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Midterms 2022 – Bilanz nach zwei Jahren Biden

Auch nach den US-Kongressswahlen sind Wirtschaftspolitik und Inflation die bestimmenden Themen der Wählerinnen und Wähler. Auch sozialpolitische Themen wie Kriminalität und Waffengewalt, gefolgt von Sorgen über die Gesundheitspolitik sowie Klima- und Umweltpolitik spielen eine wichtige Rolle für die Wahlentscheidung. Die Außenpolitik hat trotz Ukrainekrieg keine höhere Priorität für die US-Wählerschaft.
Die Demokraten konnten ihre knappen Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus behalten, die für die Umsetzung der ambitionierten Agenda der Biden-Regierung essenziell ist. Zu den bedeutendsten Maßnahmen zählen das Konjunkturpaket American Rescue Plan sowie das Infrastrukturinvestitionsgesetz Infrastructure Investment and Jobs. Einen weiteren Erfolg konnte US-Präsident Biden zudem mit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act verbuchen.

Die Folgen der Corona-Pandemie

Präsident Biden hat eine  herausfordernde Wirtschafts- und Haushaltssituation übernommen, die vor allem auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Im Dezember 2020 lag die Arbeitslosenquote bei 6,7 Prozent. Im Haushaltsjahr 2020 gab es ein Rekordhaushaltsdefizit von 3,1 Billionen Dollar beziehungsweise 14,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Lösungsansatz: Nachhaltigkeit

Im Wesentlichen versucht die Biden-Administration eine Nachhaltigkeitsagenda umzusetzen, die Wirtschaftswachstum, Klima- und Umweltschutz sowie soziale Gerechtigkeit gleichzeitig und gleichwertig fördert. In den USA wird Nachhaltigkeit über die sogenannten drei Nachhaltigkeits-”E” definiert: Economy, Environment und Equity.
Bidens erste große gesetzgeberische Reaktion war der im März 2021 verabschiedete American Rescue Plan, ein 1,9-Billionen-Dollar-Paket, das unter anderem 1.400 US-Dollar an Einmalzahlungen für Erwachsene und eine erweiterte Steuergutschrift (für ein Jahr) in Höhe von 250 bis 300 US-Dollar pro Kind umfasste. Mit dem Paket wurde die Kinderarmut deutlich reduziert, die Arbeitslosenunterstützung verlängert und die Berechtigung für Gesundheitsleistungen erweitert. Der Haupteffekt war im Geschäftsjahr 2021 spürbar, ein geringerer Einfluss noch im Geschäftsjahr 2022.
Im November 2021 folgte der Infrastructure Investment and Jobs Act. Dieser ermöglicht Investitionen in Höhe von insgesamt einer Billion US-Dollar über ein Jahrzehnt für Straßen, Brücken, Flughäfen, Seehäfen, Schiene, Breitband, Wasser und öffentliche Verkehrsmittel.
Am 16. August 2022 unterzeichnete Präsident Biden den Inflation Reduction Act of 2022. Das sogenannte Inflationsbekämpfungsgesetz sieht Gesamtausgaben von 725 Milliarden US-Dollar vor. Allein das Kapitel Klimaschutz umfasst einen Finanzierungsrahmen von 374 Milliarden US-Dollar. Die Mittel sollen im Laufe von zehn Jahren unter anderem in Steuergutschriften für Käufer von Elektrofahrzeugen, grünen Technologiegütern und Ökostrom fließen.
Zudem sind staatliche Zuschüsse für klimafreundliche Projekte vorgesehen. Mit dem Gesetz verfolgt die US-Regierung auch das Ziel, die Abkehr von teurer fossiler Energie zu beschleunigen.

Eher negative Erwartungen

Laut einer Gallup-Umfrage in diesem Sommer bezeichnete mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung (54 Prozent) trotz Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung die derzeitige wirtschaftliche Lage als schlecht. Rund 85 Prozent der Befragten rechnen mit einer Verschlechterung. Ähnlich negativ beurteilen viele US-Amerikanerinnen und Amerikaner die Wirtschaftspolitik von Präsident Biden. So sagen 56 Prozent, dass seine Politik die Konjunktur verschlechtert habe.
Drei Viertel der Befragten geben an, über die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise sehr besorgt zu sein. Der Preisanstieg bei Lebensmitteln liegt aktuell bei 10,4 Prozent, Benzin ist im Jahresvergleich 60 Prozent teurer geworden. Vertreter aller politischen Orientierungen in den USA nennen die Inflation als ihre größte Sorge. Im Juni lag die Teuerungsrate bei 9,1 Prozent. Dennoch erwarten zwei Drittel der Kleinunternehmen, dass ihre Einnahmen im nächsten Jahr steigen werden, und 43 Prozent planen, mehr Personal einzustellen. Die US-Zentralbank Federal Reserve rechnet in den nächsten sechs bis zwölf Monaten mit einer schwächeren Nachfrage und einem anhaltenden Preisanstieg bis zum Jahresende.

German Business matters

Deutschlands Direktinvestitionen in den USA haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Es steht zu erwarten, dass dieser Trend angesichts der sich verändernden globalen Märkte weiter anhalten wird. Schon jetzt gibt es laut Deutscher Bundesbank mehr als 5.600 deutsche Tochterunternehmen in den USA, viele davon sind Mittelstandsunternehmen des produzierenden Gewerbes. Sie spielen eine wichtige Rolle in der US-Wirtschaft und schaffen Arbeitsplätze in allen Regionen: von Kalifornien bis Virginia und von MInnesota bis Texas. Knapp 900.000 US-Arbeitskräfte sind direkt bei deutschen Tochterunternehmen angestellt. Auch in Zukunft bleiben die USA mit ihrer Marktgröße und Innovationsfreude ein attraktiver Markt für deutsche Unternehmen.
Dr. Christoph Schemionek, Delegierter der deutschen Wirtschaft, Washington, D.C.