Beschaffungen der Bundeswehr und der NATO

Die militärische Beschaffung ist ein zentraler Bestandteil der Sicherheitsvorsorge. Sie umfasst die Planung, Entwicklung, Beschaffung und Nutzung von Ausrüstung, Waffen, IT-Systemen und Infrastruktur. Ziel ist es, die Bundeswehr und NATO-Streitkräfte in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung sowie in internationalen Einsätzen zu erfüllen.

Nationale Beschaffung (Bundeswehr)

1. Zuständige Institutionen

Artikel 87b GG sieht vor, dass der Personal- und Sachbedarf der Truppe durch eine zivile Verwaltung gedeckt wird. Die folgenden Institutionen sind für die Beschaffung bei der Bundeswehr zuständig:

2. Vergabeverfahren

Die Bundeswehr nutzt verschiedene Vergabearten, abhängig vom Auftragswert und der Komplexität:
  • Öffentliche Ausschreibung – für alle zugänglich.
  • Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb – Vorauswahl geeigneter Anbieter.
  • Verhandlungsverfahren – bei komplexen oder sicherheitsrelevanten Projekten.
  • Direktvergabe – in Ausnahmefällen, z. B. bei Dringlichkeit; außerdem bei Vergaben unterhalb bestimmter Schwellenwerte:

3. Ablauf des Beschaffungsprozesses

  1. NUTZER: Bedarfsfeststellung durch die Truppe
  2. BEDARFSTRÄGER: Projektplanung durch das Planungsamt der Bundeswehr
  3. BEDARFSDECKER: Beschaffung durch BAAInBW, BAIUDBw, BwDLZ, privatrechtlich organisierte Beschaffungsstellen (z. B. HIL)
    • Markterkundung und Vergabe
    • Vertragsabschluss
    • Lieferung
  4. NUTZER: Erprobung und Nutzung durch die Truppe

4. Voraussetzungen für Unternehmen

Unternehmen, die sich bewerben möchten, müssen:
  • registriert sein auf der e-Vergabe-Plattform,
  • Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit nachweisen,
  • Sicherheitsanforderungen erfüllen (z. B. Geheimschutz bei sensiblen Projekten (Verschlusssachenauftrag)),
  • technische Normen und Qualitätsstandards der Bundeswehr einhalten.

5. Aktuelle Entwicklungen

Für die Bundeswehr steht ein Sondervermögen zur Modernisierung der Streitkräfte zur Verfügung. Der Fokus liegt dabei auf:
  • der Digitalisierung der Führungssysteme,
  • der Luftverteidigung,
  • der Munitionsproduktion,
  • der Beschaffung von Transport- und Kampffahrzeugen,
  • der Beschaffung von Drohnen und Maßnahmen zur Cyberabwehr.
Ein neues Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwPBBG) soll der Verfahrensbeschleunigung und dem Bürokratieabbau bei der Nutzung des Sondervermögens dienen.
Bundeswehr-Beschaffung: Die wichtigsten Änderungen, die voraussichtlich ab 2026 gelten
Das neue Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr (BwPBBG - Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz) soll umfassende vergaberechtliche Erleichterungen enthalten.

Wesentliche Regelungen des Entwurfs sind:

erweiterter Geltungsbereich: Das Gesetz soll künftig für alle Aufträge zur Deckung des Bundeswehrbedarfs gelten, nicht nur für die Beschaffung von Rüstungsgütern. Das schließt auch zivile Aufträge, beispielsweise für Sanitätsmaterial, und Bauleistungen ein.

Aussetzung der Losvergabe: Die Pflicht zur Losvergabe von Aufträgen soll bis Ende 2030 ausgesetzt werden.

Anhebung der Wertgrenzen: Beschaffungen unterhalb der EU-Schwellenwerte sollen durch eine Anhebung der Schwellenwerte erleichtert werden. Damit werden insbesondere mehr Direktvergaben ermöglicht. Die Wertgrenzen werden in den mit dem Gesetzesentwurf beschlossenen Abweichenden Verwaltungsvorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Deckung der Bedarfe der Bundeswehr festgelegt und sind bereits in Kraft!

zentrale Beschaffungsstelle: Verkäufe von Regierung zu Regierung (Government-to-Government) sollen erleichtert werden.

