Unternehmensbewertung
Die Bewertung eines Unternehmens ist ein anspruchsvoller Prozess, der eine Vielzahl von Faktoren einbezieht. Es existieren diverse Methoden zur Wertermittlung, wobei die Auswahl der passenden Methode von der Branche, der Größe des Unternehmens sowie betrieblichen Umständen abhängig ist.
Bewertungsmethoden
Für die Unternehmensbewertung gibt es kein allgemein gültiges Verfahren, mit dessen Hilfe sich der Wert eines Unternehmens eindeutig bestimmen lässt. Vielmehr bestehen verschiedene Berechnungsverfahren, die auch in Kombination betrachtet werden können. Die folgende Übersicht beschreibt einige der gängigen Methoden zur Wertermittlung.
Ertragswertverfahren
Nach vorherrschender Meinung stellt das Ertragswertverfahren unter finanziellen Zielsetzungen die (theoretisch) „richtige” Methode der Unternehmensbewertung dar. Dabei steht die künftige Ertragskraft (d. h. in der Regel der folgenden fünf Jahre) und damit die Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens im Vordergrund. Somit darf der Kaufpreis nur so hoch sein, dass der Käufer aus dem erwirtschafteten Gewinn sowohl die im Unternehmen erforderlichen Investitionen als auch die Zins- und Tilgungszahlungen aus dem Unternehmenskauf finanzieren kann. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Kapitalisierungszinsfuß. Hier handelt es sich um einen Zinssatz für eine risikolose Kapitalanlage (z. B. Bundesanleihen) plus einem Aufschlag für das Unternehmerrisiko. Mit dem Kapitalisierungszinsfuß werden die zukünftig zu erwartenden Gewinne auf den Tag der Übernahme abgezinst. Die Höhe des Risikozuschlags wirkt sich dabei erheblich auf die Höhe des Unternehmenswertes aus.
Das Ertragswertverfahren bewertet ein Unternehmen auf Basis seiner zukünftigen Gewinnerwartungen und ist besonders dann sinnvoll, wenn das Unternehmen stabile und planbare Erträge erwirtschaftet. Ein großer Vorteil dieser Methode ist, dass sie zukunftsorientiert ist und die Ertragskraft des Unternehmens in den Mittelpunkt stellt. Außerdem lässt sich der Kapitalisierungszinssatz individuell an das Risiko und die Unternehmensstruktur anpassen, was eine differenzierte Bewertung ermöglicht. Ein Nachteil besteht jedoch darin, dass die Bewertung stark von Prognosen und Annahmen über die zukünftige Geschäftsentwicklung abhängt, die oft unsicher oder schwer vorherzusagen sind.
Beispiel (vereinfacht): Ein Maschinenbauunternehmen soll nach der Ertragswertmethode bewertet werden. Die letzten fünf Jahre zeigen ein stabiles, bereinigtes Betriebsergebnis von durchschnittlich 200.000 Euro. Für die Zukunft erwartet man ähnliche Ergebnisse. Da das Unternehmen gut aufgestellt ist, aber dennoch gewissen Marktrisiken unterliegt, wird ein Kapitalisierungszinssatz von 15 % angesetzt. Um den Unternehmenswert zu ermitteln, wird der nachhaltige Gewinn durch den Zinssatz geteilt. Der Wert liegt also bei rund 1,3 Millionen Euro. Dieser Wert gilt nicht als Preisgarantie! Je nach Situation könnten noch weitere Anpassungen vorgenommen werden – etwa durch Berücksichtigung von Investitionsbedarf, Sondererlösen oder Abschreibungen.
Multiplikatorverfahren
Mit dem Verfahren bewertet man Unternehmen anhand von sogenannten Multiplikatoren. Diese werden aus dem Vergleich ähnlicher Unternehmen abgeleitet, die bereits gehandelt wurden. Das Verfahren bietet eine schnelle und vergleichsweise einfache Methode zur Unternehmensbewertung, ist jedoch stark von der Qualität der Vergleichsunternehmen und der Auswahl sowie der Genauigkeit der Multiplikatoren abhängig. Das Verfahren ist besonders nützlich, wenn ausreichend Marktvergleichsdaten verfügbar sind und das Unternehmen in einer etablierten Branche tätig ist.
