IHK-Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg

Auftragswesen Aktuell März 2024

Handwerk und BLB NRW stärken Zusammenarbeit durch eine neue Vergabevereinbarung

Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) und Handwerk NRW haben im Januar 2024 eine neue Vergabevereinbarung unterzeichnet, die eine mittelstandsgerechte Vergabe im öffentlichen Sektor fördern soll.
Die neue Vergabevereinbarung sieht vor, dass geeignete Vorhaben nach Möglichkeit in mehrere, kleinere Aufträge unterteilt werden – die somit für den Mittelstand attraktiv sind und löst die Vereinbarung aus dem Jahr 2006 ab. Darüber hinaus wurde sie an veränderte Rechtsvorschriften angepasst.
Das aktualisierte Schriftstück bestätigt den Grundsatz der Mittelstandsfreundlichkeit beispielsweise bei der Vergabe von Gebäudemanagement-Dienstleistungen. Geeignete Bauvorhaben werden nach dem Prinzip der teil- und fachloseweisen Vergabe in kleinere Teilleistungen beziehungsweise in qualitativ abgrenzbare Fachleistungen für die öffentliche Ausschreibung zerlegt. Mit dieser Aufteilung wird explizit der Mittelstand angesprochen.
Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite des BLB NRW.

Rügen über den Nachrichtendienst WhatsApp

Wie hoch sind die formalen Anforderungen an eine Rüge und können begründete Zweifel auch über einen Nachrichtendienst bekannt gegeben werden? Mit dieser Frage hat sich die Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern bereits im Jahr 2022 auseinandergesetzt.

Sachverhalte:
In einem Offenen Verfahren wurden Leistungen EU-weit ausgeschrieben. Die Bekanntmachung enthielt den Eintrag „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“. Nach Bekanntmachung des Ergebnisses des Öffnungstermins schrieb der Geschäftsführer der Antragstellerin (ASt) dem Projektleiter des Antragsgegners (AG) über WhatsApp eine Nachricht: „Hallo …., das Ergebnis kennst Du ja bestimmt schon. Vllt. könnt ihr mal gucken, ob die geforderte AK 2 wirklich vorliegt.
Drei Wochen später erhielt die ASt die Nachricht, dass die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter beabsichtigt sei. Mit dem Nachprüfungsantrag äußert die ASt Zweifel an der Geeignetheit des anderen Bieters. Die AG trägt vor, dass die mittels WhatsApp gesendete Nachricht keine formal gültige Rüge sei. Somit sei auch der Nachprüfungsantrag unzulässig. Des Weiteren trägt die AG vor, die Rüge sei mit Hinweis auf die Bieterplattform zurückgewiesen worden.
Beschluss:
Der Nachprüfungsantrag war zulässig, hatte in der Sache aber keinen Erfolg.
Mit dem Versand der Nachricht über den Nachrichtendienst hat die ASt ihre Rügeobliegenheit erfüllt. Hohe Anforderungen sind an die Rüge eines Bieters nicht zu stellen. Es ist zulässig, eine Rüge als Frage zu formulieren, solange deutlich wird, dass in einem bestimmten Sachverhalt ein Vergaberechtsverstoß gesehen und Abhilfe erwartet wird.
Die Nachricht des Geschäftsführers der ASt hatte zum Inhalt, dass Zweifel bestehen, ein konkurrierender Bieter könne bessere Preise anbieten, wenn er in qualitativer Hinsicht die gleichen Standards bei der Auftragserledigung aufweist wie die ASt Die konkrete Nachfrage zu einem Gütezeichen RAL AK 2 ist als Rüge zu verstehen. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB war daraufhin als Weigerung anzusehen, der Rüge abzuhelfen.
Daran ändert auch die Pflicht zur elektronischen Vergabe nichts. Die Vorschriften der Richtlinie 2014/24/EU, die die Kommunikation zwischen Bietern und Vergabestellen betreffen, beziehen sich nur auf das "Vergabeverfahren".

