Fit für den Green Deal

Nachhaltige Chemikalien

Die EU hat einen umfassenden Regulierungsrahmen für Chemikalien, der aus rund 40 Rechtsakten gebildet wird, darunter die REACH- und die CLP-Verordnung. Mit dem Green Deal will die EU-Kommission die Chemikalienpolitik weiterentwickeln und eine grüne Wende der Chemieindustrie einleiten.

Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit

Die Grundsätze ihrer Chemikalienpolitik hat die EU-Kommission am 14. Oktober 2020 in ihrer „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit“ vorgestellt. Ziel der EU-Kommission ist es, den Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit durch einen sichereren und nachhaltigeren Ein­satz von Chemikalien zu verbessern. Kernelement dabei ist der „Safe and Sustainable by De­sign“ (SSbD)-Ansatz. Das bedeutet, dass grundsätzlich nur noch sichere Chemikalien ver­wendet werden dürfen, um Schäden an Mensch und Umwelt zu verhindern. Bislang lag der Schwerpunkt beim Risikomanagement und bei der Bereitstellung von Informationen für Ver­wender von Chemikalien, um die Einwirkungen von gesundheits- und umweltschädigenden Stoffen auf Mensch und Umwelt zu minimieren. Zukünftig sollen gefährliche Stoffe im We­sentlichen nur noch eingesetzt werden, wenn ihre Verwendung für die Gesundheit oder Si­cherheit erforderlich oder für das Funktionieren der Gesellschaft kritisch ist und es keine tragfähigen Alternativen gibt. Für diese sogenannten wesentlichen Verwendungszwecke sollen noch konkrete Kriterien festgelegt werden („essential use“).
Außerdem soll die Nachhaltigkeit von Chemikalien durch Minimierung des ökologischen Fußabdrucks, insbesondere in Bezug auf Klimawandel, Ressourcennutzung, Ökosysteme und biologische Vielfalt unter Betrachtung des gesamten Lebenszyklus verbessert werden.

Revision der REACH-Verordnung

Die REACH - Verordnung [(EG) 1907/2006] trat als Europäische Chemikalienverordnung am 1. Juni 2007 in Kraft. REACH steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Kernpunkte einer Überarbeitung könnten die Einführung einer Registrierungspflicht für Polymere sowie die Ausweitung des generischen Ansatzes zur Risikobewertung – im Sinne des „Safe and Sustainable by De­sign“ (SSbD)-Ansatzes – in den Zulassungs- und Beschränkungsverfahren sein.
Die mit der Chemikalienstrategie angekündigte Revision wurde inzwischen allerdings mehrfach verschoben und ist im Arbeitsprogramm 2024 nicht mehr zu finden. Das spricht dafür, dass die EU-Kommission in der laufenden Legislaturperiode  keinen Vorschlag mehr vorlegen wird.

Ergänzung der CLP-Verordnung

Die CLP-Verordnung regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von gefährlichen Stoffen und Gemischen (classification, labelling and packaging). Im Dezember 2022 hat die EU-Kommission Vorschläge zur Änderung und Ergänzung der Regelungen vorgelegt.
Mit einem delegierten Rechtsakt hat die Kommission neue Gefahrenklassen und neue Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen in die CLP-Verordnung aufgenommen. Die neuen Gefahrenklassen sind:
  • endokrine Disruptoren (ED) mit Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt,
  • persistent, bioakkumulierbar und toxisch (PBT); sehr persistent und sehr bioakkumulierbar (vPvB),
  • persistent, mobil und toxisch (PMT); sehr persistent und sehr mobil (vPvM).
Delegierte Rechtsakte erlässt die EU-Kommission auf Basis einer Befugnisübertragung. Sie bedürfen nicht der Zustimmung von Parlament oder Rat.  Daher ist diese Änderung bereits am 20. April 2023 in Kraft getreten, wobei noch Übergangsfristen gelten.
Der gleichzeitig vorgestellte Legislativvorschlag zur Änderung der CLP-Verordnung sieht Folgendes vor:
  • die Beschleunigung der Informationswege, 
  • klarere Kennzeichnungs- und Werbevorschriften, insbesondere auch im Online-Handel von Chemikalien,
  • ein Vorschlagsrecht für die EU-Kommission zur Einstufung potenziell gefährlicher Stoffe und
  • Vorschriften für nachfüllbare chemische Produkte, z. B. Haushaltschemikalien, die in loser Form verkauft werden.
Dieser Vorschlag muss das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Der Rat hat sich bereits positioniert, der Standpunkt des Parlaments sowie der Beginn der Trilogverhandlungen werden für Herbst 2023 erwartet.

