Sozialvorschriften

Arbeitszeitvorschriften für selbstständige Kraftfahrer

Seit 1. November 2012 ist das Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern zu beachten. Diesem zufolge darf ein selbstständiger Kraftfahrer* unter anderem eine Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Er kann seine Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden verlängern, wenn er innerhalb von vier Kalendermonaten im Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden wöchentlich arbeitet. Leistet der selbstständige Kraftfahrer Nachtarbeit ( jede Arbeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr), darf er in einem Zeitraum von jeweils 24 Stunden nicht länger als zehn Stunden arbeiten.
Der selbstständige Kraftfahrer ist verpflichtet, seine Arbeitszeit täglich aufzuzeichnen, soweit sie nicht durch ein analoges oder digitales Kontrollgerät aufgezeichnet wird. Die Aufzeichnungspflicht gilt nicht für allgemeine administrative Tätigkeiten, die keinen direkten Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen Transporttätigkeit aufweisen. Die Aufzeichnungen sind ab Erstellung mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Die Bundesregierung hält die Einbeziehung von echten Selbstständigen in Arbeitszeitregelungen, die über die Lenk- und Ruhezeiten hinaus gehen, auf Grund der unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 561/2006 aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht für geboten und für einen Fremdkörper im geltenden Arbeits- und Wirtschaftsrecht (vgl. BR-Drucks. 858/11).
* Definition des selbstständigen Kraftfahrers gemäß Artikel 3 Buchstabe e) der Richtlinie 2002/15/EG: „selbstständiger Kraftfahrer“ alle Personen, deren berufliche Tätigkeit hauptsächlich darin besteht, mit Gemeinschaftslizenz oder einer anderen berufsspezifischen Beförderungsermächtigung gewerblich im Sinne des Gemeinschaftsrechts, Fahrgäste oder Waren im Straßenverkehr zu befördern, die befugt sind, auf eigene Rechnung zu arbeiten, und die nicht durch einen Arbeitsvertrag oder ein anderes arbeitsrechtliches Abhängigkeitsverhältnis an einen Arbeitgeber gebunden sind, die über den erforderlichen freien Gestaltungsspielraum für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit verfügen, deren Einkünfte direkt von den erzielten Gewinnen abhängen und die die Freiheit haben, als Einzelne oder durch eine Zusammenarbeit zwischen selbständigen Kraftfahrern Geschäftsbeziehungen zu mehreren Kunden zu unterhalten.
Was am Gesetz seltsam anmutet:
Zur Definition des „selbstständigen Kraftfahrers“ wird auf die Ausführungen im Artikel 3 Buchstabe e) der Richtlinie 2002/15/EG verwiesen. Dort wird ausgeführt dass nur jene Fahrer betroffen sind, die „mit Gemeinschaftslizenz oder einer anderen berufsspezifischen Beförderungsermächtigung gewerblich im Sinne des Gemeinschaftsrechts“ Güter oder Personen befördern. Somit sind von den gesetzlichen Regelungen nur Fahrer betroffen, die eine umgangssprachlich als „EU-Lizenz“ bezeichnete Transportgenehmigung verwenden. Finden die Transporte (im Güterverkehr) mit einer nationalen Güterverkehrserlaubnis, einer bilateralen Genehmigung oder unter einer CEMT-Genehmigung statt, greift das Gesetz nicht!?
Ein selbstständiger Fahrer darf weniger arbeiten als ein angestellter Fahrer!? Laut § 2 in Verbindung mit § 3 des Gesetzes darf der selbstständige Fahrer, sofern er Nachtarbeit leistet, maximal zehn Stunden innerhalb von 24 Stunden arbeiten. Beim angestellten Fahrer sieht das anders aus, wie ein kurzes Beispiel erläutert: Der angestellte Fahrer beginnt seine Arbeit um 00:00 Uhr. Er lenkt und arbeitet insgesamt zehn Stunden, unterbrochen von insgesamt 1,5 Stunden Pause. Er beginnt also um 11:30 Uhr mit seiner täglichen Ruhezeit von neun Stunden. Um 20:30 Uhr sind alle Möglichkeiten und Pflichten des Fahrpersonalrechtes ausgeschöpft bzw. erfüllt worden. Nun kann also ein neuer Arbeitstag beginnen – bis 24:00 Uhr kann der angestellte Fahrer also noch 3,5 Stunden arbeiten. Anders beim selbstständigen Fahrer. Dieser müsste (wenn er ansonsten die gleichen Zeiten absolviert hat) mit der erneuten Arbeitsaufnahme noch bis 24:00 Uhr warten. Was soll man dazu noch sagen?
Allgemeine administrative Tätigkeiten, die keinen direkten Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen Transporttätigkeit aufweisen, müssen nicht arbeitszeitrechtlich aufgezeichnet werden. Sehr seltsam: Hat den Gesetzgeber die Vermutung geleitet, der selbstständige Fahrer würde während er einen Transport durchführt und hinter dem Steuer sitzt, administrative Tätigkeiten erbringen? Wieso kommt es sonst zu der Formulierung „…Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen…“ - „gerade“ im Sinne von „just“ oder „im selben Moment“? Es bleibt offen, was ein selbstständiger Fahrer nun also konkret noch zusätzlich aufzuzeichnen hat. An Tagen, an denen ein Fahrzeug aufzeichnungspflichtig bewegt wird, müssten die über ein Kontrollgerät aufgezeichneten Daten ausreichen (sofern andere Arbeitszeiten zusätzlich direkt oder per manuellem Nachtrag aufgezeichnet werden). Bleiben die Tage, an denen keine Fahrten durchgeführt werden. Sollten an diesen nur „allgemeine administrative Tätigkeiten“ anfallen (und wer weiß schon, was darunter alles zu verstehen ist), ist keine Arbeitszeitaufzeichnung notwendig.
Stand: August 2020