Wohnraum für Mitarbeitende - Wohnungsnot bremst Arbeitsmarkt aus
Fachkräftemangel und Wohnungsnot: In der Region Stuttgart nehmen zwei zentrale Herausforderungen für Unternehmen an Dringlichkeit zu. Wie stark der Wohnraummangel die Fachkräftesuche beeinflusst, zeigt eine aktuelle Umfrage der IHK Region Stuttgart.
Der Fachkräftemangel in der Region Stuttgart verschärft sich weiter. Schon heute kämpfen viele Unternehmen mit unbesetzten Stellen. Prognosen zeigen, dass bis 2035 das Fachkräfteangebot in Baden-Württemberg um rund 27 Prozent sinken wird – das entspricht etwa 1,1 Millionen Arbeitskräften weniger im Vergleich zu 2022, so das IHK-Fachkräftemonitoring. Auch der Wandel durch KI und die Transformation der Industrie werden die Situation voraussichtlich nicht entspannen, da sie auch in Zukunft neue Beschäftigungsfelder schaffen und Zuwanderung fördern könnten.
Die Herausforderung wird durch die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zusätzlich verschärft. Bezahlbarer Wohnraum ist essenziell, um Fach- und Hilfskräfte aus anderen Regionen zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund führte die IHK Region Stuttgart zwischen dem 19. September und 19. November 2024 eine Umfrage unter 454 Unternehmen durch, um die Auswirkungen der Wohnungsnot auf die Fachkräftesuche genauer zu beleuchten.
Die Ergebnisse sind alarmierend
Gut 60 Prozent der befragten Unternehmen sehen einen klaren negativen Zusammenhang zwischen Wohnungsnot und Fachkräftemangel. Von diesen Unternehmen berichtet wiederum über die Hälfte, dass Stellenangebote abgelehnt wurden, weil Bewerberinnen und Bewerber keine bezahlbare Unterkunft finden konnten. Darüber hinaus beeinträchtigt die Wohnungsnot auch bestehende Arbeitsverhältnisse: Jeder fünfte Betrieb gibt an, dass Mitarbeitende gekündigt haben, weil es an geeignetem Wohn-raum mangelte. Weitere 26 Prozent berichten von reduzierten Arbeitszeiten, da der lange Arbeitsweg für die Beschäftigten nicht tragbar war.
Viele Unternehmen haben bereits reagiert: 39 Prozent der Betriebe, die negative Auswirkungen feststellen, unterstützen ihre Mitarbeitenden aktiv bei der Wohnungssuche oder planen entsprechende Maßnahmen. Von denjenigen, die bereits konkrete Lösungen umgesetzt haben, haben 30 Prozent Immobilien gekauft, um sie an ihre Mitarbeitenden zu vermieten, 28 Prozent mieten Wohnungen an und vermitteln sie weiter. Einige Unternehmen gehen noch weiter: Sechs Prozent haben neue Immobilien gebaut, fünf Prozent Belegrechte erworben.
Auch künftig liegt der Fokus der geplanten Maßnahmen auf der An- und Weitervermietung von Wohnungen, gefolgt vom Kauf von Bestandsimmobilien, dem Erwerb von Belegrechten und Neubauten. Besonders wertvoll empfinden die Unternehmen dabei Unterstützung bei der Kontaktvermittlung. Staatliche Förderprogramme spielen hingegen eine untergeordnete Rolle.
Die Umfrage zeigt: Ohne bezahlbaren Wohnraum droht die Region Stuttgart an Attraktivität als Wirtschafts-standort zu verlieren. Es ist dringendes Handeln erforderlich, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.
Vorstellung der Umfrageergebnisse
Die Zusammensetzung der Umfrageteilnehmenden bildet die regionale Wirtschaft sowohl hinsichtlich der Zahl der Mitarbeitenden als auch der Branchenzugehörigkeit gut ab. Die Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen sind kleine und mittlere Betriebe, doch auch größere Unternehmen haben sich beteiligt. Branchenmäßig dominieren Betriebe aus dem allgemeinen Dienstleistungssektor, gefolgt von Unternehmen aus der Industrie, dem Handel und dem Verkehrsbereich.
Mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen (61 Prozent) berichten, dass der Wohnraummangel die Verfügbarkeit von Fachkräften beeinträchtigt.
