Studie

DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2023

Mit dem DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2023 legt die Deutsche Industrie- und Handelskammer Daten und Fakten zur Nachfolgesituation im deutschen Mittelstand vor. Die Grundlage für die DIHK-Aussagen zur Unternehmensnachfolge bilden Erfahrungsberichte der IHK-Beraterinnen und -Berater der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) sowie eine statistische Auswertung des IHK-Service.

Mehr Unternehmen – weniger Interessierte

Der Mittelstand lebt und arbeitet in einer Zeit, die von existenziellen Herausforderungen geprägt ist. Innerhalb nur weniger Jahre müssen die Unternehmen gleich zwei epochale Krisen bewältigen, welche die aktuellen Geschäfte vielfach grundlegend treffen und die Zukunft vieler Unternehmen deutlich unsicherer machen. Die Corona-Pandemie hat zu erheblichen Einbußen bei Liquidität und Eigenkapital gerade konsumnaher Unternehmen geführt. Die Folgen des Kriegs Russlands in der Ukraine machen das Geschäftsumfeld erheblich schwieriger - mit hartnäckiger Inflation, stark gestiegenen Zinsen und hohen Energiepreisen. Und, durch die demografische Entwicklung fehlen seit Jahren Fachkräfte.
Dieses Umfeld erschwert auch die Suche nach Unternehmensnachfolgen. Denn solch unsichere Perspektiven erschweren langfristig angelegtes unternehmerisches Engagement. Zudem wirkt die demographische Entwicklung nicht nur bei den Fachkräften, sondern auch bei den Unternehmern selbst. Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer erreichen das Ruhestandsalter, den durch sie angebotenen Unternehmen stehen immer weniger Personen in gründungsaktiven Jahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren gegenüber.
Tipp: Die kostenfreie Nachfolgebörse nexxt-change bringt Übergebende und Nachfolgeinteressierte zusammen. Gerne unterstützen wir bei der Anzeigenerstellung.

Gründe für wachsende Herausforderung

Demografie und Mangel an Fachkräften

Insgesamt nennen 94 Prozent der IHKs Schwierigkeiten bei der Nachfolgesuche. Die gründungsstarken Altersjahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren sind immer schwächer besetzt. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter. Allein aus dieser demografischen Perspektive wird es immer schwieriger, aus einer sinkenden Zahl an potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern die passende Kandidatin bzw. den passenden Kandidaten zu finden. Hinzu kommt der zunehmende Mangel an Fachkräften (61 Prozent der IHKs), der dazu führt, dass gut qualifizierte Personen lukrative Angebote für abhängige Beschäftigungsverhältnisse erhalten und sich damit gegen das dem „Beruf Unternehmer/in“ innewohnende unternehmerische Risiko – und somit auch gegen eine Unternehmensnachfolge – entscheiden.

unsicheres Wirtschaftsklima

37 Prozent der IHKs vermelden, dass Unternehmen die gestiegenen Kosten etwa für Energie, Arbeitskräfte, Vorleistungen und Materialien nicht weitergeben können und der Weiterbetrieb dauerhaft Verluste einfahren könnte. 27 Prozent der IHKs sehen ihre Unternehmen immer mehr ausgebremst durch administrative Anforderungen. In kleinen Unternehmen ist es zumeist auch einer nachfolgenden Führungskraft nur schwer möglich, die Bewältigung all dieser Herausforderungen auf mehrere Schultern zu verteilen.

erschwerte Finanzierung

Die gestiegenen Zinsen schlagen deutlich auf die Fremdfinanzierung bei der Unternehmensnachfolge durch. Für die klassische Finanzierungssäule, den Bankkredit, berichten die IHKs nämlich bereits von deutlichen finanziellen Einschränkungen. 49 Prozent der IHKs sehen Verschlechterungen, nur vier Prozent Verbesserungen. Damit geht der Saldo aus „Verbessert“- und „Verschlechtert“-Anteilen mit nunmehr 45 Punkten deutlich ins Minus. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Finanzierung aus Eigenmitteln der Übernehmenden.
Tipp: Ob Neugründung, Wachstum oder Unternehmensnachfolge - bei den Finanzierungssprechtagen mit der L-Bank und der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg/MBG, erhalten Sie Informationen zu Möglichkeiten der Finanzierungsgestaltung.

Branchenübergreifende Herausforderung

Handel

Im Handel ist der Nachfolgedruck hoch. 26 Prozent der von den IHKs beratenen Altinhaberinnen und Alt-Inhaber stammen aus dieser Branche. Handelsunternehmen spüren mehrere Herausforderungen gleichzeitig: Der Druck zu modernisieren und insbesondere zu digitalisieren (z. B. Zahlungsdienste) ist hoch. Passende Fachkräfte sind immer schwerer zu gewinnen. Zudem stellt der Online-Handel den stationären Einzelhandel vor Herausforderungen. Corona-bedingte Einbußen sind häufig noch nicht aufgeholt, Lieferengpässe teilweise noch vorhanden.

Industrie

Mit 19 Prozent sind Industriebetriebe am zweithäufigsten in der IHK-Beratung vertreten. Auch vergleichsweise viele Nachfolgeinteressenten halten in dieser Branche Ausschau. In manchen Regionen ist sogar zu beobachten, dass es mehr Übernahmeinteressierte als Industrieunternehmen in der IHK-Beratung gibt, wenngleich IHKs insgesamt auch in dieser Branche einen Überhang an angebotenen Unternehmen beobachten. Viele Industriebetriebe erwirtschaften vergleichsweise hohe Renditen und sind oft auch international engagiert. Allerdings: Die Führung eines Industrieunternehmens erfordert oft deutlich mehr technisches Know-how als in anderen Branchen – beim Maschinenpark, beim Labor wie auch bei behördlichen Auflagen (z. B. Normen, Produktkennzeichnungen, Emissionen). Bei kleineren Industriebetrieben sind die Strukturen häufig stark auf den alten Inhaber/die alte Inhaberin ausgerichtet, bisweilen gibt es hier auch eine hohe Abhängigkeit von wenigen Kunden. Und: Teure Maschinen oder Labore machen oft hohe Kaufpreise erforderlich.

