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Grenzüberschreitende Forderungsbeitreibung

Wenn Sie gegen einen Schuldner im Ausland schnell Ihre Forderung durchsetzen wollen, gibt es unterschiedliche Wege. Der Artikel gibt einen Überblick über das grenzüberschreitende (deutsche) Mahnverfahren, das europäische Mahnverfahren und das europäische Mahnverfahren für geringfügige Forderungen. Überdies werden aktuelle Rechtsfragen bei der Forderungsbeitreibung im Vereinigten Königreich dargestellt.
der Artikel ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl der Artikel mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.

1. Grenzüberschreitendes (deutsches) Mahnverfahren

1.1 Was ist ein grenzüberschreitendes Mahnverfahren?

Das Mahnverfahren ist eine schnelle und abgekürzte Alternative zum normalen Klageverfahren. Es kann nicht nur gegen im Inland ansässige Schuldner zum Zuge kommen, sondern auch über die Grenze gehen. Da hierbei immer zugleich ein anderer Staat involviert ist, gelten hierfür besondere Regeln.
Ansonsten unterscheidet sich das grenzüberschreitende Mahnverfahren vom Prinzip her nicht vom innerstaatlichen Mahnverfahren. Es beginnt ebenfalls damit, den Erlass eines Mahnbescheids zu beantragen. Bei einem Widerspruch des Schuldners kann sich ein streitiges Gerichtsverfahren anschließen. Bei Untätigkeit kann ein Vollstreckungsbescheid ergehen. Legt der Antragsgegner dagegen Einspruch ein, folgt wiederum ein streitiges Gerichtsverfahren. Bleibt er untätig, erhält man einen Vollstreckungsbescheid. Auch ein grenzüberschreitendes Mahnverfahren ist daher nur dann sinnvoll, wenn es um wahrscheinlich unbestrittene Forderungen geht.

1.2 Wann kann ich überhaupt ein Mahnverfahren in grenzüberschreitenden Fällen durchführen?

a) Diese Möglichkeit haben Sie immer dann, wenn Deutschland mit dem anderen Staat die Zustellung eines Mahnbescheides in eben diesem Staat vereinbart hat. Dies gilt zurzeit für die folgenden Länder:
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern. Zum Vereinigten Königreich siehe unten – 4. Hinweise zum Brexit.
Befindet sich Ihr Schuldner in einem dieser Staaten, können Sie ein grenzüberschreitendes Mahnverfahren durchführen.
b) Möglich ist dies auch, wenn der Schuldner zwar nicht selbst in einem der genannten Staaten greifbar ist, aber dort einen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat. Zustellungsbevollmächtigte können etwa sein: Anwälte, Steuerberater, und sonstige Personen, bei denen man aufgrund des Berufs von erhöhter Zuverlässigkeit ausgehen darf.

