Rechtssicher auf Auslandsmärkten

Handelszentrum Hongkong: Besser als der bröckelnde Ruf?

Negativ-Schlagzeilen über Hongkong reißen nicht ab. Erst der Niederschlag der Demokratiebewegung und nun Coronachaos. Auch immer mehr Expats verlassen die Stadt, trotz wachsender Wirtschaft und brummendem Finanzmarkt. Wie sieht die Zukunft des Handelszentrums aus?

Mehr als 500 deutsche Unternehmen vor Ort

Hongkong, übersetzt „Duftender Hafen“, ist seit Jahrzehnten ein Dreh- und Angelpunkt der internationalen Geschäftswelt; in der ehemaligen britischen Kolonie, die 1997 an die Volksrepublik China zurückgegeben wurde und auf dem Papier bis 2047 eine autonome Verwaltung zugesichert bekommen hatte, treffen Kultur und Wirtschaft aus Ost und West aufeinander. Der britische Einfluss ist weiterhin spürbar; Englisch ist als offizielle, gleichberechtigte Amtssprache konstituiert. Über 500 Unternehmen aus Deutschland sind hier ansässig und unterhalten eine Niederlassung, Tochtergesellschaften oder ein Hauptquartier für Geschäfte in Asien.

„Freiester Wirtschaftsstandort der Welt“

Viele hatten befürchtet, dass Hongkongs Status als Finanzzentrum und als dem “freiesten Wirtschaftsstandort der Welt“ bröckeln könnte. Während die politisch libertär-konservative Denkfabrik Fraser Institute aus Vancouver Hongkong weiterhin auf Platz 1 listet, hat die amerikanische Heritage Foundation Hongkong jedoch, aufgrund der von Peking gesteuerten Politik, komplett aus ihrer Rangliste gestrichen.
Mit Singapur auf den Fersen, warnen Experten, könnte Hongkong dieses Jahr auch beim Fraser Institute vom Thron gestoßen werden. Dies auch wegen der Null-COVID-Strategie und der damit verbundenen Reise- und Freiheitsbeschränkungen, die jedoch Ende März etwas gelockert wurden. Gleichwohl verbuchte Hongkong 2021 ein Wirtschaftswachstum von 6,4 Prozent.

Hong Kong als Teil der Greater Bay Area

Dieses Wachstum möchten viele Unternehmen nutzen: Hongkong fungiert weiterhin als Schmelztiegel der internationalen Finanzmärkte. Neue Tech-Firmen, insbesondere chinesische Unternehmen, verlagern nach Hongkong, um ihr Geschäft zu skalieren. Ein Grund dafür ist wohl auch, dass chinesische Unternehmen aufgrund der anhaltenden Spannungen zwischen Peking und Washington oft nicht mehr in der Lage sind, sich an den amerikanischen Börsen notieren zu lassen.
Umgekehrt nutzen auch westliche Unternehmer Hongkong als wirtschaftliches Eingangstor für den asiatischen Markt. Eine Vielzahl von Unternehmen betreiben hier das gesamte Asien-Geschäft, auch wegen seiner zentralen geografischen Lage im Herzen der ,Greater Bay Area‘, dem größten und am dichtesten besiedelten Stadtgebiet der Welt. Dieser wachsende Wirtschaftsraum mit etwa 71 Millionen Menschen, vernetzt die südöstlichen Provinzen und Städte der Volksrepublik Chinas und wird von Peking stark gefördert.

Territorialitätsprinzip bei der Steuer

Auch die Bürokratie anderer Staaten treibt Unternehmer in den Duftenden Hafen: Hier lassen sich innerhalb weniger Tage und mit geringen Kosten Gesellschaften gründen. Auch das Steuersystem ist übersichtlich. Während etwa in den USA und Deutschland das „Welteinkommensprinzip“ praktiziert wird, welches zu einer Berücksichtigung sämtlicher, weltweit erzielter Einnahmen führt, herrscht in Hongkong das „Territorialitätsprinzip“. Dabei wird nur Einkommen besteuert, das in Hongkong erwirtschaftet wurde.

Keine Umsatz-, Kapital- oder Mehrwertsteuer

Ebenso sind die Steuern übersichtlich: eine Umsatz- oder Mehrwertsteuer gibt es nicht. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind nicht steuerpflichtig, die persönliche Einkommenssteuer ist niedrig. Die Körperschaftssteuer beträgt 8,25 Prozent für die ersten zwei Millionen HKD Gewinn, darüber wird mit 16,5 Prozent versteuert.
Der Wettkampf um günstige Steuerbedingungen geht aber auch an der Europäischen Union nicht unbemerkt vorbei: Hongkong steht seit dem 5. Oktober 2021 auf der EU-Beobachtungsliste für Steuerzwecke. In die Liste wird aufgenommen, wessen Steuerpraktiken missbräuchlich genutzt werden könnten. Hongkong hat jedoch unterstützend reagiert und sich verpflichtet, das Steuergesetz zu ändern und 2023 entsprechende Maßnahmen umzusetzen; es wird allerdings beim Prinzip der territorialen Besteuerung bleiben.

Bleiben die Investoren?

Stefan Schmierer (c) Ravenscroft & Schmierer
© Ravenscroft & Schmierer
Nach Einsetzung des sogenannten Sicherheitsgesetzes 2020 wurden mehr als 100 prodemokratische Aktivisten festgenommen, viele andere flohen ins Ausland, zahlreiche Zeitungen und Organisationen wurden aufgelöst oder verboten. Investoren fragen sich, ob sie und Ihre Investitionen in Hongkong noch sicher und sinnvoll sind. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Regierung einen Mittelweg mit Anreizen finden möchte, um weiterhin Investoren anzuziehen. Trotz geschrumpfter Freiheiten, trotz restriktiver Corona-Beschränkungen, Hongkong lockt weiterhin chinesische und internationale Unternehmen und Investoren an.
Stefan Schmierer und Philipp Beckmann, Ravenscroft & Schmierer Hongkong