Hotellerie & Gastronomie

In Hotellerie, Gastgewerbe und Tourismus melden sich mehr als sechsmal so viele Senior-Unternehmerinnen und Unternehmer bei ihrer IHK wie Nachfolgeinteressierte. Damit weist diese Branche die ungünstigste Relation auf. Corona-bedingte Einbußen bei Liquidität und Eigenkapital sind auch hier oftmals nicht aufgeholt. Besonders wirkt sich nach IHK-Berichten hier der Fachkräftemangel aus, der die Nachfolgesuche erschwert. Oft hält zudem hoher Investitions- und Modernisierungsbedarf von einer Übernahme ab. Hinzu kommen Kostendruck bei Mieten, Energie, Waren, Personal (auch durch gestiegene Mindestlöhne) sowie inflationsbedingt schmalere Budgets der Gäste. Viele Betriebe müssen den IHKs zufolge ihre Geschäftspolitik aufgrund geänderter Kundenwünsche grundlegend neu ausrichten.

Dienstleistung

Auch viele personenbezogene Dienstleister konnten Lockdown-bedingte Einbußen bei Liquidität- und Eigenkapital verbreitet noch nicht wieder wettmachen. Zudem schränken viele Kunden inflationsbedingt ihr Budget für Dienstleistungen ein. Eingeschränkte Renditeaussichten halten den IHKs zufolge viele Interessenten von einem Engagement ab. Zudem sind viele Dienstleister stark vom (abgebenden) Inhaber geprägt. Das macht den Einstieg umso schwerer. Der Fachkräftemangel dämpft Wachstumsaussichten und erschwert auch in dieser Branche hier die Nachfolgesuche. Die Kaufpreisermittlung gestaltet sich in dieser oft auf immateriellen Vermögensgegenständen beruhenden Branche oftmals schwierig.
Tipp: Sie wollen mit Ihrem Unternehmen klimaneutral werden und dabei Energiekosten sparen? Vereinbaren Sie mit den Experten von der Kompetenzstelle für Ressourcen-, Material- und Energieeffizienz KEFF+ einen Check.

Politik ist gefordert

Unsichere Lage

Unsicherheit über die geschäftliche Entwicklung und auch über die politischen Rahmenbedingungen sind den IHKs zufolge der maßgebliche Grund dafür, dass das Interesse an Unternehmensnachfolgen deutlich zurückgeht – noch über die demografische Entwicklung hinaus. Eine wichtige Rolle spielen dabei die hohen Energiepreise und Unwägbarkeiten der Energie-Versorgungssicherheit. Hier kann und sollte die Politik ansetzen. Gefragt sind tragfähige Lösungen, die für die Breite der Wirtschaft wirksam sind. Die geplante Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist ein überfälliger, aber wichtiger erster Schritt. Allerdings sind auch die Betriebe in Handel und Dienstleistungen auf bezahlbare Strompreise angewiesen - allein diesen beiden Wirtschaftszweigen entstammen 78 Prozent der Unternehmen, die sich im Jahr 2022 bei ihrer IHK zur Nachfolge haben beraten lassen. Daher sollte die Stromsteuer generell auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden, auch mit Blick auf tragfähige Perspektiven bei der Unternehmensnachfolge.

Bürokratie

Mit dem geplanten Wachstumschancengesetz und den Eckpunkten für ein viertes Bürokratieabbaugesetz und europäischen Initiativen greift die Bundesregierung einige Punkte auf, welche auch die DIHK seit Längerem einfordert, wie höhere Buchführungsgrenzen, die Einführung der Möglichkeit degressiver Abschreibungen und die Aufhebung von Schriftformerfordernissen. Neben dem angekündigten Praxis-Check zur Unternehmensgründung sollte die Bundesregierung auch einen umfangreichen Praxis-Check zur Unternehmensnachfolge durchführen.

Digitalisierung

Es gilt zudem, das E-Government mit Blick auf Unternehmensnachfolge zu verbessern. Umwandlungen oder Übertragungen von Unternehmen erfordern bisher eine sorgfältige Prüfung (due diligence) und ggf. die rechtzeitige Einholung neuer Genehmigungen. Über eine bürgernahe, digitale Verwaltung würde der Prozess deutlich verbessert werden, da der Staat grundsätzlich bereits über alle erforderlichen Daten und Informationen verfügt, diese aber meist auf die unterschiedlichsten Behörden und Ämter verteilt sind. Künftig sollten die Beteiligten einen beabsichtigten Betriebsübergang nur noch bei einer einzigen staatlichen Stelle anzeigen müssen. Sie könnten dann auch eine (rechtsverbindliche) Auskunft über den Status quo und die bei der Umwandlung oder Übertragung zu erledigenden Formalitäten erhalten - und diese im besten Fall gleich bei dieser Stelle erledigen.
Tipp: Über unseren Bürokratie-Check können Unternehmen direkt Fälle für bürokratische Hürden melden. Mittels einer KI werden dann Schwerpunkte ausgemacht, um daraus Lösungsvorschläge abzuleiten.
(Quelle und Text: DIHK / DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2023)
Details, Grafiken und weitere Ergebnisse finden Sie auf der Seite des DIHK: DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2023