1.3 Bei welchem Gericht muss ich das grenzüberschreitende Mahnverfahren starten?

Die deutschen Gerichte werden nur dann tätig, wenn sie für die „Hauptsache” (also das, worüber Sie sich mit Ihrem Gegner ganz normal vor Gericht streiten würden) „international zuständig” sind (a). Lässt sich dies bejahen, muss man noch herausfinden, welches Gericht innerhalb Deutschlands das für den konkreten Fall zuständige Mahngericht ist (b).
a) Die internationale Zuständigkeit klärt, ob überhaupt deutsche Gerichte für die Entscheidung zuständig sind. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht erst einmal dann, wenn die Parteien dies wirksam vereinbart haben. Oft sind solche sogenannten Gerichtsstandsklauseln unklar formuliert. Häufig anzutreffen ist etwa: „Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart”. Erheblich mehr Rechtssicherheit schafft die Formulierung: „Ausschließlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist für beide Teile Stuttgart”.
Beachten Sie zudem eine beliebte Falle: Mit einer Gerichtsstandsvereinbarung legen die Parteien für etwaige Streitigkeiten einen bestimmten Ort fest. Dies kann Ihnen aber auch mit einer „Erfüllungsortvereinbarung” im Vertrag untergejubelt werden. Wenn es etwa harmlos heißt „Erfüllungsort ist Warschau”, kann vor einem dortigen Gericht auch geklagt werden. Oft soll an dem vereinbarten Erfüllungsort nämlich gar nicht geleistet werden, er ist bloßes Mittel einer verdeckten Gerichtsstandsvereinbarung. Geschieht dies zu offensichtlich, können solche Konstruktionen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht anerkannt werden.
Eine deutsche internationale Zuständigkeit ergibt sich weiterhin aus gesetzlichen Regeln. Sie sind nicht gerade leicht zu durchschauen, weshalb Sie meistens nicht umhinkommen, juristische Experten hinzuzuziehen. Verhältnismäßig einfach ist es noch, wenn es um einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) geht. Besonders praxisrelevant ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 7 Nr.1 EuGVVO). Er kommt nur für Ansprüche aus Verträgen in Betracht. Bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen ist Erfüllungsort dann der Ort, an dem die Ware bzw. die Dienstleistung nach dem Vertrag zu liefern bzw. zu erbringen war. Beauftragt zum Beispiel ein französisches Unternehmen für das Design seiner Produkte eine Agentur in Wiesbaden, ist Wiesbaden auch der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht werden muss (es sei denn, es ist etwas anderes vereinbart). Zahlt der französische Auftraggeber nicht, kann die Agentur vor einem Gericht in Wiesbaden ihr Honorar einklagen. Eine deutsche internationale Zuständigkeit liegt also vor. Der erste Schritt ist damit getan, nun kommt es darauf an, unter allen deutschen Gerichten das richtige herauszufinden.
Etwas schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des international zuständigen Gerichts außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO. Das ist immer dann der Fall, wenn Ihr Schuldner seinen Wohnsitz in keinem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, sondern in einem sogenannten Drittstaat hat (Art. 6 EuGVVO, mit Verweis auf Ausnahmen von diesem Grundsatz).
Hier kommt es für die Zuständigkeitsfrage zunächst darauf an, ob mit dem betreffenden Drittstaat ein Staatsvertrag geschlossen wurde, der Regelungen über die internationale Zuständigkeit enthält. Solche Staatsverträge existieren derzeit auf europäischer Ebene zwischen der EU und der Schweiz, Norwegen und Island (Luganer Übereinkommen, weitgehend parallel zur EuGVVO). Darüber, ob auf nationaler Ebene Staatsverträge zwischen Deutschland und dem fraglichen Drittstaat bestehen, können Sie sich mithilfe des Länderteils der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) einen ersten Eindruck verschaffen. Existiert kein solcher Staatsvertrag, wie zum Beispiel im Verhältnis zu Russland oder Japan, richtet sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach nationalem Recht. Da das deutsche Recht keine ausdrückliche Regelung der internationalen Zuständigkeit kennt, sind die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der §§ 12ff. ZPO in entsprechender Anwendung heranzuziehen. Dabei enthält § 29 ZPO einen Art. 7 EuGVVO vergleichbaren Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Wo dieser liegt, bestimmt sich dabei nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht. 
Daraus folgt für das oben genannte Beispiel: Handelt es sich anstelle eines französischen Unternehmens also beispielsweise um ein japanisches Unternehmen, welches eine Agentur in Wiesbaden beauftragt, sind für die Honorarklage gemäß § 29 ZPO analog auch in diesem Fall deutsche Gerichte international zuständig.
Streben Sie ein gerichtliches Verfahren zur Beitreibung Ihrer Forderung nicht wie im Beispiel vor deutschen Gerichten, sondern in einem Drittstaat an, prüfen auch dessen Gerichte zunächst, ob sie für das Verfahren international zuständig sind. Diese Prüfung erfolgt dabei anhand des jeweiligen nationalen Kollisionsrechts. Zumal für das gerichtliche Verfahren im Übrigen auch das nationale Zivilverfahrensrecht des betreffenden Drittstaats anzuwenden ist, welches weitere Voraussetzungen, wie beispielsweise die zwingende Vertretung durch einen Anwalt vorsehen kann, sind Sie auch hier gut beraten, fachlichen Beistand zu Rate zu ziehen. Für das obengenannte Beispiel Japans enthält das japanische Zivilprozessgesetz (international auch Code of Civil Procedure, CCP) Regelungen über die internationale Zuständigkeit japanischer Gerichte in dessen Art. 3-2 bis Art. 3-10. Die dort normierten Gerichtsstände ähneln teilweise den Regelungen der ZPO und EuGVVO. So finden Sie beispielsweise in Art. 3-3 einen Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Danach sind japanische Gerichte für Klagen international zuständig, die einen Anspruch auf Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zum Gegenstand haben, wenn der im Vertrag festgelegte Erfüllungsort oder gemäß dem im Vertrag gewählten Recht der Erfüllungsort der betreffenden Verpflichtung in Japan liegt.
b) An welches einzelne deutsche Gericht Sie Ihren Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids richten müssen, hängt davon ab, wo Sie und Ihr Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand haben. Der allgemeine Gerichtsstand richtet sich bei Personen nach deren Wohnsitz. Bei Unternehmen stellt man auf den Sitz ab; dies ist im Zweifel der Ort, an dem es seine Verwaltung hat.
Die verschieden Varianten können Sie der folgenden Übersicht entnehmen:
Antragsteller hat allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland
(häufigster Fall)
Nicht der Antragsteller, aber der Antragsgegner hat
allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland
Keiner von beiden hat Gerichtsstand
in Deutschland
Amtsgericht an dem Ort des allgemeinen Gerichtsstandes
des Antragstellers beziehungsweise in den Ländern
Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg,
Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und
Schleswig-Holstein das jeweils eingerichtete
zentrale Mahngericht;
für BW das Amtsgericht Stuttgart.
Amtsgericht Berlin-Wedding Amtsgericht an dem Ort, an dem sich auch das Gericht der
Streitsache nach den Regelungen über die internationale
Zuständigkeit befindet.
c) Ist kein deutsches Gericht international zuständig, können Sie in aller Regel am Wohnsitz Ihres Schuldners im Ausland das Mahnverfahren durchführen. Das bedeutet zunächst, dass Sie das Verfahren vor einem fremden Gericht durchführen müssen. Hierfür benötigen Sie stets anwaltliche und sprachkundige „Vor-Ort”-Hilfe, um die ausländischen Dokumente richtig auszufüllen und zustellen zu können. Andererseits hat dies auch seine Vorteile: grenzüberschreitende Zustellungen und Vollstreckungen sind dann entbehrlich, da hier lediglich eine gewöhnliche Inlandzustellung erforderlich wäre. Ebenso könnte die Vollstreckung innerstaatlich erfolgen, da das Vermögen des Schuldners in aller Regel dort liegen wird. Im Folgenden zeigen wir Ihnen nun aber, wie das Verfahren weitergeht, wenn ein deutsches Gericht für Ihr Mahnverfahren zuständig ist.