Interoperabilität als Ausnahmegrund: Beschaffungen sollen ohne Ausschreibung erfolgen können, wenn dies im Sinne der Zusammenarbeit mit verbündeten Streitkräften notwendig ist. Der Ausnahmetatbestand würde damit ausdrücklich nicht nur aus Gründen der Interoperabilität innerhalb der eigenen Streitkräfte gelten.

Ausschluss von Drittstaaten: Wenn Sicherheitsinteressen es erfordern, könnten Unternehmen aus Drittstaaten bei Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Möglichkeit der Vorauszahlung: Zur Erhöhung der Anzahl der Bewerbungen soll die Möglichkeit zur Vereinbarung von Vorauszahlungen geschaffen werden. Dadurch soll auch Start-ups und weniger finanzstarken Unternehmen ein Auftragszugang ermöglicht werden.

Veränderte Rechtsmittel: Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vor dem Oberlandesgericht soll entfallen.

Quelle: Bundesministerium der Verteidigung

6. Einstieg für Unternehmen

Unternehmen, die sich für Aufträge bei der Bundeswehr interessieren, sollten folgende Schritte beachten:
  1. Informationsbeschaffung: über bundeswehr.de (z. B. Broschüre “Auftraggeber Bundeswehr”, Internet-Übersichtsseite “Die Bundeswehr als Auftraggeber”) und IHK
  2. Registrierung auf e-Vergabe
  3. Teilnahme an Ausschreibungen
  4. Netzwerken mit etablierten Zulieferern

Internationale Beschaffung (NATO)

1. NATO-Beschaffungsagenturen

NSPA (NATO Support and Procurement Agency)

Zuständig für: Logistik, Wartung, Ersatzteile, Infrastruktur, technische Dienstleistungen
Verfahren: Internationale Ausschreibungen (ICB – International Competitive Bidding)
Registrierung: über die NSPA Procurement Website

NCIA (NATO Communications and Information Agency)

Zuständig für: IT, Kommunikation, Cyberabwehr
Verfahren: Rahmenverträge (BOA – Basic Ordering Agreements) für nicht-militärische Ausrüstung
Registrierung: über das NEO e-Procurement-Portal der NCIA
Voraussetzung: „Declaration of Eligibility“ durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)

2. Voraussetzungen für Unternehmen

Um sich für NATO-Aufträge zu qualifizieren, müssen Unternehmen:
  • aus einem NATO-Mitgliedsstaat stammen,
  • eine Eignungserklärung („Declaration of Eligibility“) vom BAFA erhalten,
  • ihre Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit nachweisen (über die IHK),
  • Sicherheitsanforderungen erfüllen (z. B. Geheimschutz, Einhaltung der Vorgaben des NATO-Standardization Agreements (Standardisierungsabkommen - STANAG), durch das die Interoperabilität und Kompatibilität der militärischen Ausrüstung und Verfahren in den NATO-Mitgliedstaaten gesichert wird),
  • sich auf den jeweiligen Plattformen registrieren (NSPA oder NCIA).

3. Verfahren zur Auftragsvergabe

  • ICB (International Competitive Bidding): Offene Ausschreibungen für größere Projekte
  • BOA (Basic Ordering Agreement): Rahmenverträge für wiederkehrende Leistungen
  • Limited Bidding: Bei Spezialanforderungen oder sicherheitsrelevanten Projekten

4. Aktuelle Entwicklungen

Die drastische Erhöhung der Militärausgaben vieler NATO-Staaten führt zu einem Investitionsschub. Der Fokus liegt dabei auf:
  • autonomen Systemen (z. B. Lkw mit KI),
  • Cyberabwehr und Digitalisierung,
  • Luftverteidigung und Munitionsproduktion,
  • Industriekooperationen mit Start-ups und Hightech-Firmen.

