Homeoffice

Homeoffice in Polen

Polen hat sich über die letzten Jahre nicht nur wegen seiner geringen Lebenshaltungskosten zu einem beliebten Standort für Remote Work entwickelt. Arbeitgeber, die Ihren Mitarbeitern ermöglichen wollen, mobil aus Polen zu arbeiten, sollten sich allerdings im Vorhinein mit den rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen.

1. Anwendbares Recht

Sieht der Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Rechtswahl vor, so findet auf diesen gem. Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO das Recht des gewöhnlichen Arbeitsorts Anwendung. Bei der Beurteilung kommt es dann also maßgeblich auf die Dauer des Remote Work Einsatzes im Ausland an. Bei nur kurzen Aufenthalten in Polen (bspw. einer Workation) wäre dann weiterhin deutsches Recht anwendbar; bei einer überwiegend in Polen ausgeführten Tätigkeit hingegen polnisches Recht. Lässt sich der gewöhnliche Arbeitsort ausnahmsweise nicht eindeutig bestimmen, so gilt das Recht des Ortes, an dem sich die Niederlassung befindet, bei der der Arbeitnehmer angestellt ist.
Die Parteien können das auf den Vertrag anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen. Dies darf gem. Art. 8 Abs. 1, S. 2 Rom I-VO allerdings nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer den zwingenden arbeitsrechtlichen Vorschriften des Ortes entzogen wird, an dem er seinen gewöhnlichen Arbeitsort hat. Dies bezieht sich etwa auf Mindestlohn, Urlaubsansprüche, Höchstarbeit- und Ruhezeiten.
Hinweis: Ein Nebeneinander verschiedener anwendbarer Rechtsordnungen sollte vermieden werden. Daher ist es zu empfehlen, dass das Recht des Landes vereinbart wird, in dem der Arbeitnehmer den Großteil seiner Arbeitszeit verbringt.

2. Grundlagen des polnischen Arbeitsrechts

In Polen gilt ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn. Dieser beträgt derzeit (Stand: Februar 2024) 4.242 PLN (ca. 978 EUR), ab Juli 2024 dann 4.300 PLN (ca. 991 EUR). Allerdings kann die Mindestvergütung im Anwendungsbereich eines Tarifvertrags (zwischen Arbeitgeber und Betriebsgewerkschaft) oder einer Vergütungsverordnung (bei Arbeitgebern mit min. 50 Mitarbeitern, die nicht von einem Tarifvertrag erfasst sind) auch höher ausfallen.
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 8 Stunden pro Tag bzw. 40 Stunden pro Woche. Einschließlich Überstunden darf die wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden im üblichen Abrechnungszeitraum nicht übersteigen. In Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer haben nach polnischem Recht einen Anspruch auf 20 Tage bezahlten Urlaub pro Jahr. Ab 10 Jahren Betriebszugehörigkeit erhöht sich dieser Anspruch auf 26 Tage pro Jahr.
Abschluss und Änderung von Arbeitsverträgen bedürfen nach polnischem Recht der Schriftform. Sie müssen spätestens am ersten Arbeitstag unterzeichnet werden. Notfalls ist eine schriftliche Bestätigung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber anzufertigen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