Wohnraummangel belastet Arbeitsverhältnisse und Unternehmen
Unternehmen, die einen Zusammenhang zwischen Fachkräftemangel und Wohnraummangel sehen, wurden nach den konkreten Auswirkungen befragt – und die Ergebnisse sind besorgniserregend: Mehr als die Hälfte der Betriebe berichtet, dass Bewerberinnen und Bewerber Stellen abgelehnt haben, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden konnten. Auch bestehende Arbeitsverhältnisse sind betroffen: 26 Prozent der Unternehmen geben an, dass Mitarbeitende ihre Arbeitszeit reduziert haben, da die Pendelzeit zu lang ist, und bei 20 Prozent der Betriebe haben Mitarbeitende sogar gekündigt, weil passender Wohnraum fehlt.
Darüber hinaus zeigt die Umfrage, dass der Wohnraummangel zunehmend zu einem zentralen Anliegen der Beschäftigten wird: 67 Prozent der befragten Unternehmen berichten, dass sich Mitarbeitende oder Bewerbende bei der Wohnraumsuche an sie wenden. 42 Prozent der Betriebe geben an, dass ihre Mitarbeitenden um finanzielle Unterstützung für Wohnkosten bitten, und 47 Prozent berichten, dass mobiles Arbeiten verstärkt genutzt wird, um lange Anfahrtswege zu umgehen.
Zusammenfassend verdeutlicht die Umfrage, dass der Mangel an geeignetem Wohnraum die Verfügbarkeit von Arbeitskräften unmittelbar beeinträchtigt. Unternehmen sind nicht nur mit direkten Folgen wie Kündigungen oder reduzierter Arbeitszeit konfrontiert, sondern auch mit wachsenden Erwartungen ihrer Belegschaft – etwa in Form von Unterstützung bei der Wohnungssuche oder flexiblen Arbeitszeitmodellen. Die Integration solcher Maßnahmen in die Personalplanung bietet nicht nur eine kurzfristige Lösung, sondern kann die Attraktivität des Unternehmens langfristig steigern und einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil schaffen.
Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden bereits aktiv bei der Wohnraumsuche oder haben entsprechende Maßnahmen fest eingeplant.
Das nachfolgende Schaubild veranschaulicht, wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden bei der Wohnraumsuche unterstützen können. Dabei wird zwischen direktem und indirektem Engagement unterschieden. Direkt können Unternehmen Immobilien kaufen oder bauen, Belegrechte durch Kooperationen sichern oder Wohnungen anmieten und weitervermieten. Indirekte Unterstützung umfasst die Bereitstellung interner Tauschbörsen, die Beauftragung von Maklern oder die Gewährung finanzieller Zuschüsse.
Von den Unternehmen, die bereits aktiv Maßnahmen ergriffen haben, haben 30 Prozent bestehende Immobilien gekauft, um sie an ihre Mitarbeitenden zu vermieten. 28 Prozent mieten geeignete Wohnungen an und vermitteln diese weiter. Sechs Prozent haben neue Immobilien speziell für ihre Angestellten gebaut, und fünf Prozent erwarben Belegrechte für ihre Mitarbeitenden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen bevorzugt auf schnell umsetzbare Lösungen setzen. Besonders beliebt sind daher der Kauf von Bestandsimmobilien sowie die An- und Weitervermietung. Der Neubau von Wohnungen wird hingegen selten realisiert, was vermutlich an den hohen Kosten und langen Planungs- sowie Bauzeiten liegt. Auch Belegrechte werden nur von wenigen Unternehmen genutzt, was möglicherweise auf deren geringe Bekanntheit als Maßnahme zurückzuführen ist.
Bei den Unternehmen, die Maßnahmen planen, steht die An- und Weitervermietung von Wohnungen mit 14 Prozent an erster Stelle. Darauf folgen der Kauf von Immobilien mit 12 Prozent, der Erwerb von Belegrechten mit fünf Prozent und der Neubau von Immobilien mit zwei Prozent.
Unter den bereits aktiven Betrieben haben 39 Prozent ein schwarzes Brett oder eine Informationsplattform für die Wohnraumsuche eingerichtet. 19 Prozent unterstützen ihre Mitarbeitenden durch finanzielle Zuschüsse, und 14 Prozent beauftragen Makler. Neun Prozent haben eine firmeninterne Tauschbörse ins Leben gerufen. Zudem wird immer wieder die Bedeutung von Netzwerken hervorgehoben, um verfügbaren Wohnraum aufzuspüren. Einige Unternehmen setzen auch auf mobiles Arbeiten, um den Wohnraummangel in Arbeitsplatznähe zu umgehen. Bei der Wahl ihrer Maßnahmen legen die Unternehmen besonderen Wert auf praktische Umsetzbarkeit und Effizienz.