Die Rüge ist nach Auffassung der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern Teil des Rechtsmittelverfahrens und gerade nicht dem Vergabeverfahren zuzurechnen. Für den Zugang der Rüge, die als eine rechtsgeschäftliche Handlung angesehen wird, gilt deshalb § 130 BGB. Auch die Übermittlung an den Projektleiter der AG wurde als ausreichend erachtet.
Dieser war mit der Durchführung der Ausschreibung betraut und somit objektiv als Ansprechpartner anzusehen.
Praxistipp:
Es wird deutlich, dass sich die Kommunikation auch im geschäftlichen Bereich verändert. Jedoch ist für die Erhebung von Einwendungen schon mit Blick auf Transparenz und Dokumentation ein formaler Weg zu empfehlen. Dabei kann auf die Bieterkommunikation der Vergabeplattform, eine einfache E-Mail mit Betreff oder einen Telefonanruf in der Vergabestelle gesetzt werden. Ob eine Nachricht über einen für den privaten Austausch entwickelten Instant-Messaging-Dienst in jedem Fall als Rüge erkannt wird und somit auch eine rechtsgeschäftliche Handlung darstellt, ist höchst fraglich.
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.05.2022, Az.: 3 VK 3/22
Ihr Ansprechpartner:
Lars Wiedemann, wiedemann@abst-mv.de, 0385 61738110

Anforderungen an eine Rüge, Vermengung von Eignungs- und Wertungskriterien

Rügen in „Blaue hinein“ sind nicht erfolgversprechend. Für die Erkennbarkeit eines vergaberechtlichen Verstoßes ist auf den durchschnittlichen Bieter und dessen laienhafte rechtliche Wertungsmöglichkeiten abzustellen.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (AG) schrieb in einem EU-weiten Verfahren Reinigungsleistungen für eine Hochschule aus. Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit waren zwei Referenzprojekte gefordert.
Festgelegte Zuschlagskriterien waren Preis (60 Prozent), durchschnittlicher Leistungswert aller Raumgruppen (35 Prozent) und Referenzen (5 Prozent). Erbrachte ein Bieter die erforderlichen Referenzen, so erhielt er die volle Punktzahl von 5.
Die Antragstellerin (ASt) gab ein Angebot ab. Mit Vorabinformationsschreiben gemäß § 134 GWB teilte die AG der ASt mit, dass der Zuschlag an einen Wettbewerber erteilt werden solle. Daraufhin rügte die ASt zum einen die Doppelverwertung der Referenzen als Eignungs- und Wertungskriterium und zum anderen die Unauskömmlichkeit des Angebotes des Zuschlagsbieters, da ihr eigenes Angebot bereits sehr knapp kalkuliert gewesen sei und deshalb nicht noch weiter unterschritten werden könne. Die AG habe die gebotene Aufklärung versäumt. Die AG half der Rüge nicht ab, woraufhin die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer stellte, der zurückwiesen wurde. Dagegen legte die ASt sofortige Beschwerde beim OLG Frankfurt a. M. ein.
Beschluss:
Ohne Erfolg! Der Nachprüfungsantrag war nach Ansicht des OLG bereits unzulässig.
1. Hinsichtlich der unzulässigen Vermengung von Eignungs- und Wertungskriterien ist die Rüge der Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Für die Erkennbarkeit eines vergaberechtlichen Verstoßes sei auf den durchschnittlichen Bieter und dessen laienhafte rechtliche Wertungsmöglichkeiten abzustellen. Dieser kenne nach Auffassung des Vergabesenates die Grundstrukturen des Vergabeverfahrens und damit auch die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Eignungs- und Wertungskriterien. Der durchschnittlichen Bieter wisse, dass Eignungs- und Wertungskriterien zu trennen seien. Es genüge die Erkenntnis, dass es „so nicht geht“.
Insofern hätte die ASt bereits bei der Angebotserstellung erkennen müssen, dass die Referenzen sowohl als Eignungs- als auch als Wertungskriterium Berücksichtigung finden. Sie hätte erkennen müssen, dass die Referenzen auch bei den Wertungskriterien als „erforderlich“ bezeichnet wurden und eine abgestufte Wertung ist nach dem Wortlaut nicht vorgesehen war. Schon daraus hätte die ASt schließen können, dass die AG Eignungs- und Wertungskriterien nicht hinreichend voneinander getrennt habe. Denn selbst wenn sie annähme, dass die AG hier Unterschiedliches habe prüfen wollen, fehle jeder Anhaltspunkt, was dann Gegenstand der Eignungsprüfung und was Gegenstand der Wertung sein sollte. Allein diese Erkennbarkeit begründe eine Rügeobliegenheit hinsichtlich der Unzulässigkeit der Verwertung der Referenzen bei der Wertung nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB und schließe eine Rüge erst nach Angebotsabgabe aus.
2. Hinsichtlich der behaupteten Unauskömmlichkeit Angebotes des Zuschlagsbieters verneint der Vergabesenat die Antragsbefugnis der ASt da diese in ihrer Rüge keine hinreichenden Umstände dafür dargelegt habe. Zwar sei es grundsätzlich zulässig, sich auf nur vermutete Tatsachen zu stützen. Dabei müsse die ASt jedoch Anhaltspunkte vortragen, die diese Vermutung soweit plausibilisierten, dass sie mehr sind als eine nur abstrakte Möglichkeit darstellen. Der Vortrag dürfe nicht willkürlich ins Blaue hineinerfolgen. Die Antragstellerin müsse objektive Anhaltspunkte vortragen, weshalb sie ihre Behauptung für möglich oder wahrscheinlich halten darf. Der Vortrag der ASt, ein niedrigerer als der von ihr kalkulierte Stundenverrechnungssatz könne nicht auskömmlich sein, reiche dafür nicht aus.

