Energiesektor Vietnam

Der Energiebedarf in Vietnam wächst stetig, während sich das Land zunehmend auf erneuerbare Energien fokussiert. Vor diesem Hintergrund sprachen wir mit Herrn Thomas Holzapfel, General Director der Fichtner Vietnam Company Ltd., über die aktuellen Entwicklungen im vietnamesischen Energiesektor.
Guten Tag Herr Holzapfel, Vietnam hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Welche Entwicklungen beobachten Sie in Vietnam im Bereich der Dekarbonisierung?
Politik, Gesellschaft und Industrie sind sehr auf die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des Landes ausgerichtet. Gleichzeitig sind vielversprechende Fortschritte im Bereich der Energiewende sichtbar: So soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung laut dem aktuellen Power Development Plan 8 bis 2030 deutlich steigen.
Damit die Energiewende breit getragen wird, muss in der Bevölkerung, in Schulen, Universitäten und bei Unternehmern weiter dafür geworben werden.
Einige Bereiche und Industrien, auch der Energiesektor, müssen Klimaneutralität neu entdecken, um einen umweltbewussten Städtebau, nachhaltigen Transport (E-Mobilität), oder die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. Hier gibt es eine Reihe vielversprechender Entwicklungen, wie die Zunahme von Elektroautos und Elektro-Bussen, oder geplante neue Bahnstrecken, zum Bespiel die Hochgeschwindigkeitsstrecke Hanoi - Ho-Chi-Minh-City.
Nach Ihrer Einschätzung: Welche erneuerbaren Energiequellen haben aktuell das größte Potenzial in Vietnam?
Ich sehe Potenzial bei Windkraft und Solar Energie. Die Wasserkraft in Vietnam ist bereits gut ausgebaut und die Energieversorger konzentrieren sich auf die Erweiterung bestehender Anlagen. Biogas, Biomasse und Grüner Wasserstoff sind spannende Themen, spielen aber bislang eine untergeordnete Rolle und befinden sich in frühen Entwicklungsstadien.
Für den Ausbau der erneuerbaren Energien ist die Stabilisierung des Stromnetzes entscheidend. Vietnam investiert massiv in diesen Bereich. Erst kürzlich wurde der Bau des Pumpspeicherkraftwerks Bac Ai beschlossen. Dieses 1200 MW große Speicherkraftwerk wird den erneuerbaren Energien einen weiteren Schub verleihen. Im Bereich der Photovoltaik setzt die Regierung auf lokale Lösungen, was den Einsatz von Battery Storage Energy Systems (BESS) erfordert. Die Verfügbarkeit von Planungsdaten und die Planungssicherheit werden beim Ausbau der Offshore-Windenergie eine wichtige Rolle spielen.
Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit Vietnam sein Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen kann?
Der beschlossene Umbau der Energieversorgung (Energie Transition) beginnt mit der grundsätzlichen Entscheidung zum Kohleausstieg. Neben Energiesicherheit und erschwinglichen Verbraucherpreisen ist die Investitionspolitik tragende Säule der neuen klimaneutralen Politik. Die Regierung hat eine Reihe von Reformen eingeleitet und Gesetze und Vorschriften aktualisiert, sowie Verantwortlichkeiten neu strukturiert und vereinfacht, um passende Rahmenbedingungen und Planungssicherheit zu schaffen.
In der Bevölkerung ist erkennbar die Bereitschaft vorhanden, die neue Energiepolitik mitzutragen. Der industrielle Bereich beginnt, Energieeffizienz und die Vorteile von Green-Produktion und Green Labeling zu nutzen. Mit dem Umbau der Energiewirtschaft allein wird das Klimaziel jedoch nicht erreicht werden können, vielmehr müssen alle Teile der Gesellschaft und alle Industrien mitwirken, um das Klimaziel zu erreichen.
Welche Rolle spielen ausländische Unternehmen bei der Umsetzung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien in Vietnam?
Ende 2022 schloss Vietnam mit der International Partner Group (IPG) - einer Gruppe von zehn Industrienationen, darunter Deutschland - eine Just Energy Transition Partnership ab (JETP): dadurch stehen dem Land in den nächsten drei bis fünf Jahren 15,5 Milliarden US-Dollar an öffentlichen und privaten Geldern für den grünen Umbau der Energieversorgung zur Verfügung.
Um wie geplant bis 2050 rund 60 Prozent des Strombedarfs durch Renewables zu decken, ist bis 2030 ein Investitionsvolumen von circa 135 Milliarden USD erforderlich, und weitere geschätzte 400 bis 500 Milliarden USD in den Folgejahren. Ein großer Teil der Investitionen soll von ausländischen Investoren kommen. Eine der drängenden Fragen ist, wie diese Gelder abgesichert werden können. Das betrifft sowohl Investitionen in neue Gaskraftwerke, die als Brückentechnologie dienen, als auch Renewables. Eine Schlüsselrolle wird den Power Purchase Agreements zukommen.
Das Interview führte Sebastian Jancic, IHK Region Stuttgart, mit Thomas Holzapfel, General Director Fichtner Vietnam Company Ltd.
Internationaler Beratungstag am 10. November
Veranstaltungsort: IHK Region Stuttgart

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