Einzelhandelskennziffern

Einzelhandel in der Region Stuttgart 2022 

Achtung:
Die Kennziffern 2022, insbesondere die absoluten Werte in Euro, sind mit Vorbehalt einzuordnen. Bitte beachten Sie unbedingt die Hinweise zur Aussagekraft der Daten weiter unten!

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze

Die Einzelhandelskennziffern für die Region Stuttgart hielten sich auch 2022 auf im Bundesvergleich hohem Niveau:
  • Die Region Stuttgart lag deutschlandweit auf Platz 4 der IHK-Bezirke mit den wohlhabendsten Bürgern
  • Die Region Stuttgart schaffte es auch auf den dritten Platz beim Umsatz im stationären Einzelhandel in Deutschland
  • Dennoch ist die Situation für einen großen Teil der stationären Einzelhändler in der Region existenzbedrohend
  • Die Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen, die von allen Akteuren gemeinsam gemeistert werden müssen

Wichtige Hinweise zur Aussagekraft der Daten für 2022

Die Corona-Krise hat drastische Auswirkungen auf den Einzelhandel in Deutschland. Auch ohne Schließungen gibt es viele Sortimente, die nach wie vor erkennbar unter Konsumzurückhaltung leiden, vor allem im mittelfristigen Bedarf wie etwa im Textilbereich oder bei Schuhen/Lederwaren – dies sind insbesondere innenstadtrelevante Sortimente. Noch ist unklar, wie lange dieser Zustand andauern wird; eventuell handelt es sich um eine dauerhafte Verschiebung.
Die vorliegenden Zahlen für das Jahr 2022 wurden mit dem Datenstand Ende April 2022 berechnet. Noch ist nicht abzusehen, wie sich im Jahresverlauf die Pandemie entwickeln und welche Auswirkungen dies auf den Konsum im stationären Einzelhandel haben wird.
Auch die Folgen des Ukraine-Krieges und der verschärften Störung der Lieferketten sind nicht berücksichtigt, ebenso wenig die durch Inflation und Energiekosten immer stärker ausgeprägte Konsumzurückhaltung. Mehr dazu siehe weiter unten.
Die Folge ist, dass die Zahlen mit Vorbehalt einzuordnen sind.

Grundsituation im Einzelhandel

Neben der bereits erwähnten Pandemie beschäftigen vor allem zwei Themen die Handelsbetriebe: Die Folgen des Ukraine-Krieges, vor allem die extrem gestiegenen Energiepreise und mögliche Verknappungen bei Strom und vor allem Gas, sowie die weiterhin stockenden Lieferketten, was die Versorgung mit Rohstoffen, Vorprodukten, Halbwaren und Fertigwaren betrifft.

Energiesituation

Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses ist die Situation bei der Versorgung der Unternehmen mit Gas und Strom weiter unklar. Nicht auszuschließen sind Engpässe in beiden Bereichen; und die Energie-Einspar-Verordnung erlegt den Betrieben umfangreiche Anpassungen auf, was beispielsweise den Einsatz von Strom angeht. Die Kalkulation für das Unternehmen bleibt schwierig; die Kostenseite steht enorm unter Druck. Dies wird sich voraussichtlich stark negativ auf die betriebswirtschaftliche Rentabilität auswirken – und dies vor dem Hintergrund aufgezehrter finanzieller Polster durch die Pandemiejahre. Die betriebswirtschaftliche Situation im Einzelhandel, vor allem des stationären, ist so dramatisch wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Lieferketten

Derzeit lässt sich kaum noch vorausschauend planen, welche Produkte in welchem Umfang zu welchen Preisen überhaupt beschafft werden können. Auch dies erschwert die Kalkulation zusätzlich. Neben den Auswirkungen der chinesischen Null-CoViD-Strategie mit dem Zusammenbruch ganzer Teile ostasiatischer Quellen stehen umfangreiche Sanktionsregime in Osteuropa (Russland und Weißrussland) und im Nahen Osten zu Buche. Die gegenwärtige geopolitische Lage macht Vorhersagen äußerst unsicher; die Handelsbetriebe müssen aber damit rechnen, dass die Versorgung mindestens mittelfristig unvollständig und weiterhin stockend bleiben wird.