3. Sozialversicherungsrecht

Innerhalb der Europäischen Union richtet sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht nach der Verordnung (EG) 883/2004. Danach unterfallen Arbeitnehmer, die grenzüberschreitend tätig werden, nur dem Sozialversicherungsrecht eines einzigen Mitgliedsstaates. Dabei handelt es sich grundsätzlich um den Mitgliedsstaat, in dem die grenzüberschreitende Tätigkeit verrichtet wird (sog. Tätigkeitsortsprinzip“). Arbeitnehmer, die ihre Arbeit mobil für einen deutschen Arbeitgeber von Polen aus verrichten, sind daher grundsätzlich auch in Polen sozialversicherungspflichtig.
Ausnahmen können jedoch bestehen, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit regelmäßig in zwei oder mehr EU-Mitgliedsstaaten ausübt, d.h. wenn er nicht ausschließlich aus dem Homeoffice in Polen tätig wird, sondern auch regelmäßig in Deutschland arbeitet (bspw. im Büro des Arbeitgebers). Besitzt der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Polen und verrichtet dort keinen wesentlichen Teil seiner Arbeit, unterliegt er weiterhin dem Sozialversicherungsrecht des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Hinweis: Die Schwelle für das Merkmal wesentlich liegt grundsätzlich bei 25 Prozent. Allerdings sind sowohl Deutschland als auch Polen Mitglied des seit 01. Juli 2023 geltenden Rahmenabkommens zur grenzüberschreitenden Telearbeit, welches die Schwelle für das Merkmal der Wesentlichkeit auf 50 Prozent anhebt. Mitarbeiter, die weniger als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit mobil von Polen für einen Arbeitgeber in Deutschland arbeiten, können daher im deutschen Sozialversicherungssystem bleiben.
Ist der Arbeitnehmer in Polen sozialversicherungspflichtig, hat der deutsche Arbeitgeber die Wahl, ob er selbst sich in Polen anmeldet und die Beiträge abführt oder dies vom Mitarbeiter übernommen wird. In letzterem Fall sollte eine vertragliche Abrede getroffen werden, der diese Verpflichtung auf den Mitarbeiter überträgt.

4. Lohnsteuer und Betriebsstättenrisiko

Die Lohnsteuer ist grundsätzlich dort zu entrichten, wo die steuerpflichtige Leistung erbracht wird. Bei Remote Work ist dies der Staat, in dem sich der Arbeitnehmer physisch aufhält. Wer aus Polen für einen deutschen Arbeitgeber arbeitet, ist für die erbrachten Leistungen somit grundsätzlich in Polen lohnsteuerpflichtig. Auf Grundlage des deutsch-polnischen Doppelbesteuerungsabkommens besteht die Lohnsteuerpflicht jedoch ausschließlich in Deutschland, wenn der Arbeitnehmer weniger als 183 Tage in Polen arbeitet.
Neben dem Risiko der Steuerpflichtigkeit des Arbeitnehmers besteht auch das Risiko für das Unternehmen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice von den örtlichen Behörden als Gründung einer (de facto) Betriebsstätte verstanden und Körperschaftssteuer erhoben wird. erhebt. Der Ausdruck „Betriebsstätte“ beschreibt eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (wirtschaftliche Tätigkeit).
  • Geschäftseinrichtung
    Liegt an allen Orten vor, an denen der Mitarbeiter seine Arbeit ausübt (z.B. Arbeits- oder Wohnzimmer des Mitarbeiters). Eine Anordnung durch den Arbeitgeber ist nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Mitarbeiter von dort einen erheblichen Teil seiner Arbeit ausübt.
  • Feste / permanente Geschäftseinrichtung
    Die Geschäftseinrichtung ist fest und permanent, wenn sie fest mit dem Untergrund verbunden und nicht nur rein vorübergehend genutzt wird.
  • Wirtschaftliche Tätigkeit
    Entscheidend für die Beurteilung der Betriebsstätteneigenschaft ist die Frage, ob der Mitarbeiter von seiner Geschäftseinrichtung sog. „unternehmerische Kerntätigkeiten“ ausführt. Bei privaten Motiven für die Arbeit aus dem Homeoffice und lediglich unterstützenden Tätigkeiten (bspw. interner Support) für den Arbeitgeber in Deutschland dürfte das Betriebsstättenrisiko relativ gering ausfallen. Andererseits spricht der geplante Aufbau eines Kunden- und Vertriebsnetzes vor Ort für eine unternehmerische Tätigkeit des Mitarbeiters. Auch die Übernahme von Führungs- oder Geschäftsleitungsaufgaben sind Indizien für das Vorliegen einer Betriebsstätte.
Bei der Arbeit aus dem Homeoffice in Polen muss daher für jeden Fall individuell abgewogen werden, wie hoch das Betriebsstättenrisiko einzuschätzen ist. Bei kurzen, rein unterstützenden Tätigkeiten  wird eine Betriebsstätte tendenziell nicht anzunehmen sein. Dennoch ist sorgfältig und bestenfalls unter Einbeziehung eines erfahrenen Steuerberaters oder Rechtsanwalts zu prüfen, ob im konkreten Fall nicht von einer steuerlich relevanten Betriebsstätte auszugehen ist.
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