Phase-Down von F-Gasen

Seit dem 1. Januar 2015 gilt die Verordnung (EU) Nr. 517/2014 (F-Gas-Verordnung) über fluorierte Treibhausgase (F-Gase). Sie werden hauptsächlich als Kältemittel in Kälte- und Klimaanlagen eingesetzt, sind aber auch als Schalt- und Isoliergas in elektrischen Schaltanlagen von Bedeutung. F-Gase haben ein deutlich höheres Treibhausgaspotential (GWP – Global Warming Potential) als CO2.
Mit der von der EU-Kommission am 5. April 2022 vorgeschlagenen Neuordnung soll das Quotensystem weiter verschärft und damit der Phase-Down von teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) beschleunigt werden. Darüber hinaus werden mit dem Vorschlag mehrere Verpflichtungen von Unternehmen aktualisiert, z. B. in Bezug auf die Anwendung bewährter Verfahren, die Überprüfung auf Leckagen, die Aufzeichnungen, die Ausbildung von Wartungspersonal und eine ordnungsgemäße Abfallbehandlung. Außerdem sind weitere Beschränkungen von F-Gasen mit besonders hohem GWP geplant. Um den Handel mit illegalen F-Gasen zu unterbinden, sollen die Kontrollbefugnisse der Zoll- und Überwachungsbehörden gestärkt und Strafen verschärft werden.
Nachdem sich EU-Rat und EU-Parlament im Frühjahr 2023 mit unterschiedlichen Vorschlägen zur Novellierung positioniert haben, ist die neue F-Gase Verordnung Gegenstand andauernder Trilogverhandlungen. Die angestrebte Einigung vor der Sommerpause konnte nicht erzielt werden.

Verbot von PFAS

Die Stoffgruppe der PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) umfasst ca. 10.000 verschiedene künstlich hergestellte chemische Verbindungen, die sich durch ihre hohe thermische und chemische Stabilität sowie Langlebigkeit (Persistenz) auszeichnen. Dadurch wirken sie wasser-, fett- und schmutzabweisend und reagieren nicht mit anderen Chemikalien. Aufgrund dieser Eigenschaften sind sie in vielen Verbraucherprodukten, wie z. B. (Outdoor-)Bekleidung und Teflon-Pfannen, aber auch Medizinprodukten enthalten. Außerdem werden sie für zahlreiche industrielle Anwendungen, etwa bei der Herstellung von Halbleitern und Membranen für Brennstoffzellen oder der Wasserelektrolyse, eingesetzt.
Am 13. Januar 2023 haben deutsche Behörden in Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden einen Beschränkungsvorschlag für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Angestrebt wird ein generelles Verbot der Herstellung, des Inverkehrbringens (einschließlich der Einfuhr) und der Verwendung von PFAS als solches wie auch als Bestandteil von Gemischen und in Erzeugnissen, sofern festgelegte Konzentrationsgrenzen überschritten werden.
Um die Folgen eines PFAS-Verbots abzuschätzen, hat die ECHA eine öffentliche Konsultation gestartet, an der sich bis zum 25. September auch Unternehmen beteiligen können. Die DIHK hat dazu eine umfassende Handreichung veröffentlicht.
Das erforderliche ordentliche Gesetzgebungsverfahren zur Aufnahme der PFAS in Anhang XVII der REACH-Verordnung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen und realistischerweise frühestens 2026 oder 2027 in ein Verbot von PFAS münden. Dem Inkrafttreten der Beschränkung würde sich dann eine 18-monatige Übergangsfrist anschließen. Danach dürften PFAS nur noch für definierten Ausnahmefälle verwendet werden. Je nach Entwicklungsstand verfügbarer Substitute sollen diese auf fünf bis zwölf Jahre begrenzt werden. Zeitlich unbefristete Ausnahmen sind nur für wenige ausgewählte Verwendungen vorgesehen, wie z. B. für Pflanzenschutzmittel, Biozid-Produkte sowie Human- und Tierarzneimitteln.