Studie

DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2022

Obwohl viele Betriebe zur Nachfolge anstehen, möchten immer weniger Personen selbst Unternehmer sein oder Unternehmer werden. Dies geht aus dem aktuellen DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge hervor, für den rund 18.000 Kontakte von IHK-Beraterinnen und -Beratern mit Alt-Unternehmerinnen und Alt-Unternehmern sowie Nachfolgeinteressierten ausgewertet wurden.

Krisen und Corona machen Nachfolgesuche deutlich schwieriger

Die Suche nach einer passenden Unternehmensnachfolge ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich schwieriger geworden. Die Corona-Pandemie hat das Interesse an der Übernahme eines Unternehmens stark gedrückt. Nur noch halb so viele Übernahme-Interessenten wie vor der Corona-Pandemie erkundigten sich im Jahr 2021 bei ihrer IHK. Das Nachfolgeinteresse hat insbesondere in den von Lockdowns betroffenen Branchen Handel und Gastronomie sowie bei kleinen Dienstleistungsunternehmen erheblich gelitten.
Auch die Zahl der von der IHK beratenen Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber sank in diesem Zeitraum um deutliche 16 Prozent. Den IHKs zufolge stellten viele Unternehmerinnen und Unternehmer die Nachfolgesuche zurück, um sich um die Existenzerhaltung ihres Unternehmens nach der Corona-Krise zu kümmern. Maßnahmen zur Nachfolgevorbereitung stehen daher zurück.

Neben dem Interesse sinkt auch die Attraktivität der Betriebe

Allerdings: Nachlassende Bemühungen um die Nachfolge sowie unterlassene oder aufgeschobene Modernisierungsinvestitionen führen zu sinkenden Unternehmenswerten und damit zu nachlassender Attraktivität des Betriebes für mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger – und das in einem Umfeld, das aufgrund zunehmenden Fachkräftemangels und besonders aufgrund der Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine zudem von deutlich höherer Unsicherheit geprägt ist.
Auch rein numerisch betrachtet deuten die IHK-Erfahrungen darauf hin, dass die Lage im Mittelstand bei der Unternehmensnachfolge herausfordernder wird. Im Jahr 2021 kamen rechnerisch 2,8 beratene Senior-Unternehmer/Unternehmerinnen auf einen Nachfolgeinteressenten. Vor der Krise betrug diese Relation noch 1,7. Derzeit haben 46 Prozent der beratenen Senior-Unternehmerinnen und -Unternehmer und 44 Prozent der Nachfolgeinteressierten zum Zeitpunkt der IHK-Beratung nicht die passende Nachfolge beziehungsweise das passende Unternehmen gefunden.

Negative Trends überlagern sich

  • Demografiebedingt gibt es tendenziell immer weniger Personen in den gründungsstarken Altersjahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter. In der Folge wird es für die wachsende Zahl an Unternehmerinnen und Unternehmer auf Nachfolgesuche schwieriger, aus einer sinkenden Zahl an potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern die passende Kandidatin beziehungsweise den passenden Kandidaten zu finden.
  • Der zunehmende Mangel an Fachkräften führt dazu, dass gut qualifizierte Personen lukrative Angebote für abhängige Beschäftigungsverhältnisse erhalten und sich damit gegen den "Beruf Unternehmer/in" entscheiden.
  • Die Corona-Pandemie hat für viele Branchen herbe Einbußen gebracht, die zu den "klassischen" Branchen für Unternehmensgründungen und Unternehmensnachfolgen zählen. So haben auch im Jahr 2021 Lockdowns und Zugangsbeschränkungen im Handel, Gastronomie und vielen Dienstleistungsbereichen wie etwa Reisewirtschaft und Veranstaltungswirtschaft die dortige Geschäftslage und Unternehmenssubstanz deutlich verschlechtert und die Geschäftsaussichten mit hohen zusätzlichen Unsicherheiten belegt.
  • Aktuell mehren sich die Berichte aus den IHK-Regionen, dass Unternehmen im Zuge der Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine eine nochmals erhöhte Unsicherheit empfinden – insbesondere durch steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie mögliche Versorgungsunsicherheiten.

Branchenübergreifende Herausforderung

Sehr eng ist die Situation im Handel. Hier zählten die IHKs 4,5-mal mehr Unternehmen in der IHK-Beratung als potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger. Mit 25 Prozent macht diese Branche den größten Anteil an der IHK-Nachfolgeberatung aus. Allerdings ist nach IHK-Berichten in vielen Handelsunternehmen der Modernisierungs- und Digitalisierungsbedarf hoch, Kunden- und Nachfragestrukturen haben sich im Zuge der Coronakrise teils drastisch geändert.
Am zweithäufigsten sind Industrie-Unternehmen in der IHK-Beratung vertreten. Und auch viele Nachfolgeinteressenten liebäugeln mit einem Industriebetrieb. Viele Industriebetriebe erwirtschaften im Branchenvergleich hohe Renditen und sind oft auch international aktiv. Die rechnerische Relation liegt für Industrieunternehmen in der IHK-Beratung mithin bei 1,5 abzugebende Unternehmen pro Nachfolgeinteressierten.
In Hotellerie, Gastgewerbe und Tourismus melden sich dreimal so viele Senior-Unternehmer/-innen bei ihrer IHK wie Nachfolgeinteressierte. Die Corona-bedingten Einbußen haben oftmals viel Liquidität gekostet. Viele potenziell Interessierte werden bisweilen durch den hohen Investitionsbedarf von einer Übernahme abgehalten. Zudem gibt es in der Branche den IHKs zufolge viele Betriebe, deren Geschäftspolitik aufgrund geänderter Kundenwünsche völlig neu ausgerichtet werden müsste. Auch ändert sich die Marktstruktur – es gibt etwa durch Online-Buchungsportale einen starken Preisdruck.
In der Logistikbranche suchten 4,5-mal mehr Unternehmen als potenzielle Nachfolger die IHKs auf. Hoher Fachkräftemangel und stark gestiegene Energie- und Kraftstoffpreise machen der Branche zu schaffen. Hinzu kommen verstärkte Konkurrenz durch neue Wettbewerber, Green-Logistics-Anforderungen und Lieferkettenrisiken. In der Folge melden sich vergleichsweise wenig Interessenten zur Übernahme eines Logistik-Unternehmens bei der IHK.
(Text: DIHK / DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2022)
Details, Grafiken und weitere Ergebnisse finden Sie auf der Seite des DIHK „DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2022”.