Textilbranche

Innovative Transformation zur Nachhaltigkeit

Die Textil- und Bekleidungsindustrie in Baden-Württemberg weist ein hohes Know-how entlang der textilen Wertschöpfungskette auf, trotzdem sind Unternehmen sowohl im Import als auch im Export stark von der Außenwirtschaft abhängig. Südwesttextil bietet ein breites Leistungsspektrum der Unterstützung im Bereich Fachkräfte und Märkte über Beratung in den Bereichen Recht, Betriebspraxis, Umwelt und Produkte bis hin zu einer starken Öffentlichkeitsarbeit und zukunftsweisenden Projekten im Bereich Nachhaltigkeit und Bildung.

Unterstützung durch Partnerschaften

Partnerschaften sind für den Verband dabei eine wichtige Basis, um die Mitgliedsunternehmen in herausfordernden Zeiten zu unterstützen. Beim Thema Innovationsmanagement kooperierte Südwesttextil bereits mit der IHK Reutlingen und mit den Qualifizierungsverbünden Baden-Württemberg, einem innovativen Gemeinschaftsprojekt mit dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit und Südwestmetall. Hier unterstützt der Verband beispielsweise insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden. Denn der Fachkräftemangel fordert die Branche ebenso heraus wie internationale Rohstoff- und Lieferengpässe, steigende Regulierungen und Energiepreise innerhalb der EU sowie die komplexen Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Textil für Morgen – Nachhaltige Entwicklung

Mit dem durch den Fonds Nachhaltigkeitskultur des Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) geförderten Projekt „Textil für Morgen“ strebt der Verband die Vernetzung der Branche für die innovative Transformation in Richtung Nachhaltigkeit an. „Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung gibt uns einen klaren Rahmen vor und wir als Verband möchten mit unseren Projekten einen wesentlichen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Branche leisten.“ Dafür ist unter anderem Ende des Jahres 2021 die Online-Plattform www.textilfuermorgen.de veröffentlicht worden.
Im Bereich Zoll und Außenwirtschaft hat Südwesttextil dank der Unterstützung durch zwei Zollberater ein weiteres Kompetenzfeld aufgebaut. Langjährig konnte der Verband auf Harald A. Neun (CCIT Neun) als internen Zollberater mit spezifischer Erfahrung in der Textilbranche zurückgreifen. Zusätzlich konnte 2018 durch das Engagement von Michael Regula (my-customs) ein Arbeitskreis Zoll und Außenwirtschaft als Forum zum Netzwerken angeboten werden. Zwischenzeitlich können die Mitglieder direkt und mit besonderen vergünstigten Konditionen auf beide Berater zurückgreifen.

Präferenzrecht – Potenzial für Einsparungen und Reformen

Textil kann viel – das ist nicht nur das Motto des Verbands, sondern sollte auch Anwendung im Präferenzrecht finden. Ziel ist, Zollabgaben zu sparen. Nicht mehr und nicht weniger. Das hat naturgemäß beim Import von Waren die größte Bedeutung – zumal es Abgaben an die EU sind und nicht an den deutschen Staat. Alle tätigen Importe: Sie, Ihre Kunden und Lieferanten. Und jeder hat ein Interesse daran, so wenig Abgaben wie möglich zu bezahlen. Derzeit sind es 51 Abkommen, sechs davon sind einseitig, das heißt nur in Richtung EU nutzbar. Am Ende bleiben etwa 90 Länder, um Abgaben beim Import beidseitig einzusparen.
Michael Regula von my-customs betont mit Blick auf seine langjährige Erfahrung: „In der vielfältigen Textilbranche, die längst nicht nur Bekleidung abbildet, sondern in der gerade technische Textilien immer mehr an Bedeutung gewinnen, sind ein Hauptproblem die veralteten Präferenzabkommen: Sie spiegeln nicht die technischen Weiterentwicklungen der Textilbranche wider.“ Auch EU-Garnhersteller haben es schwer gegenüber ihren asiatischen Mitstreitern. Man muss wissen, dass zur Gewebeherstellung das Garn komplett in der EU gefertigt sein muss. Es reicht nicht, wenn das Filament in der EU gezwirnt und das Gewebe in der EU gewebt wird.
Auch das Filament muss aus der EU stammen. Verglichen mit der Maschinenbranche ist das eine klare Benachteiligung. Das liegt unter anderem daran, dass in den sogenannten Listenregeln mit Prozessschritten und nicht mit Prozentsätzen gearbeitet wird und auch hier die Regeln veraltet sind: Zum Beispiel wird ein Gewebe mit asiatischem Garn in Deutschland gewebt. Mehr nicht. Wenn ich sehe, mit welchem Aufwand heutzutage das Weben erledigt wird (700 Garnspulen auf einer 40 Meter langen Wickelmaschine, die ihren programmierten Dienst tun), muss mein gesunder Menschenverstand sagen, dass ohne Zweifel eine EU-Wertschöpfung stattfindet. Und das in jedem Fall. Aber nein, so ist es leider aus Perspektive der Abkommen nicht, da hier dieser Prozessschritt nicht vorgesehen ist. Dass es vor 40 Jahren anders war, ist klar. Aber seitdem haben sich die Abkommen nicht geändert. Die Technik schon.

Netzwerken für mehr Aufmerksamkeit

Auch Harald A. Neun kritisiert die Reformfestigkeit und sieht in Partnerschaften und Netzwerken in der Verbandswelt Möglichkeiten, kleine Erfolge für die Textiler zu gewinnen: „In der Praxis auftretende Schwierigkeiten in der Zollabwicklung oder im internationalen Warenaustausch diskutieren wir zusammen mit dem Gesamtverband textil + mode in Berlin in Außenhandels-Arbeitskreisen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Verbesserungsvorschläge werden dann an Behörden, Bundesministerien oder EU-Institutionen herangetragen.“
Auch kurzfristige, temporär verfügte gesetzliche Verordnungen, wie zum Beispiel zu Beginn der Corona-Pandemie das Exportverbot von persönlicher Schutzausrüstung wie Mund- und Nasenmasken, das zu massiven Versorgungsproblemen auch innerhalb der EU führte, konnte durch eine schnelle Intervention über dieses Netzwerk thematisiert und letztendlich schnell einvernehmlich gelöst werden.

Aktuelle Herausforderungen

Aktuell beschäftigen die Textil- und Bekleidungsindustrie intensiv die stark steigenden Rohstoffpreise und explodierenden Frachtkosten vor allem aus Fernost. Sie beeinflussen maßgeblich den Zollwert und erhöhen damit spürbar die Zollabgaben (Windfall-Profits für den Fiskus!). Vor allem die Textilindustrie ist von dieser Entwicklung mit hohen Importzollsätzen von bis zu 12 Prozent, die Schuh-Industrie sogar von bis zu 17 Prozent überproportional betroffen. Erste Vorschläge zu einer entlastenden, alternativen Zollwertberechnung werden derzeit auf Realisierbarkeit geprüft.
Rebekka Rüth, Südwesttextil e. V., in Zusammenarbeit mit Michael Regula, www.my-customs.de und Harald A. Neun, www.ccit-neun.de
Tipp: Kennen Sie schon den Podcast “Textil für Morgen” über die Zukunft & Nachhaltigkeit in der textilen Branche von Südwesttextil, dem Verband der baden-württembergischen Textil- und Bekleidungsindustrie? Hier können Sie sich die Beiträge anhören oder den Podcast abonnieren!