Auslandsniederlassungen China

Die Auswirkungen des neuen Lieferkettengesetzes auf das deutsche China-Geschäft

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China sind über Jahrzehnte gewachsen und intensiviert worden. Beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) treffen mit Blick auf Menschenrechte und Umweltstandards soziale, wirtschaftliche und ökologische Zieldimensionen aufeinander. Wir haben Lutz Berners, Geschäftsführer von Berners Consulting GmbH, hierzu befragt:

Frage zur Etablierung nachhaltiger Lieferketten

Herr Berners, Sie haben schon viele Unternehmen dabei begleitet, nachhaltige Lieferketten zu etablieren. Stehen deutsche Unternehmen mit China-Aktivitäten durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) tatsächlich stark unter Druck?
Lutz Berners: Das LkSG hat in der Praxis zwei große Aspekte: Die Einführung LkSG-konformer Abläufe und das Risiko von Klagen.
Aspekt eins, die Einführung LkSG-konformer Abläufe: Bislang waren die Unternehmen vorrangig mit der Einführung LkSG- konformer Abläufe beschäftigt. Die vom LkSG betroffenen Unternehmen, also de facto in Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland, haben nun in der Regel Prozesse aufgesetzt, um dem LkSG Rechnung zu tragen.
Für größere Konzerne stellen die Anforderungen des LkSG in vielen Fällen eine Formalisierung ihrer bereits bestehenden Abläufe dar, da sie bereits in der Vergangenheit Menschenrechte im Lieferantenmanagement berücksichtigt hatten. Für mittelgroße Unternehmen hingegen mussten oft erst entsprechende Prozesse für die menschenrechtsrelevanten Aspekte im Lieferantenmanagement aufgebaut werden, da es bei dieser Unternehmensgröße nicht unbedingt üblich war, diese Aspekte mit den Lieferanten zu thematisieren.
Die Unterschiede in der Vergangenheit hängen auch mit der Marktmacht der Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten zusammen: mittelgroße deutsche Unternehmen sind bei ihren großen chinesischen Lieferanten oft schlicht zu klein, um ihre eigenen Werte dort zu platzieren.

Rechtliche Anforderungen unterstützen KMU bei der Umsetzung

Lutz Berners: Mit den rechtlichen Anforderungen des LkSG ändert sich dies nun grundlegend:
Deutsche Unternehmen sprechen somit nicht aus eigenem Antrieb bei den Lieferanten vor, sondern tun dies zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen. Dies ist ein grundlegender Unterschied. Wir erleben in unserer Beratungspraxis, dass chinesische Unternehmen die entsprechenden Diskussionen eingehen.
Während das deutsche LkSG in China als eher breit angelegt wahrgenommen wird, stoßen Gesetze wie der US-amerikanische Uyghur Forced Labor Protection Act (UFPLA) bei den chinesischen Ansprechpartnern auf Unverständnis. Für deutsche Unternehmen ist die Einführung LkSG-konformer Abläufe und die damit ein- hergehenden Diskussionen mit chinesischen Lieferanten daher insgesamt eher machbar.
Der zweite große Aspekt, das Risiko von Klagen. Momentan laufen die ersten Beschwerden gegen IKEA und Amazon. Ihnen werden Sicherheitsmängel bei Lieferanten in Bangladesch vorgeworfen. Ob diese Beschwerde, die momentan vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geprüft wird, letztlich in einer Klage münden wird, ist noch nicht klar. Ebenso wenig absehbar sind zu diesem frühen Zeitpunkt mögliche Konsequenzen für die Unternehmen. Unser Eindruck aus der Beratungspraxis ist, dass die meisten Unternehmen vorbeugend arbeiten. Allerdings: je komplexer und länger die Lieferkette, und je höher der Preisdruck, desto höher das Risiko.

Frage zu den Aktivitäten deutscher Unternehmen auf dem chinesischen Markt

Werden sich deutsche Unternehmen vom chinesischen Markt distanzieren oder verstärkt außerhalb Chinas investieren?
Lutz Berners: Die Risiken, die mit dem LkSG und der EU-Lieferketten- Richtlinie in Verbindung stehen, sind nur ein Teil des Länderrisikos. In der Praxis spielen bei der Auswahl einer Lieferkette insbesondere die Liefersicherheit und das allgemeine politische Risiko gewichtige Rollen. In vielen Fällen sind Lieferketten über Jahrzehnte gewachsen und bauen auf einem umfassenden lokalen Ökosystem von Zulieferern auf. Insofern ist eine Verlagerung kompletter Lieferketten in andere Länder sowohl mit großem Aufwand als auch mit Risiken verbunden.
Wir bemerken momentan, dass große Konzerne zusätzliche Lieferketten in anderen Ländern aufbauen, so dass das Wachstum im Einkauf auch außerhalb Chinas stattfindet. Es ist also eher ein organischer Prozess als eine forcierte Abkehr vom chinesischen Beschaffungsmarkt.

Frage zur EU-Lieferketten-Richtlinie und betroffenen deutschen Tochterunternehmen 

Die EU-Lieferketten-Richtlinie gilt im Gegensatz zum LkSG auch für Unternehmen aus Drittstaaten. Müssen direkt betroffene deutsche Tochterunternehmen hinsichtlich der chinesischen Muttergesellschaft Überzeugungsarbeit leisten oder gar mit Widerstand rechnen?

Lutz Berners: Dies hängt sehr vom Einzelfall des jeweiligen Unternehmens ab. Je enger die Einbindung der Konzernführung in die Abläufe in Europa, desto besser ist das Verständnis für die Anforderungen des europäischen Umfelds. Viele chinesische Unternehmen mit deutschen Tochterunternehmen haben bereits über ein Jahrzehnt Erfahrung mit dieser Konstellation und haben dementsprechend eine gewachsene Beziehung zu ihrem lokalen Management. Im besten Fall werden die neuen Gesetze als Vehikel genutzt, um die Diskussionen zwischen den beteiligten Personen zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Letztlich arbeiten auch bei dieser Diskussion – Menschenrechte – immer Menschen zusammen. Das sollten wir, bei aller Relevanz von Gesetzen, Richtlinien und Abläufen, immer mit bedenken.
Das Interview führten Silke Helmholz, Syndikusrechtsanwältin, und Stella Metzger, Länderreferentin Asien, IHK Region Stuttgart

Veranstaltungshinweise

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) aus Lieferantenperspektive
am 21. Juli 2023, 09.30 -12.00 Uhr (Webinar)

Melden Sie sich gerne online über unsere Veranstaltungsseite an. 
Internationaler Beratungstag (IBT)
20. November 2023,  in der IHK Region Stuttgart

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