Praxistipp:
Auch wenn die VK Baden-Württemberg (Beschluss vom 12.11.2019 – 1 VK 62/19) und die VK Sachsen (Beschuss vom 02.04.2019) von einem Bieter nicht erwarten, dass er eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien erkennen muss, sollten Bieter die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. beachten, das dies anders bewertet und vergaberechtliche Expertise bei Bietern unterstellt.
Stellt ein Bieter bei der Auswertung der Vergabeunterlagen fest, dass diese unklar oder widersprüchlich sind, oder ist er der Auffassung, dass die Unterlagen gegen geltendes Recht verstoßen, muss er die Vergabestelle umgehend darauf hinweisen, um nicht später mit seinem (berechtigten) Vorbringen präkludiert zu sein. Vergaberechtliche Kenntnisse dürften für die Beteiligung an einem Vergabeverfahren immer wichtiger werden. Im Zweifel sollten sich Bieter vergaberechtlich beraten lassen.
Sofern ein Bieter die Unauskömmlichkeit eines Wettbewerbsangebotes beanstanden möchte, muss er dazu so fundiert und plausibel vortragen. Der bloße Hinweis auf die eigene knappe Angebotskalkulation reicht insofern nicht aus.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 04.12.2023 - 11 Verg 5 / 23
Ihre Ansprechpartnerin:
Petra Bachmann, petra.bachmann@abst-brandenburg.de, 0331 95 12 90 95

Bei Präqualifikation kein Ausschluss ohne Aufklärung

Sämtliche Eignungskriterien sowie deren Nachweise müssen in der Auftragsbekanntmachung angeführt werden. Der öffentliche Auftraggeber darf die Eignung der Bieter ausschließlich anhand dieser Eignungskriterien prüfen. Er darf von präqualifizierten Unternehmen im Umfang ihrer Präqualifizierung keine Einzelnachweise fordern, sondern muss diese als Nachweis der Eignung akzeptieren und sich inhaltlich mit den Präqualifikationsunterlagen auseinandersetzen. Allerdings ist ein Bieter nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmen. Es ist unzulässig, die Eignung zu verneinen, obwohl nur Zweifel an der Eignung bestehen und eine weitere Aufklärung durch den Auftraggeber möglich ist.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (AG) schrieb Rohbauarbeiten für den Neubau eines Hallenbades in einem offenen Verfahren europaweit aus. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Als Eignungsnachweis forderte sie u.a. eine Eigenerklärung über die in den letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte sowie eine Eigenerklärung zu Referenzen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre. Präqualifizierte Unternehmen konnten den Nachweis der Eignung durch eine Eintragung in ein Präqualifikationsverzeichnis erbringen. Bei Einsatz von Nachunternehmern waren die hierfür vorgesehenen Leistungen/Kapazitäten im Angebot zu benennen und ergänzend eine den Vergabeunterlagen beigefügte Erklärungen (Formblatt 233 VHB) abzugeben.

