Welthandelsordnung
WTO-konforme Zollerhöhungen
Nach Jahren der allgemeinen Senkung von Zöllen steht nun häufiger die Frage im Raum, ob Zollsätze auch wieder erhöht werden können. Die WTO-Verhandlungen schaffen allgemeine Regeln für alle Mitglieder und spezifische Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedsregierungen. Die spezifischen Verpflichtungen sind in Dokumenten aufgeführt, die als „Konzessionszeitpläne“ (schedules of concessions) bezeichnet werden, die spezifische Tarifkonzessionen und andere Verpflichtungen widerspiegeln. Die Mitglieder haben sich auf diese Konzessionen im Rahmen von Handelsverhandlungen, wie der Uruguay-Runde, verständigt.
Maßgeblich: gebundene Tarife
Für den Handel mit Waren im Allgemeinen bestehen diese in der Regel aus maximalen Tarifniveaus, die oft als „gebundene Tarife“ (bound rates) oder „Bindungen“ (bindings) (GATT Artikel II) bezeichnet werden. Neben den gebundenen Tarifen gibt es die „angewandten Tarife“ (applied rates). Das sind Tarife, die die Mitglieder aktuell berechnen. Diese können niedriger sein als die gebundenen Tarife. Wenn das der Fall ist, ist eine Erhöhung auf das Niveau der gebundenen Tarife jederzeit WTO-konform möglich.
Einen Tarif über die gebundene Rate hinaus zu erhöhen ist WTO-konform nur mit Mühe möglich. Um dies zu tun, müssen sie mit den am meisten betroffenen Ländern verhandeln und das könnte zu einer Entschädigung für den Handelsverlust der Handelspartner führen. Gleichzeitig können sich die betroffenen Länder durch den Streitbeilegungsprozess (dispute settlement process) Abhilfe schaffen. Wenn eine Verletzung von WTO-Regeln festgestellt wird, dürfen die betroffenen Staaten ihrerseits Strafzölle gegen die Produkte des regelverletzenden Landes erheben. Unternehmen haben keinen Einfluss auf diese Auswirkungen und sind durch ihre Produkte zufällig von den Erhöhungen betroffen oder eben nicht.
Sie können die zolltariflichen Bestimmungen (bound rates und applied rates) auch online prüfen und miteinander vergleichen. Die Datenbanken sind in englisch:
- Tariff Analysis Online (komplex und vielschichtig; Anmeldung ist erforderlich)
- Tariff Download Facility (einfacher)
Meistbegünstigung, Zollhöhe und Entzug der Privilegien
WTO-Mitglieder verpflichten sich, gegenüber allen anderen WTO-Mitgliedern dieselbe Zollhöhe anzuwenden. Das ist das Prinzip der Meistbegünstigung (MFN, Most Favoured Nations) und wird in den Zolltarifen oft als MFN-Rate abgebildet. Abweichungen nach unten sind im Rahmen von Freihandelsabkommen oder Zollunionen erlaubt.
In Extremfällen kann Staaten das Privileg der Meistbegünstigung entzogen werden. Russland hat zum 16. März 2022 den Most-Favoured-Nation-Status innerhalb der WTO verloren. Diese außergewöhnliche Maßnahme wurde von der EU in Kooperation mit den Staaten der G7 und weiteren Verbündeten (Albanien, Australien, Island, der Republik Korea, Moldavien, Montenegro, Neuseeland, Nordmazedonien, Norwegen) beschlossen. Praktisch bedeutet das, dass Russland wichtige Privilegien als WTO-Mitglied entzogen werden und Russland ökonomisch weiter von der Weltwirtschaft isoliert wird. Damit können für Importe aus Russland zusätzliche Zölle erhoben werden, die Begrenzung durch die gebundene Tarife gilt nicht mehr. Falls ein Zollzuschlag erhoben werden sollte, ist es wahrscheinlich, dass dessen Höhe von den G7-Staaten und anderen gemeinsam festgelegt werden wird.
Wer trägt die Zölle?
Bei internationalen, aber auch nationalen Handelsgeschäften spielen die sogenannten Incoterms eine wichtige Rolle. Die Incoterms sind weltweit anerkannte, einheitliche Vertrags- und Lieferbedingungen, die den Parteien eines Kaufvertrages eine standardisierte Abwicklung ermöglichen. Sie haben die Aufgabe, die Kostenverteilung, die Risikoverteilung und die Sorgfaltspflichten zwischen den Vertragspartnern festzulegen. Die Incoterms regeln unter anderem auch wer (Käufer oder Verkäufer) für die (Straf-)Zölle, Steuern und andere Abgaben sowie die bei der Ausfuhr fälligen Kosten der Zollformalitäten trägt. Es gibt derzeit elf verschiedene Incoterms® 2020-Klauseln.