1.4 Was muss ich in den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides schreiben?

Zunächst benutzen Sie am besten den für inländische Verfahren eingeführten amtlichen Vordruck „Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides”, den Sie im Schreibwarenhandel erhalten. Beim Ausfüllen beachten Sie bitte folgendes:
a) Ihre Forderung müssen Sie (unter der Zeilen-Nummer 32 ff. des Vordrucks) mit Rechnungsangaben identifizieren und in Euro (siehe Zeilen-Nummer 1 des Vordrucks) beziffern. Können Sie die Forderung nur in einer ausländischen Währung bezeichnen, verlangt das Gericht zusätzlich den entsprechenden Umrechnungskurs.
b) Anzugeben ist (unter der Zeilen-Nummer 45 des Vordrucks) das Gericht der Streitsache. Ihrem Antrag hinzufügen müssen Sie auch eine Begründung, warum das von Ihnen angegebene Gericht zuständig ist. Machen Sie sich dazu erst klar: das Mahngericht startet nach Ihrem Antrag nur das Mahnverfahren; läuft es erfolglos ab, bleibt Ihnen, ein normales Gerichtsverfahren durchzuführen. Dieses findet dann vor dem jetzt schon von Ihnen zu benennenden Gericht der Streitsache statt. Soweit sich diese Zuständigkeit aus einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Erfüllungsortvereinbarung ergibt, fügen Sie die entsprechende schriftliche Vereinbarung Ihrem Antrag hinzu. Ansonsten müssen Sie die internationale Zuständigkeit gesondert begründen, wozu Sie Rechtsrat benötigen werden.
c) Nicht kümmern müssen Sie sich um Übersetzungen. Dies veranlasst das Gericht. Da der Schuldner die Annahme des Mahnbescheids verweigern kann, wenn er die deutsche Sprache nicht beherrscht, ist eine Übersetzung in aller Regel notwendig. Die Übersetzungskosten müssen Sie vorschießen. Soweit möglich, sollten Sie Ihrem Antrag auch eine Übersetzung streitentscheidender Passagen hinzufügen, zum Beispiel aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder einem Vertrag.
d) Denken Sie bitte auch an die „normalen” Anforderungen des Mahnverfahrens, die bei einem grenzüberschreitenden Fall ebenso erfüllt sein müssen. So ist immer notwendig, dass Sie eine Geldforderung gegen einen anderen besitzen. Ein Mahnverfahren ist überdies nur sinnvoll, wenn diese Forderung wahrscheinlich nicht bestritten wird. Ansonsten läuft es ohnehin auf ein Gerichtsverfahren hinaus. Ist die Forderung hingegen unbestritten, erhalten Sie schneller und kostengünstiger einen Vollstreckungstitel als im herkömmlichen Klageverfahren.