Die Antragstellerin (ASt) gab ein Angebot ab. Dieses enthielt u.a. das Formblatt F3 DEG mit der Erklärung über die in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich Beschäftigten. Ebenfalls beigefügt war die Eigenerklärung zur Eignung (FB 124 VHB) mit den geforderten Umsatzangaben und der Erklärung, dass sie in den letzten drei Jahren vergleichbare Leistungen ausgeführt habe. Die ASt hatte das Formular außerdem mit dem Zusatz "Wir sind im PQ-Verein unter Nr. … präqualifiziertversehen.
Die Formblätter 235 (Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen) und 236 (Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen) hat die ASt nicht ausgefüllt, sondern durchgestrichen und mit dem Zusatz "nicht relevant!" versehen. Nach dem Submissionsprotokoll gab die ASt das Angebot mit dem niedrigsten Preis ab.
Im Rahmen der Eignungsprüfung kamen der AG Zweifel an der Eignung der ASt, die darauf gründeten, dass die ASt zwar präqualifiziert sei, sich aus den Präqualifizierungsangaben sowie aus den eigenen Angaben der ASt im Formblatt F3 DEG - Eigenerklärung Mitarbeiter - ergab, dass der ASt in 2022 nur 12 gewerbliche Mitarbeiter zur Verfügung standen. Aus der Prüfung der im Präqualifizierungsverzeichnis angegebenen Referenzen schloss die AG, dass die Antragstellerin in den meisten Referenzprojekten auf Mitarbeiter außerhalb ihres Unternehmens zurückgegriffen habe. Sie ging davon aus, dass die ASt prognostisch nicht dazu in der Lage sei, die ausgeschriebenen Leistungen mit nur 12 Mitarbeitern ordnungsgemäß auszuführen und vermutete daher, dass sich die ASt der Eignungsleihe bedienen wolle, um die Eignung über fremde Ressourcen zu begründen. Eine daraufhin von der AG durchgeführte Aufklärung konnten die Zweifel nicht beseitigen, so dass das Angebot der ASt ausgeschlossen wurde. Nach erfolgloser Rüge stellt die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland-Pfalz. 
Beschluss:
Mit Erfolg! Die AG habe das Angebot der ASt zu Unrecht mangels Eignung nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 16b VOB/A-EU bei der weiteren Wertung nicht berücksichtigt bzw. deren Angebot zu Unrecht nach § 16a Abs. 5, § 16 Nr. 4 VOB/A-EU wegen Nichtvorlage von Unterlagen von der Wertung ausgeschlossen.
Vorliegend habe die AG für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit eine Eigenerklärung zur Mitarbeiterzahl (§ 6a Nr. 3g VOB/A-EU) mittels Verwendung des Formblatts F3 DEG sowie eine Eigenerklärung zu vergleichbaren Leistungen (§ 6a Nr. 3a VOB/A-EU) mittels Verwendung des Formblatts VHB 124 gefordert. Weitere Eignungskriterien bezogen auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit, insbesondere in Form von Mindestanforderungen, habe die AG nicht gestellt. So habe sie keine Mindestmitarbeiterzahlen verlangt oder Leistungsbereiche benannt, die nicht fremdvergeben werden dürfen.
Die ASt habe die o.g. Formblätter ausgefüllt und vorgelegt, obwohl es sich bei ihr um ein präqualifiziertes Unternehmen handelte und es einer solchen Vorlage daher nicht bedurft hätte. Die AG selbst habe in der Auftragsbekanntmachung ausgeführt, dass die Nachweisführung zur Eignung für präqualifizierte Unternehmen über die Eintragung ins Präqualifikationsverzeichnis erfolgen könne.
Allerdings sei ein Bieter nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.06.2022 - Verg 19/22). Vorliegend seien für die ASt im Präqualifikationsverzeichnis Referenzen hinterlegt, die von ihrem Auftragsvolumen und den referenzierten Leistungen mit dem ausgeschriebenen Auftrag vergleichbar seien und z.T. sogar über diesen hinausgehen.
Hätte die AG weitere Aspekte, die nicht von der Präqualifikation erfasst sind, als eignungsrelevant ansehen wollen, hätte sie dies in der Bekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen transparent darstellen müssen. Dies sei nicht geschehen.
Im Rahmen seiner Eignungsentscheidung dürfe der öffentliche Auftraggeber die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Angaben nicht ohne Begründung in Zweifel ziehen. Zwar sei er nicht gehindert, negative Erkenntnisse anderer Auftraggeber oder eigene negative Erkenntnisse bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei jedoch für solche negativen Erkenntnisse nichts ersichtlich. Doch selbst solches unterstellt, habe der öffentliche Auftraggeber in diesem Fall eine Abwägung der an sich positiven Prognose aufgrund der eingereichten Nachweise bzw. der Präqualifikation mit den weiteren negativen Erkenntnissen vorzunehmen. Dass die AG solche Gesichtspunkte überhaupt ins Auge gefasst hätte, sei nicht erkennbar.
Trotz der vorgelegten Formblätter und der Eintragung der ASt u.a. für die "Komplettleistung 611_01 umfassende Bauleistung Neubau" im Präqualifikationsverzeichnis habe die AG die ASt mangels technischer und beruflicher Leistungsfähigkeit als ungeeignet angesehen. Begründet habe sie dies einzig mit dem Argument, die ASt beschäftige zu wenig gewerbliche Mitarbeiter. Damit verkenne die AG die Aussagekraft des Präqualifikationsverzeichnisses. Die Eignungsprüfung sei daher nicht vergaberechtskonform erfolgt.