Inflation/Konsum

Die Kundinnen und Kunden sind zunehmend verunsichert, was ihre Einkommenssituation angeht. Inflation, derzeit schon im zweistelligen Prozentbereich, und weiter steigende Energiepreise schüren Ängste, die sich in Kaufzurückhaltung, vor allem beim mittel- und langfristigen Bedarf, ausprägt. Anschaffungen werden zurückgestellt. Gerade innenstadtrelevante Sortimente sind davon überproportional betroffen.

Einzelhandelsrelevante Kaufkraft

Die Region Stuttgart ist nach München, Frankfurt und Düsseldorf der IHK-Bezirk mit den wohlhabendsten Bürgern in Deutschland. Über 7.911 Euro verfügt statistisch gesehen jeder Einwohner, das sind knapp neun Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Streubreite der Regionen im Bundesgebiet reicht von fast 8.400 Euro für München bis hinunter zu rund 6.400 Euro für das östliche Mecklenburg-Vorpommern.
Im Großraum Stuttgart verfügen die Bewohner über rund 22,3 Milliarden Euro an einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, die sie im stationären und im Versand- und Online-Handel ausgeben können.
Unter den Gemeinden über 10.000 Einwohnern liegen in der Region Stuttgart in absoluten Zahlen erwartungsgemäß die großen vorne: Stuttgart (gut 5,1 Milliarden Euro), Esslingen (742 Millionen Euro) und Ludwigsburg (721 Millionen Euro) führen die Liste an.
Pro Einwohner liegt in der Region eine alte Bekannte auf dem ersten Rang: Gerlingen (mit 9.687 Euro beziehungsweise einer Kennziffer von 133,0 bei Deutschland = 100) nimmt hier wie in den Vorjahren den ersten Platz ein vor Schwieberdingen (mit gut 9.100 Euro pro Kopf beziehungsweise einer Kennziffer von 125,2) sowie Leonberg (Kennziffer 117,1), Korb (Kennziffer 116,0), Tamm (Kennziffer 115,5) und Korntal-Münchingen (Kennziffer 115,4), die allesamt bei über 8.400 Euro liegen. Am unteren Ende der Rangliste liegen Murrhardt (Kennziffer 95,5) und Geislingen an der Steige (Kennziffer 90,0), die aber immer noch in der Nähe des Bundesdurchschnitts liegen.

Umsatz im stationären Einzelhandel

Unter den IHK-Bezirken Deutschlands liegt die Region Stuttgart auf dem dritten Platz, was den Umsatz im stationären Einzelhandel betrifft. Fast 16,8 Milliarden Euro klingeln in den Kassen der regionalen Händler. Nur Oberbayern und Berlin liegen noch vor der Region.
Was die Pro-Kopf-Werte angeht, liegt die Region Stuttgart aber nur auf Rang 36 von 79 IHK-Bezirken. Knapp 6.000 Euro nehmen die stationären Händler pro Einwohner ein, was zum ersten Mal seit vielen Jahren weniger (wenn auch nur um 11 Euro) sind als im Bundesdurchschnitt. Bei diesem Indikator schneiden im Bundesgebiet vor allem städtisch geprägte Regionen besser ab, was bei genauer Betrachtung nicht verwundert. So liegt beispielsweise Bremen mit fast 6.600 Euro Umsatz im stationären Einzelhandel auf dem zehnten Platz, obwohl die Einwohner dort mit gut 6.400 Euro nur auf Platz 61 der Regionen bei der Kaufkraft liegen. Bremen ist aber ein Einzelhandelsmagnet für das gesamte Umland und gewinnt viel Kundschaft aus dem Umland.
In der Region Stuttgart liegen naturgemäß die großen Standorte auch beim absoluten Umsatz des stationären Einzelhandels vorn - die Landeshauptstadt mit rund 4,75 Milliarden Euro mit großem Abstand vor Ludwigsburg (rund 940 Millionen Euro) und Sindelfingen (etwa 705 Millionen Euro). Zum Vergleich: In Korb bringt es der örtliche Einzelhandel nur auf rund 27 Millionen Euro Umsatz.
Interessanter ist allerdings der Vergleich pro Einwohner: Hier liegen Sindelfingen (fast 10.800 Euro bzw. Kennziffer 180,7 bei Deutschland = 100) und Backnang (gut 10.000 Euro bzw. Kennziffer 168,0) vor Ludwigsburg (knapp 10.000 Euro bzw. Kennziffer 166,5); mit etwa Abstand folgt Göppingen (Kennziffer 153,6). Hier finden sich große Teile des Einzelhandels auf der „Grünen“ beziehungsweise eher „Grauen Wiese“. Diese großen Flächen ziehen Kaufkraft aus anderen Gemeinden ab und führen zu einer Umsatzverlagerung an solche Standorte. Die Kehrseite dazu bilden Orte wie Korb: Mit einem Pro-Kopf-Umsatz von gut 2.500 Euro und einer Kennziffer von nur 42 zeigen sie, dass in einigen Kommunen der Region die Versorgung der Bevölkerung nur noch untergeordnet vor Ort erfolgt. Hier ist insbesondere der Themenbereich der Nahversorgung bedeutsam, den auch die IHK im Blick hat.