1.5 Wie läuft das Verfahren nach meinem Antrag weiter?

a) Das Mahngericht prüft Ihren Antrag auf Vollständigkeit und leitet die Zustellung im Ausland ein. Anschließend liegt es am Schuldner, ob er auf die im Mahnbescheid enthaltenen Hinweise reagiert. Zahlt er (und zwar auch die Verfahrenskosten), ist der Fall erledigt. Ansonsten kann er gegen den Mahnbescheid Widerspruch erheben. Dazu hat er mindestens zwei Wochen Zeit, längstens jedoch bis das Gericht einen Vollstreckungsbescheid erlassen hat. Der Widerspruch führt dazu, dass es nun zu einem normalen gerichtlichen Streitverfahren kommt.
b) Reagiert der Schuldner jedoch nicht, müssen Sie innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung des Mahnbescheids einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Über die erfolgreiche Zustellung werden Sie mit einer „Zustellungsnachricht” informiert, der Sie auch das genaue Datum der Zustellung entnehmen können. Außerdem erhalten Sie dabei einen bereits mit Geschäftsnummer, Betreff und Rücksendeanschrift versehenen „Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides”. Mitunter dauern die Rücklaufzeiten der Zustellungsnachricht sehr lange. Dann ist es ratsam, den Erlass eines Vollstreckungsbescheids zu beantragen, bevor der Zustellungsnachweis zurückgekommen ist. Bei Verstreichen der Sechs-Monatsfrist verliert der Mahnbescheid nämlich seine Wirkung.
c) Im anschließenden Vollstreckungsverfahren prüft zunächst das deutsche Gericht, ob der Mahnbescheid für vollstreckbar erklärt werden kann, das heißt insbesondere ob die erwähnten Fristen eingehalten sind. Ist dies der Fall muss das deutsche Gericht das zuständige ausländische Gericht einschalten, das dann entscheidet, ob die deutsche Vollstreckbarkeitserklärung auf sein eigenes Staatsgebiet ausgedehnt werden kann.
d) Dieses lange Verfahren können Sie mit dem Europäischen Vollstreckungstitel vermeiden. Aus ihm kann im EU-Ausland (mit Ausnahme Dänemarks) direkt vollstreckt werden, ohne dass es einer weiteren Prüfung im Vollstreckungsstaat bedarf.
Um diese Erleichterung zu nutzen, müssen Sie mit dem Vollstreckungsbescheid beantragen, dass dieser als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wird. Dafür gibt es auf dem „Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides” eine entsprechende Möglichkeit zum Ankreuzen.
Eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel erhalten nur unbestrittene Geldforderungen. Deshalb darf Ihr Schuldner dem Vollstreckungsbescheid nicht widersprochen haben. Ein Einspruch leitet nämlich wiederum in ein gerichtliches Verfahren über.