Praxistipp:
Präqualifizierte Unternehmen sollten bei jeder Angebotserstellung prüfen, ob die geforderten Eignungsnachweise den im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweisen entsprechen oder ob darüberhinausgehende Anforderungen in den Vergabeunterlagen gestellt werden.
Dies ist insbesondere bei Referenzen zu beachten. Es sollte immer geprüft werden, ob die hinterlegten Referenzen mit den in dem jeweiligen Verfahren geforderten Referenzen vergleichbar sind. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen mit dem Angebot zusätzlich die geforderten Referenznachweise eingereicht werden. Anderenfalls droht der zwingende Angebotsausschluss! Die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen liegen vor, sind jedoch nicht vergleichbar, und können – anders als gänzlich fehlende Referenzen – nicht nachgefordert werden.
Ihre Ansprechpartnerin:
Petra Bachmann, petra.bachmann@abst-brandenburg.de, 0331 95 12 90 95

Gastbeitrag: Bindefristverlängerung auch automatisch möglich

Kommt es zu einem Nachprüfungsverfahren, verlässt der Zeitplan für die Abwicklung des Vergabeverfahrens schnell den geplanten Rahmen. Oftmals sind die Verzögerungen so gravierend, dass die ursprünglich vorgegebene Bindefrist der Angebote nicht mehr ausreicht. Um das Vergabeverfahren zu retten, werden die Bieter in diesem Fällen zur Verlängerung der Bindefrist aufgefordert, was nicht immer friktionslos abläuft. Vor diesem Hintergrund wählen manche Auftraggeber den Weg, präventiv eine Bindefristverlängerung für den Fall eines Nachprüfungsverfahrens schon mit der Angebotsabgabe abzufordern.
Mit der Frage, ob dies zulässig ist, hat sich die Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt (Beschluss vom 01.02.2023, 3 VK 11 / 22).

Sachverhalt:
Der Auftraggeber schrieb einen Entsorgungsauftrag EU-weit aus. In den Vergabeunterlagen forderte er unter anderem eine vorweggenommene Zustimmungserteilung zur Bindefristverlängerung. Die Regelung lautete:
„Nach Ablauf der Angebotsfrist sind Bieter bis zum Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist (siehe Deckblatt) an ihr Angebot gebunden. Verzögert sich die Zuschlagserteilung wegen eines Nachprüfungsverfahrens, so sind die am Nachprüfungsverfahren beteiligten Bieter bis vier Wochen nach Rechtskraft des letztinstanzlichen Beschlusses an ihr Angebot gebunden. Beteiligte an einem Nachprüfungsverfahren, deren Angebot nicht für den Zuschlag in Betracht kommt, werden auf Wunsch aus der Bindefrist entlassen. Gleiches gilt für alle Bieter unter den Voraussetzungen der §§ 313 und 314 BGB.“
Die spätere Antragstellerin sah in dieser Regelung eine Gefährdung des Wettbewerbs. Denn ohne die automatische Verlängerung hätte sie gegebenenfalls nach Ablauf der vorgesehenen Bindefrist nach eigenem wirtschaftlichem Ermessen einer Verlängerung der Bindefrist verweigern und sich auf andere Ausschreibungen konzentrieren können. Sie rügte diesen Umstand neben anderen vermeintlichen Vergabefehlern.
Nachdem der Rüge nicht abgeholfen wurde, stellte sie einen entsprechenden Nachprüfungsantrag.