Ein Vorteil dieses Verfahrens ist, dass es schnell und leicht anwendbar ist, vor allem wenn Vergleichszahlen aus der Branche verfügbar sind. Es eignet sich besonders gut zur groben Orientierung oder für erste Preisverhandlungen. Ein Nachteil ist jedoch, dass es wenig individuell auf das bewertete Unternehmen eingeht – besondere Stärken, Schwächen oder Zukunftsaussichten werden nicht berücksichtigt. Zudem kann die Wahl eines ungeeigneten Multiplikators zu falschen Bewertungen führen, insbesondere wenn keine guten Vergleichsdaten vorliegen. Daher ist das Verfahren weniger präzise als andere Methoden und sollte idealerweise nur ergänzend verwendet werden.
Beispiel (vereinfacht): Ein Beratungsunternehmen soll im Rahmen einer Beteiligung bewertet werden. Da vergleichbare Unternehmen am Markt gehandelt werden, bietet sich das Multiplikatorenverfahren an. Zunächst wird ein geeigneter Multiplikator ermittelt – zum Beispiel auf Basis des EBIT (Earnings Before Interest and Taxes). Aus Branchenanalysen ergibt sich, dass vergleichbare Unternehmen mit einem EBIT-Multiplikator von 5 bewertet werden. Der durchschnittliche EBIT der letzten drei Jahre beträgt 500.000 Euro. Daraus ergibt sich ein Wert von rund 2,5 Millionen Euro. Dieser Wert dient als Ausgangspunkt für die Preisfindung bei einem möglichen Verkauf von Anteilen oder bei der Aufnahme neuer Investoren.
Substanzwertverfahren
Beim betrieblichen Substanzwert geht man davon aus, dass der Wert eines Unternehmens dem Wert seiner Vermögenswerte abzüglich seiner Verbindlichkeiten entspricht. Das Verfahren beruht auf der Annahme, dass der materielle Vermögenswert eines Unternehmens seinen Mindestwert darstellt. Es werden alle Vermögensgegenstände wie Gebäude, Maschinen, Vorräte, Patente, Markenrechte usw. sowie liquide Mittel berücksichtigt. Der Vorteil dieser Methode liegt in der einfachen Anwendung. Gleichzeitig werden hier aber nicht die zukünftigen Erträge eines Betriebes berücksichtigt. Das Verfahren zeigt, was das Unternehmen „an Substanz“ besitzt, und dient vor allem dann als Bewertungsgrundlage, wenn das Unternehmen kaum Gewinne erwirtschaftet oder als reine Vermögensbasis verkauft werden soll.
Ein Vorteil der Methode ist, dass dabei konkrete, greifbare Werte zugrunde gelegt werden und sie auch dann relevant ist, wenn das Unternehmen kaum Gewinne erzielt, z. B. bei Liquidation oder reinen Vermögensgesellschaften. Ein Nachteil ist jedoch, dass das Verfahren die Ertragskraft und Zukunftsaussichten des Unternehmens nicht berücksichtigt. Es bewertet nur, was „da ist“, nicht, was das Unternehmen künftig erwirtschaften kann. Für ertragsstarke Unternehmen führt das oft zu einem zu niedrigen Unternehmenswert und sollte dann als Wertuntergrenze verstanden werden.
Beispiel (vereinfacht): Ein Bauunternehmen mit eigenem Fuhrpark, Maschinen und einem Betriebsgrundstück soll bewertet werden. Da die Firma kaum Gewinne erwirtschaftet, wird zur Wertermittlung das Substanzwertverfahren angewendet. Dabei werden alle Vermögenswerte des Unternehmens erfasst, zum Beispiel Bagger, Lkw, Büroausstattung, Lagerbestände und das Grundstück. Diese Werte werden zum aktuellen Wiederbeschaffungswert abzüglich der Abnutzung angesetzt. Die Summe beträgt beispielsweise 1,2 Millionen Euro. Von diesem Betrag werden die bestehenden Verbindlichkeiten des Unternehmens, etwa Kredite in Höhe von 500.000 Euro, abgezogen. Der Substanzwert des Unternehmens beträgt somit 700.000 Euro.
Einordnung & Zielsetzung
Darüber hinaus gibt es noch weitere Verfahren (z. B. Discounted-Cashflow-Methode), die für eine Wertorientierung herangezogen werden können. Für die Unternehmensbewertung gibt es jedoch kein allgemein gültiges Verfahren, mit dessen Hilfe sich der Wert eines Unternehmens eindeutig bestimmen lässt. Vielmehr bestehen verschiedene Berechnungsverfahren, die auch miteinander kombiniert betrachtet werden können.
