Vorsicht, Falle! Augen auf bei "fliegenden Händlern" und Haustürgeschäften

Es ist früher Nachmittag, der Laden voller Kunden. In den Trubel kommt ein fliegender Händler rein und erzählt begeistert von seinen/ihren Waren, die angeblich perfekt ins Sortiment passen würden. Ein Vertrag ist schnell aufgesetzt, das Bestellformular während eines anderen Kundengesprächs nebenbei unterschrieben. Kurz danach der Schock: Auf der Bestätigung ist die zehnfache Menge notiert, der Preis um mehrere hundert bis tausend Euro höher als vereinbart – und die Gegenseite schon längst über alle Berge.
In dieser und in ähnlichen Situationen finden sich täglich dutzende Unternehmerinnen und Unternehmer, die – oft unter Druck und in Ablenkungssituationen – in ihren Betrieben besucht werden und Bestellformulare oder Dienstleistungsverträge unterschreiben, die so nie vereinbart wurden. In diesem Artikel möchten wir Sie vor den typischen Gefahren warnen und Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Möglichkeiten geben, falls Sie Opfer eines unseriösen Händlers geworden sind.

Wachsam bleiben, keine Unterschrift in Stresssituationen, Personal sensibilisieren

Achten Sie darauf, sich bei spontanen Geschäften nicht unter Zeitdruck setzen oder ablenken zu lassen! Ein seriöser Geschäftspartner zwingt Sie niemals zu einer sofortigen Entscheidung vor Ort, sondern lässt Ihnen einige Tage Zeit, sich das Angebot zu überlegen. Nutzen Sie die Zeit, um Firma und Namen des Anbieters zu recherchieren und lesen Sie sich das Angebot aufmerksam durch – insbesondere, wenn das Bestellformular während eines ablenkenden Gesprächs schnell von der Gegenseite gefertigt wurde.
Sind die gesetzlichen Pflichtangaben auf dem Bestellschein vorhanden? Wurden Mengenangaben verschleiert (z.B. „100 Stück á 3“ statt „300 Stück“)? Hat die Gegenseite aus den vereinbarten 20 Stück mit dem Kugelschreiber schnell 200 Stück gemacht? Auch lohnt sich oft ein Preisvergleich via Internet. So fällt auch auf, wenn die angepriesene handgemachte Qualität vielleicht in Wahrheit nur industrielle Massenware ist.
Sensibilisieren Sie schließlich auch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nie ohne Ihre Zustimmung oder unter Druck Angebote anzunehmen. Falls möglich, etablieren Sie in Ihrem Betrieb für alle Verträge ein Vier-Augen-System.

In der Regel kein Widerrufsrecht…

Wird der unterschriebene Vertrag im Nachhinein beanstandet, baut die Gegenseite oft ein Drohgebäude aus Schadensersatz, kurzen Fristen, Klagen und Strafanzeigen auf. Lassen Sie sich hiervon nicht aus der Ruhe bringen.
Die schlechte Nachricht zuerst: Ein Recht auf Widerruf des Vertrages, z.B. bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen gemäß § 312g und 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), steht lediglich Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB zu. Unternehmer nach § 14 BGB können sich grundsätzlich nicht auf ein Widerrufsrecht berufen. Doch auch ohne die Möglichkeit des Widerrufs gibt es mehrere Konstellationen, in denen Verträge anfechtbar oder unwirksam sind.

…aber mehrere Möglichkeiten, den Vertrag anzufechten.

Wenn ein Vertrag unter absolut unzulässigen Bedingungen zustande gekommen ist, ist er als nichtig anzusehen. In diesen Fällen entfaltet er von Beginn an keine Wirkung. Unwirksam sind beispielsweise Verträge, bei denen eine gesetzlich vorgeschriebene Form missachtet wurde, die gegen die guten Sitten verstoßen oder bei denen der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zur versprochenen Gegenleistung steht (Wucher). Wenn nur ein Teil des Vertrages, zum Beispiel eine Vertragsklausel, ungültig ist, dann besteht der Vertrag im Übrigen weiter, es sei denn, dass die Parteien ihn so nicht geschlossen hätten.
Anfechtbar sind Willenserklärungen, die unter bestimmten Irrtums-Tatbeständen, unter arglistiger Täuschung oder unter Drohung abgegeben wurden. Wird ein Vertrag aus solchen Gründen angefochten, so gilt er als von Anfang an als nichtig. Die Anfechtung selbst ist formfrei möglich. Sie muss in der Regel ab Kenntnis des Mangels unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen.
Einen Anfechtungsgrund stellt der Erklärungsirrtum dar. In diesem Fall hatte sich die erklärende Person z.B. verschrieben oder versprochen, das nach außen Erklärte stimmt nicht mit dem subjektiv Gewollten überein. Achtung: Wer „blind“ eine Urkunde unterschreibt, kann sich in der Regel nicht darauf berufen, sich über ihren Inhalt geirrt zu haben. Hatte der Vertrag jedoch einen Inhalt, mit dem die unterzeichnende Person auf keinen Fall rechnen musste (weil bspw. mündlich etwas Anderes bestätigt wurde), kann ausnahmsweise eine Anfechtung wegen Erklärungsirrtums in Betracht kommen.
Ein weiterer Fall ist der Inhaltsirrtum. Hier ist die Erklärung an sich richtig, jedoch irrt sich die erklärende Person über die rechtliche Bedeutung. Ein Inhaltsirrtum liegt z.B. vor, wenn die erklärende Person einen Fachbegriff oder eine Mengenbezeichnung falsch oder anders versteht oder wenn sie überhaupt keine verbindliche Erklärung abgeben wollte, z.B. dachte, nur einen Katalog oder einen Kostenvoranschlag zu erhalten.

Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht

Unterschreibt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter einen Vertrag, obwohl er/sie keine Vollmacht hierfür hatte, ist das Geschäft schwebend unwirksam, bis die vertretene Person die Genehmigung erteilt. Wird die Genehmigung verweigert und hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, haftet er in der Höhe, in der die Gegenseite Interesse an dem Zustandekommen des Vertrages hatte (sogenannter Vertrauensschaden).
Unter gewissen Umständen kann sich die Gegenseite jedoch auf eine sogenannte Anscheinsvollmacht berufen. Diese bedarf aber einem Rechtsscheintatbestand, die der vertretenen Person zurechenbar ist. Die Angabe und der Wille, für die vertretene Person zu handeln, reichen nicht aus. Stattdessen muss die Person wiederholt und über einen längeren Zeitpunkt als Vertreter aufgetreten sein.

Im Zweifel professionellen Rat einholen

Im Einzelfall sollte eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt damit beauftragt werden, die Erfolgsaussichten einer Anfechtung zu prüfen. Bei Verdacht auf versuchten Betrug oder Urkundenfälschung können Sie bei der Polizei, in vielen Bundesländern auch online, Strafanzeige erstatten.
Bei unseriösem oder betrügerischen Verhalten können Sie die Industrie- und Handelskammer am Sitz des Vertragspartners und den Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e. V. kontaktieren.