Unternehmen, die Maßnahmen planen, setzen jeweils zu 28 Prozent auf finanzielle Zuschüsse und das schwarze Brett. Die Beauftragung von Maklern wird lediglich von zehn Prozent dieser Unternehmen in Betracht gezogen, während die Einführung einer Tauschbörse in diesen Betrieben keine Rolle spielt.
Hohe Kosten, Bürokratie und rechtliche Hürden belasten Unternehmen
Mehr als die Hälfte der Unternehmen sieht hohe Kosten und wirtschaftliches Risiko als die größten Herausforderungen. Jeder zweite Betrieb nennt zudem den hohen Verwaltungsaufwand als Hürde. Weitere Herausforderungen, die von 19 bis 40 Prozent der Unternehmen genannt werden, sind Planungsunsicherheiten, rechtliche Hürden und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Dritten. Unternehmen mit praktischen Erfahrungen empfinden diese Herausforderungen jedoch häufig als weniger belastend. Bei den rechtlichen Schwierigkeiten werden insbesondere bau- und planungsrechtliche Einschränkungen sowie steuerliche und mietrechtliche Fragen genannt. Ein häufig erwähnter Punkt ist auch die begrenzte Verfügbarkeit von geeignetem Wohnraum.
Die hohen Kosten und das wirtschaftliche Risiko stellen für Betriebe angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage eine besonders große Belastung dar. Der Verwaltungsaufwand umfasst vor allem die komplexe Handhabung von Mietverträgen, die Kommunikation mit Mietenden sowie die allgemeine Immobilienverwaltung. Zwei Drittel der Unternehmen geben an, die Vermietung selbstständig zu übernehmen – hier könnte die Zusammenarbeit mit Dienstleistern eine Lösung bieten. Dabei spielt die Kommunikation eine wesentliche Rolle, da viele Unternehmen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit externen Partnern angeben.
Etwa ein Drittel der Unternehmen, die bereits Maßnahmen umgesetzt haben, empfinden die Vermittlung von Kontakten als hilfreich. Bei den Betrieben in der Planungsphase oder ohne geplante Maßnahmen liegt dieser Wert etwas höher (37 Prozent). Letztere legen besonders viel Wert auf staatliche Förderungen (39 Prozent), während diese für erfahrene Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Ähnlich verhält es sich mit Beratungsleistungen: Nur drei Prozent der erfahrenen Unternehmen geben an, hier Unterstützung erhalten zu haben, während 23 Prozent der unerfahrenen Unternehmen sich davon eine Hilfe erhoffen. Firmen mit Erfahrung betonen, wie wichtig Eigeninitiative ist, da es kaum unterstützende Angebote gebe. Der Unterschied in der Wahrnehmung von Beratungsangeboten und staatlichen Förderungen verdeutlicht, dass deren Relevanz mit der Erfahrung eines Unternehmens sinkt.
Fazit: Wohnraum sichern, Arbeitsmarkt und Wettbewerb stärken
Die Umfrage zeigt, dass der Wohnraummangel in der Region Stuttgart zunehmend als Hemmschuh für den Arbeitsmarkt wahrgenommen wird. Besonders betroffen sind Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, da bezahlbarer Wohnraum oft fehlt. Viele Unternehmen reagieren bereits, indem sie ihre Mitarbeitenden aktiv bei der Wohnungssuche unterstützen, sei es durch den Kauf von Immobilien oder die Bereitstellung finanzieller Zuschüsse. Besonders gefragt sind schnelle und praktikable Lösungen wie beispielsweise die An- und Weitervermietung von Bestandsimmobilien. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Wohnraummangel nicht nur zu Kündigungen oder reduzierten Arbeitszeiten führt, sondern auch die Attraktivität von Unternehmen beeinträchtigt. Langfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation könnten somit ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Region sein.
Die Politik sollte Maßnahmen in Erwägung ziehen, um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum entgegenzuwirken, da dieser die Fachkräftesuche zunehmend erschwert. Eine Überprüfung und mögliche Senkung der Baukosten sowie die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sind dringend erforderlich. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, Leerstände in Büroimmobilien verstärkt für Wohnzwecke zu nutzen und das Baurecht entsprechend anzupassen. So könnten Unternehmen langfristig die nötigen Fachkräfte gewinnen und ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.
Unser Tipp: Für vertiefende Einblicke empfehlen wir unseren Leitfaden Mitarbeiter-Wohnen, darin finden Sie auch interessante Best-Practice-Beispiele!
Interessant ist auch das Grundsatzpapier zum Mitarbeiterwohnen, das vom Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag e.V. herausgegeben wurde.
Und werfen Sie einen Blick auf die Vorschläge und Anregungen, die wir in unserem IHK-Impulspapier für Politik und Verwaltung zusammengefasst haben.