Zentralität

Die Region Stuttgart liegt im Bundesvergleich der Regionen mit einer Kennziffer von 91,9 (Deutschland = 100) nur auf Rang 69 von 79, wenn man die stationären Umsätze nicht nur ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt, sondern dabei auch die Kaufkraft der ansässigen Bevölkerung berücksichtigt. Die Region Stuttgart mit ihrer überdurchschnittlichen Kaufkraft schneidet daher in diesem Ranking schlechter ab als bei den Umsätzen. In Baden-Württemberg schafft es die Region Hochrhein-Bodensee mit ihrer Nähe zu den kaufkräftigen Schweizer Kunden immerhin auf Platz vier des Bundesrankings. Das schon im Vorkapitel erwähnte Bremen liegt hier mit einer Kennziffer von 116,8 hinter Flensburg (118,8) auf dem zweiten Platz – die Gründe sind oben erläutert.
Innerhalb der Region Stuttgart ist die Rangfolge bei der Zentralität derjenigen der Umsätze ähnlich. Auch hier liegen die schon bei den Umsätzen erwähnten vier Standorte vorn; alle liegen bei einer Kennziffer von über 150. Auch Korb als Schlusslicht bei den Umsätzen pro Einwohner bleibt am Ende der Zentralitätsrangliste; die Kennziffer liegt hier wegen der im Vergleich zum Bund höheren Kaufkraft allerdings bei etwa 36.

Kaufkraftbindungsquote

Diese Kennziffer kalibriert die Werte der Zentralitätskennziffer neu – der gedankliche „Nullpunkt“ von 100 Prozent liegt hier erst bei jeweils etwa dem 1,22-fachen der Zentralität (siehe die Berechnungsgrundlagen im Tabellenanhang). Damit soll eine Kennziffer entstehen, die besagt, wie erfolgreich die Standorte bei der Bindung der gesamten einzelhandelsrelevanten Kaufkraft (inklusive Abfluss in Online- und Versandhandel) sind. Die Rangfolge der Standorte entspricht damit exakt derjenigen bei der Zentralität, nur die Werte fallen um den Kehrwert von 1,22 niedriger aus und liegen deshalb jeweils bei 82 Prozent der Zentralitätskennziffer.

Allgemeine Situation im Einzelhandel

An vielen Standorten fallen die Kennzahlen nicht ermutigend aus. Aber auch an Standorten mit scheinbar guten Kennziffern liegt einiges im Argen, und die Situation vieler stationärer Einzelhandelsbetriebe hat sich im Verlauf der Pandemiesituation zugespitzt. Teils mussten auch namhafte Traditionsbetriebe aufgeben, was an diesen Standorten zu spürbaren Lücken im Handelsbesatz geführt hat.
Die IHK bemüht sich neben zahlreichen anderen Aktivitäten insbesondere durch die Umsetzung des Landes-Förderprogramms „Innenstadtberatung“, gemeinsam mit den Akteuren vor Ort diesem Trend entgegenzuwirken.
Die Tabelle mit allen Zahlen der 62 Gemeinden der Region über 10.000 Einwohner sowie Definitionen und Berechnungsmethoden finden Sie auf unserer Webseite (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 227 KB).