Entwurf den folgenden Wortlaut:
Kommunalunternehmen haben Vergaben von öffentlichen Aufträgen vorbehaltlich anderweitiger Rechtsvorschriften wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz zu gestalten, soweit die Auftragsvergabe der Erfüllung von durch Satzung übertragenen hoheitlichen Aufgaben aus den in § 107 Absatz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen angeführten Bereichen dient.
Dies gilt auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte nach § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245) in der jeweils geltenden Fassung liegt.
Inkrafttreten
Einzelne Artikel bzw. Nummern des Gesetzentwurfs sollen mit Beginn der neuen Wahlperiode, also nach den am 14. September 2025 stattfindenden Kommunalwahlen in Kraft treten. Dies gilt nicht für die vergaberelevanten Teile des Entwurfs, die am Tag nach der Verkündung in Kraft treten sollen.
Seminar: IT Vergaben für öffentliche Auftraggeber in der Praxis - Vergabe und vertragliche Gestaltung
Seminarort | IHK Region Stuttgart |
Termin | 02.04.2025, 10:00 bis 17:00 Uhr |
Teilnahmeentgelt | 120 Euro je Teilnehmer |
Weitere Informationen zu dem Seminar sowie die Möglichkeit sich anzumelden, finden Sie auf der Internetseite der IHK Region Stuttgart.