Beschluss:
Ohne Erfolg! Die Vergabekammer hält den zulässigen Nachprüfungsantrag für unbegründet. Durch die vorweggenommene Zustimmungserteilung zur Bindefristverlängerung sei der Wettbewerb nicht gefährdet.
Die Regelung einer vorweggenommenen Zustimmungserteilung zur Bindefristverlängerung sei zulässig. Zur
Begründung verweist die Vergabekammer auf den Umstand, dass das Zuschlagsverbot auf die Bindefristen keine unmittelbaren Auswirkungen habe. Könne der Zuschlag aufgrund eines Nachprüfungsantrags nicht innerhalb der ursprünglich vorgesehenen Frist erteilt werden, komme es deshalb nicht ohne weiteres zu einer Verlängerung der Bindefrist. Sie sei deshalb einvernehmlich zu verlängern.
Um eine solche Herstellung eines Einvernehmens handele es sich, wenn die Zustimmung bereits mit der Angebotsabgabe abgefordert werde. Sie sei lediglich vorverlagert; die notwendige einvernehmliche Verlängerung von Bindefristen durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens sei darüber hinaus in der Branchenöffentlichkeit allgemein bekannt.
Ein Antragsteller würde ohne Zustimmung zur Bindefristverlängerung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nachprüfungsverfahrens die Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren gem. § 160 Abs. 2 GWB verlieren, wenn das Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB die Bindefrist überhole. Das Zuschlagsverbot und die damit verbundene Verzögerung des Vergabeverfahrens dienten ja gerade den Interessen eines antragstellenden Bieters und seien zentrale Regelungen des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes.
Der damit verbundene Bieterschutz liefe aber ins Leere, wenn ein Antragsteller den Zuschlag nach rechtskräftigem Abschluss des Nachprüfungsverfahrens schon deshalb nicht erhalten könne, weil er mangels Verlängerung der Bindefrist kein wirksames Angebot mehr vorweisen könne.
Eine Rechtsverletzung durch die antizipierte Zustimmungserklärung scheide daher für den Bieterkreis aus, der an einem Nachprüfungsverfahren beteiligt ist. Da der Gesetzgeber bislang der Problematik, dass die Wirkung des Zuschlagsverbots gem. § 169 Abs. 1 GWB die Zuschlags- und Bindefrist überholt, nicht Rechnung getragen hat, sei die Lösung über eine antizipierte Zustimmungserklärung zur Bindefristverlängerung wie im vorliegenden Fall eine recht- und zweckmäßige Regelung, welche die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletze (unter Hinweis auf: VK Lüneburg, Beschluss vom 8. Mai 2006 VgK 7/2006).

