IHK-Auftragsberatungsstelle

Basiswissen Öffentliche Ausschreibungen

Jedes Jahr werden in der Bundesrepublik Deutschland öffentliche Aufträge im Wert von rund 500 Milliarden Euro vergeben, in der Europäischen Union (EU) sogar im Wert von mehr als 2 Billionen Euro. Um diese wertvollen Aufträge können sich Unternehmen bewerben – müssen aber die Besonderheiten und Verfahrensarten bei öffentlichen Ausschreibungen kennen. Auch die Ausschreibenden sind an besondere Regeln gebunden.
Hierfür gibt dieser Artikel eine erste Orientierung. Über die Rechtsgrundlagen bei öffentlichen Ausschreibungen informiert unser Artikel „Basiswissen Vergaberecht“.

Was sind öffentliche Aufträge und Auftraggeber?

Öffentliche Aufträge sind alle Verträge, die mit öffentlichen Auftraggebern geschlossen werden. Diese können Liefer-, Dienst- oder Bauleistungsverträge umfassen. Sie werden aus Steuergeldern und Abgaben des Bundes, der Gemeinden sowie weiterer juristischer Personen des öffentlichen Rechts finanziert.
Klassische öffentliche Auftraggeber sind alle Dienststellen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Hochschulen, Rentenversicherungsträger). Auch juristische Personen des privaten Rechts gehören zu diesem Kreis, wenn es Einrichtungen sind, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen, die eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und die überwiegend vom Staat, den Gebietskörperschaften oder deren Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert oder in ihrer Leistung beaufsichtigt werden (z. B. Krankenhäuser, Feuerwehren).

Welche Verfahrensarten für öffentliche Ausschreibungen gibt es?

Das Vergaberecht sieht für die Durchführung der Auftragsvergabe mehrere Verfahrensarten vor, je nach Wert des Auftrages. Bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte findet das sogenannte GWB-Vergaberecht Anwendung, das auf der Umsetzung entsprechender Vorgaben in EU-Richtlinien beruht. Die aktuellen EU-Schwellenwerte finden Sie in unserem Artikel zu Wertgrenzen bei öffentlichen Ausschreibungen.

Verfahrensarten oberhalb der EU-Schwellenwertgrenze

Bei EU-weiten Vergaben oberhalb des Schwellenwertes gibt es
  • das offene Verfahren,
  • das nicht offene Verfahren,
  • das Verhandlungsverfahren,
  • den wettbewerblichen Dialog und
  • die Innovationspartnerschaft.

Verfahrensarten unterhalb der EU-Schwellenwertgrenze

Bei nationalen Ausschreibungen unterhalb des Schwellenwertes gibt es
  • die öffentliche Ausschreibung,
  • die beschränkte Ausschreibung und
  • die freihändige Vergabe.
Wir haben die Details zu den wichtigsten Verfahrenstypen für Sie zusammengestellt:

Die öffentliche Ausschreibung

Es wird hierbei sowohl im nationalen als auch im europaweiten Umfeld einer unbegrenzten Anzahl von Unternehmen bekannt gegeben, dass ein konkreter Auftrag vergeben werden soll. Dieses Verfahren ermöglicht einen uneingeschränkten Wettbewerb.
Öffentliche Ausschreibungen werden oft in Online-Datenbanken eingestellt. Einen Überblick über relevante Datenbanken haben wir für Sie im Artikel „Ausschreibungen finden“ zusammengestellt. In den Datenbanken können die Vergabeunterlagen meist eingesehen werden oder können von potenziellen Bietern beim Auftraggeber angefordert werden.

Die beschränkte Ausschreibung / Das nicht offene Verfahren

Beschränkte Ausschreibungen gibt es bei nationalen Ausschreibungen nur in begründeten Ausnahmefällen. Hierbei schreibt der öffentliche Auftraggeber nur eine beschränkte Anzahl von Unternehmen an und fordert sie zur Angebotsabgabe auf. Es können häufig nur Unternehmen an der Ausschreibung teilnehmen, die der ausschreibenden Stelle bereits bekannt sind.
Kennt der Auftraggeber nur wenige potenzielle Bieter, kann er sich von der Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg geeignete Unternehmen aus dem Liefer-und Dienstleistungsbereich, die in der Bieterdatenbank gelistet sind, benennen lassen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Artikeln „Bieterdatenbank – Infos für Unternehmen“ und „Benennung – Infos für Vergabestellen“.
Bei Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte kann der Auftraggeber selbst wählen, ob er ein offenes oder ein nicht offenes Verfahren durchführen möchte. Nicht offene Verfahren oberhalb der Schwellenwerte werden (wie eine öffentliche Ausschreibung) durch eine öffentliche Bekanntmachung angekündigt. Mit einem Teilnahmewettbewerb wird dann aber nur eine begrenzte Zahl von Unternehmen ausgewählt, die ein Angebot abgeben dürfen.
Anstelle des regulären Verfahrensablaufs steht dem öffentlichen Auftraggeber zudem die Möglichkeit offen, ein Interessenbekundungsverfahren durchzuführen und dabei auf eine öffentliche Auftragsbekanntmachung zu verzichten. Mit einem Interessenbekundungsverfahren erhält der öffentliche Auftraggeber einen Marktüberblick, erfährt, ob es überhaupt Interessenten für diese Aufgabe gibt, welche Preisvorstellungen diese haben und welche Vorstellungen zur Art der Aufgabenerfüllung existieren.

Die freihändige Vergabe / Das Verhandlungsverfahren

Hier erfolgt die Auftragsvergabe ohne ein vorgeschriebenes förmliches Verfahren. Der Auftraggeber kann potenzielle Bewerber zur Angebotsabgabe auffordern und mit diesen nach Abgabe der Angebote über die einzelnen Vertragsbedingungen verhandeln. Um ein Minimum an Wettbewerb zu gewährleisten, muss der Ausschreibende begründen und dokumentieren, warum er den Auftrag freihändig vergibt.
Oberhalb der Schwellenwerte entspricht das Verhandlungsverfahren im Wesentlichen der nationalen Freihändigen Vergabe, allerdings ist im Regelfall zunächst ein Teilnahmewettbewerb mit einer öffentlichen Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen durchzuführen.
Das Verhandlungsverfahren ist dem Offenen und Nicht Offenen Verfahren nachgeordnet und kann daher nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommen (insbesondere bei der Vergabe von Ingenieur- und Architektenleistungen).