Fit für den Green Deal

Energie: Sauber & Effizient

Die Dekarbonisierung des Energiesektors ist ein zentrales Element des Green Deal. Bereits im Laufe des Jahres 2020 hat die EU-Kommission ihre Ziele in diversen Strategien präzisiert, die inzwischen in zahlreiche legislative Vorschläge gemündet sind. Einen zusätzlichen Schub gab den Gesetzgebungsverfahren der REPowerEU-Plan vom 18. Mai 2022, mit dem die EU-Kommission zahlreiche Maßnahmen zur Umgestaltung des europäischen Energiesystems vorgeschlagen hat, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland schnellstmöglich zu verringern. Neben der Energiewende hin zu erneuerbaren Energiequellen liegt ein zweiter Fokus auf der Energieeffizienz.

EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

Die wichtigsten Elemente dieser Strategie sind
  • ein stärker „kreislauforientiertes“ Energiesystem, dessen zentrales Element die Energieeffizienz ist, z. B. durch die Wiederverwendung von Abwärme aus Industrieanlagen und Rechenzentren,
  • die direkte Elektrifizierung von Endverbrauchssektoren, in denen traditionell fossile Brennstoffe genutzt werden, z. B. Gebäude und Verkehr,
  • die Verwendung erneuerbarer und CO2-armer Brennstoffe, für Sektoren, in denen eine Dekarbonisierung anders (wirtschaftlich) nicht möglich ist, u. a. die Erschließung des Potenzials von nachhaltiger Biomasse und Biobrennstoffen, von erneuerbarem Wasserstoff und von synthetischen Brennstoffen sowie die Schaffung von Voraussetzungen für die CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung.
Die Strategie benennt dazu 38 Maßnahmen – von der Überarbeitung von Rechtsvorschriften über die finanzielle Unterstützung von Forschung und Entwicklung, steuerliche Maßnahmen und das Auslaufen von Subventionen für fossile Brennstoffe bis hin zur besseren Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

EU-Wasserstoffstrategie

Die Wasserstoffstrategie legt den Fokus auf die Erzeugung grünen Wasserstoffs. In einer Übergangsphase sollen aber auch andere CO2-arme Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff, beispielsweise unter Einsatz von CO2-Abscheidung und -Speicherung oder anderer Arten von CO2-armen Strom, dazu beitragen, die Emissionen kurzfristig zu verringern und den Markt zu vergrößern. Für die schrittweise Entwicklung einer sauberen Wasserstoffwirtschaft werden mehrere Phasen definiert, in denen die Elektrolyseleistung schrittweise ausgebaut und der Anwendungsbereich vergrößert wird. Ab 2030 sollen die Technologien für erneuerbaren Wasserstoff ausgereift sein und in großem Maßstab eingesetzt werden, sodass alle Sektoren erreicht werden können, in denen alternative Lösungen möglicherweise nicht umsetzbar sind.

EU-Strategie für eine Renovierungswelle

Auf Gebäude entfallen in der EU 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der energiebezogenen Treibhausgasemissionen. Während für Neubauten spätestens ab 2030 der Null-Emissions-Standard gilt, sollen Bestandsgebäude nach und nach saniert werden, beginnend mit den am wenigsten energieeffizienten. Dafür sollen schrittweise verbindliche Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien eingeführt und Vorschriften für Energieeffizienzausweise aktualisiert werden. Der öffentliche Sektor soll besonders in der Pflicht stehen, Bestandsgebäude (Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude usw.) zu sanieren.
Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft sollen zukünftig bei Baumaßnahmen stärker berücksichtigt werden. Gefördert werden soll dies durch die Ausweitung des Marktes für nachhaltige Bauprodukte und -leistungen sowie die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Vermarktung von Bauprodukten und Zielvorgaben für Wiederverwendung und Verwertung.

