07.08.2024

IHK kritisiert Pläne zum bundesweiten Wasserstoffnetz

Die Industrie- und Handelskammer zu Schwerin hält die erneute Abänderung des aktuellen Planungsstandes des Wasserstoffkernnetzes vom Planungsstand Juni und November 2023 für wettbewerbsschädlich. Diese benachteiligt großen Teile von Mecklenburg-Vorpommern und läuft auch gesamtvolkswirtschaftlich betrachtet auf eine Fehlentwicklung hinaus.
Systemrelevante Speicher, wie der Speicher Kraak, aber auch zukünftige wirtschaftliche Ansiedlungen und Entwicklungen bleiben damit hier in der Region außen vor. Der Ausbau der Offshore-Windenergie, eine dezentrale Elektrolyseurstruktur und künftige Wasserstoff-Importe müssen aber bei der bundesweiten Infrastruktur von morgen berücksichtigt werden.
„Bei einer bereits jetzt erkennbaren Verstärkung des Trends hin zur Green Production ist es etwa für die Ernährungsbranche besonders wichtig ihre Produktion wie auch Logistik CO2-neutral fortentwickeln zu können. Ist eine Umstellung auf Wasserstoff mangels vorhandener Infrastruktur nicht möglich, werden die regionalen Produktionsstandorte abwandern. Gleiches gilt für die Tourismusstandorte landesweit. Der Grüne Tourismus ist längst kein Schlagwort mehr, sondern Realität“, erklärt Klaus Uwe Scheifler, IHK-Geschäftsbereichsleiter Existenzgründung und Unternehmensförderung, Innovation und Umwelt, deutlich in Richtung Bund, aber auch Landesregierung.
„Bleibt Westmecklenburg – wie auch andere Regionen in MV – ein weißer Fleck auf der Wasserstoffkarte, wird die Region von wesentlichen infrastrukturellen Entwicklungen abgehängt bleiben. Damit zeigen sich bereits heute deutliche Parallelen zum Ausbaus des Autobahnnetzes nach der Wende. So wird vollkommen das Staatsziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland verfehlt“, so Scheifler weiter.
Der damalige Startschuss zum Bau der A 14 von Wismar quer durch Westmecklenburg bis nach Magdeburg diente der Erschließung eines weißen Flecks: Das größte zusammenhängende Gebiet ohne Nord-Süd-Autobahnverbindung. Vergleicht man die damaligen Karten mit der jetzigen Planung des Wasserstoffkernnetzes wird augenfällig: Nahezu ganz Mecklenburg-Vorpommern, Teile von Ostholstein und dem östlichen Teil von Niedersachsen bis nach Magdeburg werden abgehängt von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung! Fehlt die überregionale Infrastruktur, können weite Teile des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht teilhaben an der notwendigen Umstellung auf CO2-neutrale Energieträger.
„Die fehlende Anbindung das künftige Wasserstoffkernnetzkann weitreichende negative Folgen haben für den Energieerzeugungsstandort MV“, so die Kritik der IHK zu Schwerin und weiter: „Eine Verzahnung der Ausbauziele Wind und Solar, der notwendigen zusätzlichen Stromleitungen nach Süden und das Wasserstoffnetz ist kaum erkennbar. Wir befürchten, als Wirtschafts- und Industriestandort abgehängt zu werden. Wir produzieren einen hohen Überschuss an grüner Energie und leiten diesen ab durch noch zu bauende Stromleitungen, was die Netzentgelte bei uns weiter nach oben treiben wird“.
Profitieren von den Ausbauplänen Strom und Wasserstoff werden bestehende Industrieregionen im Süden und in Mitteldeutschland.
„Wir brauchen dezentrale Lösungen zur Umwandlung des Grünstroms, zur Nutzung der Prozesswärme und des Wasserstoffs und auch für die Einleitung von hier erzeugtem Wasserstoff in die Verteilnetze“, so die klaren Forderungen der IHK zu Schwerin.
Zudem verweist die IHK zu Schwerin auf den kürzlich vorgelegten Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung:
„Die Wirtschaft in den Regionen stärken und die Herstellung der gleichwertigen Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse darf kein Lippenbekenntnis der Politik des Bundes sein. Wirtschaft und Finanzen, Gesellschaft, Umwelt und Klima sowie Infrastruktur und Daseinsvorsorge sind die zentralen Aspekte zur Erreichung des grundgesetzlich verankerten Gleichwertigkeitsziels. Der Gleichwertigkeitsbericht 2024 spricht eine deutliche Sprache. Bei nahezu allen Kennzahlen liegt Mecklenburg-Vorpommern abgeschlagen. Mit den jetzigen Planungen des Wasserstoffkernnetzes ist eine Verbesserung nicht in Sicht“, so der klare Appell der IHK zu Schwerin an die Politik.
Bedauerlich: „Im Fokus der Fernnetzgasbetreiber ist ausschließlich die betriebswirtschaftliche Komponente des eigenen Investments, ob mit oder ohne IPCEI-Förderung: Der höchste betriebswirtschaftliche Effekt ist erzielbar bei einer Vollauslastung der Kernnetzleitungen. Obwohl öffentliche Gelder in diese Leistungsinfrastrukturen fließen, sind die sozial- und wirtschafts- sowie gesellschaftspolitischen Aspekte untergeordnet und offenkundig ohne Belang. Von dem notwendigen Schritt zur Herstellung gleichwertiger Lebens- und Wirtschaftsverhältnissen rücken wir damit ab! Wir plädieren daher nachdrücklich für eine deutliche Anpassung des aktuellen Planungsstandes!“, so Scheifler abschließend.