1.6 Welche Kosten kommen auf mich zu?

Die Kosten des Mahnverfahrens hat grundsätzlich der Schuldner zu tragen. Sämtliche Kosten müssen Sie als Antragssteller indes erst einmal vorschießen.
a) Hierbei schlagen zunächst die Übersetzungskosten mit einem Richtwert von 200 bis 300 Euro zu Buche.
b) Hinzu kommen die Zustellungskosten für den Mahnbescheid. Sie variieren je nach Staat zwischen 50 bis 150 Euro. Außerdem erhebt das Amtsgericht eine Prüfgebühr in Höhe von 20 Euro. Gleiches gilt dann für den Vollstreckungsbescheid. Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kostet noch einmal 15 Euro. Sie ist damit aber erheblich billiger als das ansonsten einschlägige Anerkennungsverfahren im Ausland, für das Sie wegen der dafür notwendigen Zustellungen in diesem Land überdies einen ausländischen Anwalt einschalten müssen. In jedem Fall kommen schließlich noch die Gerichtskosten nach Wert Ihrer Forderung hinzu.
c) Anhand dieser Kosten sehen Sie: ein grenzüberschreitendes Mahnverfahren lohnt sich nur dann, wenn bei Ihrem Schuldner über die eigentliche Forderung hinaus genügend Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten vorhanden ist. Alternativ sollten Sie immer überlegen, ob er nicht auch im Inland Vermögen besitzt, in das Sie vollstrecken können.

2. Europäisches Mahnverfahren

2.1 Was ist das Europäische Mahnverfahren?

Das Europäische Mahnverfahren ist keine zwingende Vorgabe für Mahnverfahren in der EU. Vielmehr bietet es eine zusätzliche Möglichkeit, seine Forderungen gegen Schuldner in einem anderen EU-Mitgliedstaat (außer Dänemark) durchzusetzen. Daneben bleibt das herkömmliche grenzüberschreitende Mahnverfahren möglich. Der Gläubiger kann frei wählen, welchen Antrag er stellt. Rechtsgrundlage des Europäischen Mahnverfahrens ist die EG-Verordnung Nr. 1896/2006.

2.2 Bei welchem Gericht kann ich das Europäische Mahnverfahren starten?

Für das Europäische Mahnverfahren beantragt man keinen Mahnbescheid, sondern den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls. Dieser Antrag ist grundsätzlich in dem Mitgliedstaat einzureichen, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz beziehungsweise – bei Unternehmen – seinen Sitz hat. Daher muss man - wie beim grenzüberschreitenden Mahnverfahren - wiederum die „internationale Zuständigkeit” prüfen (siehe oben A. Frage 3). Lässt sich eine deutsche internationale Zuständigkeit bejahen (etwa durch eine Gerichtsstandvereinbarung oder über den Erfüllungsort) ist in Deutschland allein das Amtsgericht Wedding zuständig. Es fungiert als Europäisches Mahngericht für Deutschland.

2.3 Wo finde ich Formulare für das Europäische Mahnverfahren?

a) Alle notwendigen Formulare sind auf der Homepage des Europäischen Mahngerichts für Deutschland abrufbar; mit Informationen und Ausfüllhinweisen. In den Formularen kann man viele Angaben per „Schlüsselzeichen” eintragen. Das ermöglicht nicht nur eine automatische Erfassung bei Gericht, sondern vereinfacht die Übersetzung.
b) Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls unterscheidet sich noch in einigen weiteren Punkten vom Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids. So ist der der Forderung zugrunde liegende Sachverhalt anzugeben, gegebenenfalls auch näher zu erläutern. Ebenfalls sind Beweise zu nennen und die gerichtliche Zuständigkeit zu begründen. Dieses geschieht indes regelmäßig mit den vorgegebenen Codes.
c) In der Anlage 2 zum Antrag können Sie zudem erklären, dass das Verfahren im Fall eines Einspruchs nicht automatisch in ein Gerichtsverfahren übergeleitet werden soll. Ihrem Antragsgegner wird diese Angabe nicht mitgeteilt. Damit lassen sich möglicherweise unnötige Gerichtskosten vermeiden.