Praxistipp:
Der vorstehend skizzierte Beschluss der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern verweist auf einen vorangegangenen Beschluss der Vergabekammer Lüneburg (siehe obiger Hinweis). In dem damaligen Verfahren hatte der Bieter argumentiert, dass die automatische Bindefristverlängerung für ihn ein unkalkulierbares Risiko darstelle. Je nachdem, wie lange sich das Nachprüfungsverfahren hinzieht, bleibe er an sein Angebot und die darin enthaltenen Preise gebunden.
Rechnet man gegebenenfalls noch das Verfahren vor dem Oberlandesgericht hinzu, beträgt die Überschreitung der ursprünglich angedachten Bindefrist schnell ein Jahr. Dass dies den Bieter belastet, liegt auf der Hand.
Die eingangs zitierte Regelung zur automatischen Bindefristverlängerung sieht den Ausweg in den Regelungen der §§ 313 und 314 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Grob gesagt würde die Geschäftsgrundlage entfallen, wenn die Parteien vorher gewusst hätten, dass sich das Vergabeverfahren wegen des Nachprüfungsverfahrens so lange hinzieht, dass an den Preisen nicht festgehalten werden kann.
Will man mit der automatischen Verlängerung der Bindefrist etwaigen Streit vermeiden, darf nicht übersehen werden, dass die Störung der Geschäftsgrundlage viel Anlass für Streit und Auseinandersetzungen bietet. Vor diesem Hintergrund kann durchaus die Frage gestellt werden, ob die althergebrachte Aufforderung zur Verlängerung der Bindefrist gegenüber der automatischen Verlängerung die schlechtere Lösung ist.
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 01.02.2023 - 3 VK 11/22
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Norbert Dippel, in cosinex Blog.

SPIN4EIC – Unterstützung für öffentliche Auftraggeber bei der Bedarfsermittlung

Im Rahmen des strategischen Innovationsbeschaffungsprogramms SPIN4EIC der EU erfolgt der erste Aufruf von öffentlichen Auftraggebern zur Beantragung von Unterstützung bei der Konzeption und Umsetzung ihres Innovationsbeschaffungsprojekts.
Für öffentliche Auftraggeber, die sich in der ersten Phase eines Innovationsbeschaffungsprojekts befinden und ihre Anforderungen für die Nutzung dieses Ansatzes definieren bietet sich hier die Gelegenheit, Unterstützung von Rechts- und Wirtschaftsexperten zu erhalten.
Ziel der SPIN4EIC-Unterstützung für öffentliche Auftraggeber ist es, öffentliche Auftraggeber bei der Förderung von Innovationen der EU während des gesamten Ausschreibungsvorbereitungsprozesses zu unterstützen. So sollen deren Fähigkeit zum Einkauf innovativer Lösungen gestärkt und Innovationen in der EU gefördert werden.
 Im Rahmen des Programms werden weitere Aufrufe zur Einreichung von Bewerbungen veröffentlicht, bei denen eine finanzielle Förderung möglich ist, und zwar für die Bereiche: Entwicklung eines Business Cases, Durchführung einer offenen Marktkonsultation, Erstellung von Ausschreibungsunterlagen. Antragsberechtigt für die Förderung sind alle öffentlichen Auftraggeber in der EU. Bewerbungen für den ersten Aufruf sind bis zum 31.05.2024 möglich und erfolgen mittels Antragsformular.

EU-Kommission leitet Prüfung nach Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten ein

Die EU-Kommission hat am 16.02.2024 erstmalig eine eingehende Prüfung einer potenziell binnenmarktverzerrenden drittstaatlichen Subvention eingeleitet. Grundlage der Prüfung ist die Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten (Foreign Subsidies Regulation – FSR).
Diese Prüfung betrifft ein öffentliches Vergabeverfahren des bulgarischen Ministeriums für Transport und Kommunikation zur Beschaffung von elektronischen Wendezügen, deren Wartung und Schulung von Personal.
Das Unternehmen CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd, eine Tochtergesellschaft des chinesischen staatlichen Zugherstellers CRRC Corporation hatte in dem Verfahren ein Angebot abgegeben und eine FSR-Meldung bei der Kommission eingereicht. Seit dem 12.10.2023 besteht in der EU eine Meldeverpflichtung von Unternehmen nach der FSR bei öffentlichen Ausschreibungen, wenn der geschätzte Auftragswert 250 Mio. Euro übersteigt und dem Unternehmen in den drei Jahren vor der Meldung mindestens 4 Mio. Euro an finanziellen Zuwendungen von mindestens einem Drittstaat gewährt wurden. Die Meldung hat mit der Einreichung eines Angebots oder eines Antrags auf Teilnahme am Vergabeverfahren zu erfolgen. Dabei ist Auskunft über drittstaatliche finanzielle Zuwendungen der letzten drei Jahre zu geben. Erfolgt die Meldung nicht oder ist sie unvollständig, ist ein Ausschluss vom Vergabeverfahren möglich.
Nach der von der EU-Kommission durchgeführten Vorprüfung der von CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd übermittelten Meldung liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Unternehmen eine drittstaatliche Subvention mit wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen gewährt wurde. Bei der weiteren Prüfung ist zu klären, ob es sich bei der drittstaatlichen finanziellen Zuwendung um eine Subvention handelte, die dem Unternehmen direkt oder indirekt einen Vorteil verschafft, und es dadurch in die Lage versetzt, ein ungerechtfertigt günstiges Angebot einzureichen. Abhängig vom Ergebnis der Prüfung kann die Kommission dann beschließen keine Einwände zu erheben, dem Unternehmen Verpflichtungen aufzuerlegen, wenn diese die Verzerrung wirksam beseitigen oder die Vergabe des Auftrags untersagen.
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, muellers@abz-bayern.de, 089 511 631 72