EU-Methanstrategie

Methan trägt als mengenmäßig zweitstärkstes Treibhausgas nach CO2 erheblich zum Klimawandel bei. Um das neue Treibhausgasminderungsziel 2030 zu erreichen, müssen auch die Methanemissionen deutlich reduziert werden. Dazu sollen u. a.
  • Lücken bei Emissionsüberwachung, -überprüfung und -berichterstattung geschlossen,
  • der Ausbau des Marktes für Biogas beschleunigt,
  • das Ablassen oder Abfackeln von Gasen eingeschränkt,
  • Technologien für die Verringerung der Emissionen aus der Landwirtschaft gefördert und
  • die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser, die Klärschlammrichtlinie und die Richtlinie über Abfalldeponien überprüft werden.

EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie

In erneuerbaren Offshore-Energien sieht die EU ein erhebliches Potential. Dies gilt nicht nur für Offshore-Windenergie, sondern auch für neue Technologien, die noch nicht marktreif sind (z. B. schwimmende Windkraft- und Solaranlagen oder auch Algen zur Herstellung von Biokraftstoffen). Um diese Potentiale zu heben, setzt die EU-Kommission auf eine stärkere Zusammenarbeit von Regionen, einschließlich „hybrider“ Projekte mit Anbindungsleitungen an mehrere nationale Netze, eine bessere Meeresraumplanung sowie die Förderung öffentlicher und privater Investitionen in neue Infrastruktur.

Neue Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED III)

Als Teil des „Fit for 55“-Pakets hat die EU-Kommission eine Verschärfung der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie vorgeschlagen. Nachdem im Juni 2023 eine Einigung zwischen Rat und Parlament erfolgte, ist diese inzwischen beschlossen und am 31. Oktober 2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden. Die Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren werden deutlich angehoben – von bisher 32% im Jahr 2030 auf 42,5%. Darüber hinaus enthält die RED III national verbindliche Unterziele für die Nutzung erneuerbarer Energien in den einzelnen Sektoren. So verlangt die Richtlinie zum Beispiel, dass die Industrie den Erneuerbaren-Einsatz jährlich um 1,6 Prozent steigert. Der dort verwendete Wasserstoff muss 2030 zu 42 Prozent aus erneuerbaren, nicht biogenen Quellen stammen. Auch im Verkehr hat die EU das Erneuerbaren-Ziel für 2030 von 14 auf 29 Prozent mehr als verdoppelt. Für die Wärmeversorgung gilt: Die Heizenergie muss nach der RED III bis 2030 zu 49 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen. Damit steigt der Druck auf die EU-Länder, den Einbau fossiler Heizungen zu begrenzen.
Zusätzlich sollen Genehmigungsverfahren deutlich und dauerhaft beschleunigt werden. Dafür werden unter anderem konkrete Fristen festgelegt: Genehmigungsprozess für neue Erneuerbaren-Projekte in bestimmten Gebieten dürfen nicht mehr länger als 12 Monate dauern.

Novelle der Energieeffizienz-Richtlinie (EED)

Die EED-Novelle ist ein weiterer zentraler Baustein des „Fit-for-55“-Pakets. Auch diese ist inzwischen beschlossen und im Amtsblatt der EU veröffentlicht (20. September 2023). Demnach müssen die EU-Staaten ihren Energieverbrauch bis 2030 um 11,7 % im Vergleich zu 2020 senken. Die verbindliche Verpflichtung zur Erbringung von Energieeinsparungen wird auf durchschnittlich knapp 1,5 % pro Jahr erhöht. Der öffentliche Sektor soll dabei mit gutem Beispiel vorangehen und den jährlichen Energieverbrauch um 1,9 % senken, wobei der öffentliche Verkehr und die Streitkräfte ausgenommen werden können. Außerdem sollen jedes Jahr mindestens 3 % der Gesamtfläche aller Gebäude, die sich im Eigentum öffentlicher Einrichtungen befinden, renoviert werden.
Das Endenergieverbrauchsziel ist gemeinsam verbindlich für alle Mitgliedstaaten. Dafür sollen die Mitgliedstaaten in ihren Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECP) ihre indikativen nationalen Beiträge und Zielpfade aktualisieren und der EU 2023 bzw. 2024 vorlegen. Sollten die nationalen Beiträge, dann nicht ausreichen, um das 11,7 % -Ziel zu erreichen, wird die EU-Kommission Korrekturen der nationalen Beiträge vornehmen, die gemessen an Energieintensität, Pro-Kopf-BIP, Entwicklung erneuerbarer Energien und Energieeinsparpotenzial zu niedrig liegen.

EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD)

Die EU-Kommission hat im Dezember 2021 eine Novellierung der EPBD vorgeschlagen, die insbesondere wegen der vorgesehenen Sanierungspflichten im Gebäudebestand hoch umstritten war. Gemäß Trilogeinigung am 7. Dezember 2023 sind  Mindesteffizienzstandards nunmehr nur für Nichtwohngebäude verpflichtend. Ziel ist es, bis 2030 die 16 % der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz und bis 2033 die 26 % der Gebäude mit der geringsten Energieeffizienz zu renovieren. Für Wohngebäude soll jeder Mitgliedstaat einen eigenen nationalen Zielpfad festlegen, um den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 % und bis 2035 um 20-22 % zu senken. 
Für private Neubauten gilt ab 2030 der Null-Emissions-Standard , für öffentliche Neubauten bereits ab 2028, wobei die Mitgliedstaaten bestimmen können, was unter Null-Emissions-Gebäuden zu verstehen ist. Zudem müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass neue Gebäude solargeeignet sind, d. h. sich für die Installation von Fotovoltaik- oder Solarthermieanlagen auf dem Dach eignen. Auf Bestandsgebäuden sollen ab 2027 schrittweise Solaranlagen installiert werden, sofern dies technisch, wirtschaftlich und funktionell machbar ist.
Die Mitgliedstaaten sollen außerdem Maßnahmen für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in der Wärme- und Kälteversorgung festlegen, mit dem Ziel, die Nutzung von fossilen Heizkesseln bis 2040 zu beenden. Die Förderung fossiler Heizungen ist nur bis 2025 erlaubt.
Weitere Regelungen betreffen u. a. europaweit einheitliche Energieausweise und den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Privatgebäuden.
Die im Trilog erzielte vorläufige Einigung muss vom Europäischen Parlament und vom Rat noch förmlich angenommen werden, bevor die neuen Rechtsvorschriften im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden und in Kraft treten.

Gas-Wasserstoff-Paket

Ebenfalls im Dezember 2021 hat die EU-Kommission ihr Gas- und Wasserstoffpaket vorgestellt. Das Paket besteht aus einer Richtlinie und einer Verordnung. Die Verordnung zielt darauf ab, die Aufnahme erneuerbarer und kohlenstoffarmer Gase in den EU-Gasmarkt zu erleichtern, während die Richtlinie die Prinzipien der EU-Gesetzgebung auf Wasserstoffnetze ausweiten würde. Beide Vorschläge haben das Ziel, den Verbraucherschutz zu stärken, die Integration von Wasserstoff und erneuerbaren Gasen in bestehende Infrastrukturen zu fördern und die Regulierung des europäischen Energiemarkts zu verbessern.
Auch hier wurde im Dezember 2023 eine Einigung im Trilog erzielt, deren formale Bestätigung noch aussteht.

EU-Verordnung zur Reduzierung von Methanemissionen

Diese neue EU-Verordnung dient der Umsetzung der Ziele aus der Methanstrategie. Sie enthält Vorschriften für die Messung, Meldung und Überprüfung von Methanemissionen in den Sektoren Öl, Gas und Kohle sowie die Verringerung dieser Emissionen.
Um eine wirksame Messung und Berichterstattung sicherzustellen, sollten Öl- und Gasunternehmen verpflichtet werden, Methanemissionen an der Quelle zu messen und zu melden. Außerdem werden Mindestanforderungen an regelmäßige Inspektionen zum Auffinden und Reparieren von Leckagen formuliert. Das Ablassen von Methan in die Atmosphäre sowie das kontrollierte Abfackeln von Methan soll nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein. Importeure sollen nachweisen, dass ihre Lieferanten ebenfalls die Richtlinien des Messens, Berichtens und Nachweisens von Methanemissionen einhalten.
Auch diese neue Verordnung ist im Trilog bereits ausverhandelt und soll Anfang 2024 formal beschlossen werden.