2.4 Wie läuft das Europäische Mahnverfahren ab?

Statt eines Mahnbescheids erlässt das Gericht einen Europäischen Zahlungsbefehl. Die Einspruchsfrist für den Schuldner beträgt 30 Tage ab Zustellung. Legt er Einspruch ein, findet ein normaler Zivilprozess statt. Geschieht dies nicht, wird der Europäische Zahlungsbefehl für vollstreckbar erklärt. Der vollstreckbare Zahlungsbefehl entspricht dem deutschen Vollstreckungsbescheid. Für die Zwangsvollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ist eine Umschreibung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht mehr erforderlich.

2.5 Welche Kosten kommen auf mich zu?

Die Kosten des Europäischen Mahnverfahrens liegen in einer ähnlichen Größenordnung wie die des grenzüberschreitenden Mahnverfahrens (siehe oben A Frage 6). Da wegen der weitgehend codierten Eingabe in den Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls Übersetzungen wesentlich einfacher sind, sind die Übersetzungskosten regelmäßig deutlich niedriger.

2.6 Was sind die Vor- und die Nachteile des Europäischen Mahnverfahrens?

Das Europäische Mahnverfahren läuft schneller ab als ein herkömmliches grenzüberschreitendes Verfahren. Dies liegt daran, dass es sozusagen in einem Rutsch abläuft. Statt zweier Schritte (Erlass eines Mahnbescheids und daran anschließend Erlass eines Vollstreckungsbescheids) kommt es mit einem Schritt aus: der Europäische Zahlungsbefehl ist ohne weitere Formalitäten in allen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) vollstreckbar. Daher benötigt man auch nur eine Zustellung!
Nachteil des Europäischen Mahnverfahrens ist, dass der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls höhere formale Anforderungen als ein Mahnbescheid stellt: anzugeben sind nämlich der der Forderung zugrunde liegenden Sachverhalt und die Beweismittel.

3. Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen

Für geringfügige Forderungen (das heißt für Forderungen bis 5000 Euro) bietet sich in der EU (wiederum mit Ausnahme Dänemarks) als Alternative zum Mahnverfahren das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen an. Hierbei handelt es sich zwar um kein Mahnverfahren, aber um weitere Möglichkeit, seine Forderung grenzüberschreitend schnell durchzusetzen.
Informationen und Formblätter dazu sind abrufbar beim Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen.

4. Hinweise zum Brexit

Mit dem Ende der Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 gilt das Recht der Europäischen Union nicht mehr für das Vereinigte Königreich. Das betrifft auch das Europäische Mahnverfahren sowie das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen. Die Betreibung von Forderungen gegen Schuldner im Vereinigten Königreich ist somit - je nach Gerichtszuständigkeit – nur noch über das nationale deutsche Mahnverfahren oder über das nationale britische Mahnverfahren möglich.
Hinweis: Die Betreibung von Forderungen im Vereinigten Königreich mittels deutschem Mahnverfahren ist (bei deutschem Gerichtsstand) nach überwiegender Auffassung statthaft. Allerdings kann es aufgrund der derzeit unübersichtlichen Rechtslage dazu kommen, dass der Rechtspfleger des deutschen Mahngerichts seine Zuständigkeit in der Sache zunächst ablehnt und sodann anwaltliche Unterstützung erforderlich ist. Da dies das Mahnverfahren in die Länge zieht und zusätzliche Kosten verursachen kann, empfehlen wir gründlich zu prüfen, ob nicht alternative Methoden der Forderungsbeitreibung (bspw. Inanspruchnahme eines Inkasso-Dienstleisters) in Frage kommen.