Baden-Württemberg: Vereinfachung der Vergabeverfahren

Die Entlastungsallianz für Baden-Württemberg hat ein erstes Entlastungspaket mit rund 20 Erleichterungen vorgelegt. Aus Sicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann können Land, Kommunen und Wirtschaft zusammen viel erreichen und gemeinsam ungenutzte Potentiale des Bürokratieabbaus erschließen.
Die Entlastungsallianz, das von Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Juli 2023 mit Kommunal- und Wirtschaftsverbänden geschlossene Bündnis zum Bürokratieabbau, legt nun ein erstes Paket vor. Das „Entlastungspaket I“ sieht vor, dass Vergabeverfahren vereinfacht werden, sämtliche Schriftformerfordernisse bei Nutzung digitalisierter Verwaltungsleistungen aus dem Bereich des Onlinezugangsgesetzes (OZG) entfallen, die Schulverwaltungen bei der Datenverarbeitung entlastet und das kommunale Haushaltsrecht flexibilisiert werden.
Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite des Staatsministeriums Baden-Württemberg.

Rheinland-Pfalz: Dienstanweisung zur nachhaltigen Beschaffung

„Rheinland-Pfalz kauft nachhaltig ein!“ stellt interessierten Kommunen ein breites Angebot an Beratungsleistungen zur Verfügung, das sie kostenlos nutzen können.
Dazu gehören verschiedene Unterstützungsformate vor Ort, aber auch telefonische Beratung und Recherchen zu spezifischen Fragen einzelner Beschaffungsvorgänge. Die Schwerpunkte liegen auf den Produktbereichen Papier und Büromaterialien, Nahrungsmittel, Textilien, Natursteine, Informationstechnologie und Reinigungsmittel.
Eine Übersicht über die unterschiedlichen Formate sowie über ausgewählte Produktbereiche finden Sie auf der Internetseite des ELAN e.V.

Sachsen: Kabinett bringt Vergabegesetz auf den Weg

Am 27.02.2024 hat das Kabinett den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes zur Anhörung freigegeben.
Die Zielstellungen des Gesetzes bleiben im Wesentlichen unverändert, so dass sich weiterhin unter anderem die Modernisierung und Aktualisierung des Vergaberechts, die Schaffung eines Rechtsrahmens zu Förderung fairer, sozialer und ökologischer Bedingungen für den Wettbewerb sowie die verpflichtende Berücksichtigung von Lebenszykluskosten sowie Energieeffizienz im Rahmen der Leistungsbeschreibungen im Entwurf finden lassen.
In Sachsen soll mit der Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes auch die UVgO in Kraft gesetzt werden. Sachsen ist das einzige Bundesland, welches noch die VOL/A für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen im Unterschwellenbereich anwendet.
Alle anderen Bundesländer haben die UVgO zuvor durch u.a. entsprechende landesrechtliche Regelungen in Kraft gesetzt:
2017                      Bundesverwaltung, Hamburg, Bremen
2018                      Bayern, Saarland, Brandenburg, NRW, Baden-Württemberg
2019                      Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Thüringen
2020                      Niedersachsen, Berlin
2021                      Rheinland-Pfalz, Hessen
2022                      Sachsen-Anhalt
offen                     Sachsen
Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Landes Sachsen.
Ihre Ansprechpartnerin:
Kristina Franke, kristinafranke@abstsachsen.de