Eine Bewertung ist auch immer von der Entwicklung der jeweiligen Branche abhängig. Ist eine positive Entwicklung absehbar, kann eine höherer Preisvorstellung gerechtfertigt werden. Relevante Informationen zu den einzelnen Bereichen finden Sie auch über die Suchfunktion des FERI-Portals. Stimmen Sie sich daher zunächst mit Ihrem Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer ab. Eine Wertermittlung ist auch stets von der jeweiligen Zielsetzung abhängig. Wenn Sie innerhalb der Familie unentgeltlich übergeben, steht oftmals die steuerliche Optimierung im Vordergrund. Auch bei einem Verkauf ergeben sich je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Ergebnisse. Rechnen Sie daher immer mit einem „Wertekorridor”, um bei Ihrer Preisvorstellung flexibel zu bleiben. Im folgenden IHK-Podcast nehmen Expertinnen und Experten zu den einzelnen Perspektiven Stellung:
- Unternehmensbewertung bei unentgeltlicher Übertragung
- Unternehmensbewertung bei entgeltlicher Übertragung
- Kaufpreisermittlung und Eigenkapital
Unternehmenswertrechner & Tools
Über folgende Online-Tools haben Sie die Möglichkeit, kostenfrei, unverbindlich und selbstständig eine erste Wertorientierung vorzunehmen. Basis für die Ermittlung ist jeweils die Ertragswertmethode. Es ist zu empfehlen, dass Sie die Zahlen in Abstimmung mit Ihrer Steuerberatung eintragen, um fehlerhafte Werte zu vermeiden. Bitte verstehen Sie die Ergebnisse nicht als Preisgarantie.
- Unternehmenswertrechner der UWD
Mit dem Unternehmenswertrechner der Unternehmenswerkstatt Deutschland (UWD) kalkulieren Sie neutral und unabhängig den Wert Ihres Unternehmens. Die UWD ist ein Projekt des bundesweiten Verbundes der Industrie- und Handelskammern. - KMUrechner
Mit dem KMUrechner können Verkäufer, Käufer und Berater einen Wert für ein Unternehmen errechnen. Der KMUrechner wird betrieben vom EMF‑Institut der HWR Berlin („Institut für Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen“) in Kooperation mit der Plattform „Nachfolge in Deutschland“.
Weiterführende Hilfestellung
Für manche Transaktionen kann es ratsam sein, ein schriftliches Gutachten erstellen zu lassen (z. B. bei Ausgleichsansprüche innerhalb der Familie). Eine Bewertung nach IDW S1 (Bewertungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer) wird häufig für gutachterliche Zwecke erstellt und in einem Sachverständigengutachten dokumentiert. Dabei kann es hilfreich sein, einem Nachfolgekonzept eine neutrale Bewertung von einem unabhängigen, sachverständigen Gutachter zugrunde zu legen. Der Vorteil dabei liegt in der Rechtsverbindlichkeit gegenüber anderen Parteien. Da diese Form der Begutachtung jedoch mit Kosten verbunden ist, stimmen Sie sich zunächst mit Ihrer Steuerberatung ab. Anfallende Beratungskosten können unter bestimmten Voraussetzungen durch Beratungsförderprogramme des Bundes oder des Landes bezuschusst werden. Sachverständige finden Sie auch über folgende Suchportale:
- IHK-Sachverständigenverzeichnis
Das bundesweite IHK-Verzeichnis der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. - Wirtschaftsprüferkammer
Die Suchfunktion des Berufsregister für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Wirtschaftsprüferkammer. - Steuerberaterkammer Stuttgart
Über den bundesweiten Suchdienst der Steuerberaterkammer finden Sie themenspezifische Steuerberater.
Veranstaltungsangebot
Um Ihnen den Einstieg in das komplexe Thema zu erleichtern, bietet die IHK Region Stuttgart eine Veranstaltung hierzu an. So erhalten die Teilnehmenden einen Überblick über Vor- und Nachteile verschiedenster Ansätze der Wertermittlung. Programmhinweise und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier: IHK-Veranstaltung zur Unternehmensbewertung