4.1 Internationale Zuständigkeit

a) Die internationale Zuständigkeit britischer Gerichte kann sich zunächst einmal aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergeben. Mit einer Gerichtsstandsvereinbarung legen die Parteien für etwaige Streitigkeiten einen bestimmten Ort fest. Ist dieser z.B. London, folgt daraus die ausschließliche internationale Zuständigkeit britischer Gerichte. Eine solche Vereinbarung ist nach geltendem Recht wirksam. Das Vereinigte Königreich hat im September 2020 und mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 den Beitritt zum Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.06.2005 (HGÜ) erklärt, das die ausschließliche Zuständigkeit bei wirksamen Gerichtsstandsvereinbarungen in den Vertragsstaaten gewährleistet. Das HGÜ, zu dessen Mitgliedern auch die EU selbst zählt, verpflichtet die Vertragsstaaten, Gerichtsstandvereinbarungen zwischen Kaufleuten anzuerkennen und die aufgrund solcher Vereinbarungen ergangenen Urteile in einem vereinfachten Verfahren ihrerseits anzuerkennen und zu vollstrecken.
b) Wurde dagegen kein Gerichtsstand vereinbart, kann die Ermittlung der internationalen Zuständigkeit kompliziert werden. Mit Ende der Übergangsphase hat nämlich die bislang einschlägige EUGVVO ihre Rechtswirksamkeit im Vereinigten Königreich verloren. Die Gerichte ermitteln somit ihre eigene Zustän­digkeit jeweils nach dem Recht an ihrem eigenen Gerichtsort („lex fori“): die Gerichte im Vereinigten Königreich aus Sicht briti­schen Rechts, die EuGVVO-Staaten aus deren Sicht.
Das Handelsabkommen TCA hat hier keine eindeutige Regelung getroffen.

4.2 Mahnverfahren nach nationalem britischem Recht

Sowohl das Europäische Mahnverfahren als auch das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen finden am dem 01. Januar 2021 vorbehaltlich einer Einigung keine Anwendung mehr, sodass bei internationaler Zuständigkeit britischer Gerichte für die Beibringung von Forderungen im Vereinigten Königreich auf nationales britisches Recht zurückgegriffen werden muss.
Dieses eröffnet Gläubigern einer Geldforderung die Möglichkeit, gegen im Vereinigten Königreich ansässigen Schuldner ein Versäumnisurteil (default judgement) zu erwirken. Gläubiger können so ihre Forderungen in einem zügigen und standardisierten Urteilsverfahren vor den Bezirksgerichten (County Courts) geltend machen.
Der Antrag auf Erlass eines default judgments, ist jedoch nur statthaft bei Klagen auf einen bestimmten Geldbetrag (oder bei einer durch das Gericht zu bestimmenden Geldsumme) sowie bei Warenlieferungen, wenn dabei der Klageantrag dem Beklagten die Alternative der Zahlung des Lieferwertes lässt. Nicht zulässig sind Anträge auf Versäumnisurteile, wenn der Streitgegenstand den „Consumer Credit Act 1974“ (englisches Verbraucherkreditgesetz) betrifft. Sobald das Bezirksgericht die Klage dem Schuldner zugestellt hat, hat dieser 14 Tage Zeit, mit einer Empfangsbestätigung (Acknowledgement of Service) zu antworten, um seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Tut er dies nicht, kann der Kläger beantragen, ein Versäumnisurteil zu erlassen. Andernfalls hat der Beklagte weitere 14 Tage, seine Klageerwiderung einzureichen. Unterlässt er dies, kann der Kläger wiederum ein Versäumnisurteil ersuchen.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Geldforderungen bis zu einer Höhe von 10.000 Pfund über das britische Online-Portal Money Claim Online ein reguläres Mahnverfahren zu eröffnen. Über das Portal wird dann das sogenannte N1-Claim-Formular eingereicht. Im Verfahren wird die Angabe einer lokalen Postadresse vorausgesetzt. Hierbei ist es jedoch ausdrücklich zulässig, die Adresse eines im Vereinigten Königreichs zugelassenen Solicitors anzugeben – soweit dieser damit einverstanden ist.
Bei komplexeren Rechtsfragen und einem Streitwert ab 15.000 Pfund steht zudem der Weg zum High Court offen. Dieser ist allerdings mit deutlich höheren Kosten verbunden und ohne fachanwaltliche Unterstützung nicht gangbar.
Erwähnenswert ist, dass die überwiegende Mehrzahl der Mahnklagen vor britischen Gerichten nicht angefochten wird.
Abschließend empfiehlt es sich, bei Verträgen mit britischen Geschäftspartnern einen Gerichtsstand zu vereinbaren, da das Vereinigte Königreich aller Voraussicht nach dem Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen verbindlich beitreten wird. Wenngleich die Durchsetzung von Forderungen durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU komplizierter werden dürfte, wird sie auch in Zukunft möglich sein.