5. Einstieg für Unternehmen

  1. Informationsbeschaffung: Über IHK, BAFA, NATO-Websites
  2. Eignungserklärung beantragen: Über das Wirtschaftsministerium des Bundeslandes
  3. Registrierung bei NSPA oder NCIA
  4. Teilnahme an Ausschreibungen
  5. Netzwerken: Kooperation mit etablierten NATO-Zulieferern

Europäische Kooperation

Die europäische Zusammenarbeit in der Verteidigungsbeschaffung wird immer wichtiger, um Synergien zu nutzen und Kosten zu senken.

Wichtige Initiativen

  • EDIRPA (European Defence Industry Reinforcement through Common Procurement Act): Förderung gemeinsamer Beschaffung
  • ASAP (Act in Support of Ammunition Production): Ausbau der Munitionsproduktion
  • EDIS (European Defence Industrial Strategy): strategische Ausrichtung der EU-Verteidigungsindustrie

Herausforderungen und Ausblick

Die militärische Beschaffung steht vor zahlreichen Herausforderungen, darunter Bürokratie, Industrieengpässe und langsame Haushaltsfreigaben. Reformen, Digitalisierung und europäische Kooperation sind entscheidend, um die Verteidigungsfähigkeit angesichts globaler Bedrohungen zu sichern.

Reformen und Maßnahmen

  • Bürokratieabbau: Reformen zur Beschleunigung der Verfahren
  • Industriekooperation: stärkere europäische Zusammenarbeit
  • Transparenz und Kontrolle: stärkere parlamentarische Kontrolle großer Projekte

Checkliste für Unternehmen: Bewerbung um Aufträge bei der Bundeswehr und NATO

Diese Checkliste soll Unternehmen dabei helfen, sich erfolgreich um Aufträge bei der Bundeswehr und NATO zu bewerben. Sie enthält wichtige Punkte wie Registrierung, Voraussetzungen, Plattformen, Sicherheitsanforderungen und Tipps.

1. Registrierung

2. Voraussetzungen

  • Nachweis von Eignung, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit
  • ggf. Einhaltung von Sicherheitsanforderungen (z. B. bei IT-Aufträgen: Informationssicherheitsmanagement-Zertifizierung nach ISO/IEC 27001)
  • ggf. Nachweis der Qualitätssicherung (z. B. Zertifizierung gemäß den Qualitätssicherungsanforderungen der NATO, den Allied Quality Assurance Publications (AQAP); die AQAP 2110 enthält die Anforderungen der ISO 9001, die durch NATO-Zusatzbestimmungen ergänzt werden)
  • ggf. Sicherheitsüberprüfung bei sensiblen Projekten (z. B. Verschlusssachen - VS-Vertraulich)
  • ggf. Nachweis über Erfahrung und Leistungsfähigkeit bei NATO-Projekten
  • ggf. Einhaltung von NATO-Standards (insb. des NATO-Standardization Agreements (Standardisierungsabkommen - STANAG), durch das die Interoperabilität und Kompatibilität der militärischen Ausrüstung und Verfahren in den NATO-Mitgliedstaaten gesichert wird)

3. Plattformen

4. Sicherheitsanforderungen

  • Einhaltung von Geheimschutzanforderungen
  • Sicherheitsüberprüfung bei sensiblen Projekten
  • Sicherheitszertifizierungen und ggf. Geheimschutz bei NATO-Projekten

5. Tipps für Unternehmen

  • Frühzeitige Marktbeobachtung und Teilnahme an Informationsveranstaltungen
  • Aufbau von Partnerschaften mit etablierten Rüstungsunternehmen
  • Attraktive (Alleinstellungs-)Merkmale der eigenen Leistung verständlich machen
  • Nutzung von Rahmenverträgen und Unteraufträgen
  • bei Beschaffungen öffentlich-rechtlicher Auftraggeber mit angebots- und/oder nachfrageseitigen Monopolen: Selbstkostenpreise bereits bei Angebotskalkulation (vor Angebotsabgabe) dokumentieren, um späteren Rückforderungen nach dem Preisrecht vorzubeugen
  • Ein Engagement im Bereich der Verteidigungswirtschaft sollte als strategisches/langfristiges Ziel verstanden sein.

*Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit